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Kontext- und Gedächtniseffekte

Üblicherweise vergleicht man zur Bestimmung der Auswirkungen einer Veränderung des Kontextes, die hier auch als gesamter Kontexteffekt bezeichnet werden, die in einem Standardkontext vorgegebenen Reize mit denjenigen Reizen, die Versuchspersonen in einem veränderten Kontext als dazu gleichfarbig einstellen. Bei Anwendung der Gedächtnismethode sind dabei allerdings Gedächtnis- und Kontexteffekte konfundiert. Diese Untersuchung ist aber so angelegt, daß sich die Auswirkungen der beiden Effekte getrennt bestimmen lassen: Die Differenz zwischen den im Standardkontext vorgegebenen Reizen und den mittleren von einer Versuchsperson im selben Kontext hierzu eingestellten Abgleichen erlaubt eine Schätzung der Gedächtniseffekte. Dazu wird angenommen, daß das Zentroid der Einstellungen zu einem Standardreiz der in Abschnitt 1.4.1 beschriebenen Gedächtnisfarbe einer Versuchsperson entspricht. Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich dann die bereinigten Kontexteffekte für jeden Standardreiz aus der Differenz zwischen den mittleren Einstellungen im Ausgangskontext und den mittleren Einstellungen im Zielkontext schätzen:   Hierbei liegen die Annahmen zugrunde, daß sich die Gedächtnismethode in beiden Kontexten gleich auswirkt und daß das aus den Einstellungen im Ausgangskontext geschätzte Zentroid dem wahren Mittelwert der Koordinaten der Farbabgleiche im Ausgangskontext bzw. der Gedächtnisfarbe entspricht. Diese Schätzung unterliegt jedoch deutlichen Schwankungen, die sich in der Größe der in den Abbildungen 3.1 bis 3.4 gezeigten Diskriminationsellipsoide widerspiegeln.

Für jede Versuchsperson sind in den Tabellen A.1 und A.2 im Anhang A die xyL-Koordinaten der Mittelwerte ihrer Einstellungen zu den einzelnen Standardreizen angegeben zum einen für die Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes und zum anderen für die Einstellungen im veränderten Kontext. Bereits hieran lassen sich die Kontext- und Gedächtniseffekte erkennen. An verschiedenen Kriterien soll nun genauer untersucht werden, wie sich die Einstellungen aufgrund der Gedächtnismethode und der Kontextübergänge verändern.

Die Streuung der Einstellungen

 

Für einen ersten Überblick über die Ergebnisse des Experiments kann man die mittlere Abweichung der Einstellungen von den Standardreizen für jede Versuchsperson und jeden einzelnen Reiz betrachten: Im Anhang A sind hierzu als Abstandsmaße die mittlere euklidische Distanz der tex2html_wrap_inline7946-Koordinaten (Tabelle A.6) und der mittlere tex2html_wrap_inline7226-Abstandgif (Tabelle A.7) sowie deren Standardfehler angegeben. In der ersten Spalte von Tabelle A.8 sind die über alle Versuchspersonen gemittelten tex2html_wrap_inline7226-Abstände der Einstellungen zu den einzelnen Standardreizen zusammengefaßt.

Will man systematische Tendenzen in diesen Streuungen der Einstellungen der Versuchspersonen zu den einzelnen Zielreizen genauer untersuchen, lassen sich unter Voraussetzung einer mehrdimensionalen Normalverteilung der Daten (siehe Seite gif) nach der in Abschnitt 1.1.5 beschriebenen Methode Dikriminationsellipsoide berechnen. Ihre Darstellung in der Normfarbtafel ist in den Abbildungen 3.1 bis 3.4 gezeigt, in den Abbildungen B.1 bis B.4 im Anhang B sind sie in der tex2html_wrap_inline8044, tex2html_wrap_inline8046 und tex2html_wrap_inline8048-Ebene dargestellt. Diese Ellipsoide, die die 95%-Konfidenzbereiche für den Erwartungswert der Einstellungen zum jeweiligen Standardreiz beschreiben, werden getrennt für die Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes (within context matches) und für die Einstellungen bei geändertem Kontext (cross context matches) bestimmt.

Da die Umrechnung zwischen tex2html_wrap_inline7946-Koordinaten und xyL-Koordinaten nach Gleichung 2.5 nichtlinear ist und daher nicht von einer multivariaten Normalverteilung der Daten im xyL-Koordinatensystem ausgegangen werden kann, sind die Darstellungen der Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel mit Vorsicht zu interpretieren. Sie sind aber dennoch hier aufgenommen, um die Ergebnisse mit anderen, üblicherweise in der Normfarbtafel dargestellten Befunden (siehe Abschnitt 1.1.5) vergleichen zu können.

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Abbildung:  

Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel für Versuchsperson SCA: Hier ist für jeden der zehn Standardreize die dazugehörige Diskriminationsellipse in der Normfarbtafel dargestellt. Außerdem wird jeder Reiz durch einen Pfeil repräsentiert, dessen Fußpunkt bei den Ausgangskoordinaten des Reizes liegt und dessen Spitze auf die mittleren Koordinaten der Einstellungen zeigt. Die linke Darstellung bezieht sich auf die Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes, die rechte Abbildung gilt für die Einstellungen im Zielkontext.

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Abbildung:  

Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel für Versuchsperson EIM: Erläuterungen siehe Abbildung 3.1.

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Abbildung:  

Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel für Versuchsperson SIG:

Erläuterungen siehe Abbildung 3.1.

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Abbildung:  

Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel für Versuchsperson WES:

Erläuterungen siehe Abbildung 3.1.

Bei Betrachtung der Abbildungen 3.1 bis 3.4 erkennt man, daß die Diskriminationsellipsen für die Durchgänge ohne Kontextwechsel deutlich kleiner sind als für die Durchgänge mit Kontextübergang. Die Hauptursache dafür ist die fünfmal so große Stichprobe im Falle der Einstellungen innerhalb eines Kontextes, die die Konfidenzintervalle kleiner werden läßt (siehe hierzu Seite gif). Außerdem differiert die Größe der Diskriminationsellipsen zwischen den einzelnen Standardreizen. Ihre relative Größe ist hingegen über die Versuchspersonen und über die Kontexte hinweg relativ konsistent, so daß die Streuung tatsächlich für die einzelnen Reize kennzeichnend zu sein scheint. Dies läßt sich mit Gedächtniseffekten begründen, die für die jeden einzelnen Reiz charakteristisch sind.

Unterschiede aufgrund der Sättigung

Die Größe der Diskriminationsellipsoide hängt auch mit dem Sättigungsgrad des vorgegebenen Standardreizes zusammen: Sowohl im Ausgangs- als auch im Zielkontext werden die Diskriminationsellipsoide für die verschiedenen Reize bei allen Versuchspersonen um so kleiner, je gesättigter der dazugehörige Standardreiz ist, und insbesondere bei den monochromatischen Zielreizen ergeben sich sehr geringe Streuungen der Einstellungen. Die Versuchspersonen sind bei Anwendung der Gedächtnismethode zu konsistenteren Einstellungen fähig, wenn die Sättigung der Reize zunimmt, da möglicherweise bei diesen Reizen eine eindeutigere Gedächtnisfarbe gebildet werden kann. Die Tendenz zu geringeren Streuungen bei hoher Sättigung zeigt sich, insbesondere für rötliche Reize, ebenso bei den Diskriminationsellipsen von MacAdam (1942b), Brown und MacAdam (1949; siehe z. B. Abbildung 1.4) und Brown (1957).

  Insbesondere bei den drei monochromatischen Standardreizen umschließen die Diskriminationsellipsen in der Normfarbtafel nur eine sehr geringe Fläche, wobei die größere ihrer Hauptachsen parallel zum Spektralzug liegt und die kleinere Hauptachse beinahe vollständig verschwindet. Eine solche Form und Lage der Ellipsen kommt zustande, wenn bei Vorgabe eines monochromatischen Zielreizes immer sehr stark gesättigte bzw. monochromatische Abgleiche eingestellt werden, so daß die Farborte der Einstellungen nur noch entlang des Spektralzugs variieren können. Mögliche Ursachen hierfür werden in Abschnitt 4.2 diskutiert.

Die geringe Streuung in der Sättigung bei den Abgleichen zu monochromatischen Reizen ist auch im Zusammenhang mit der zur Bestimmung der Ellipsen vorausgesetzten Normalverteilungsannahme wichtig: Weil die Sättigung der Einstellungen am Rande der Normfarbtafel nur in eine Richtung (nämlich in Richtung Entsättigung) variieren kann, ist die für die Normalverteilung charakteristische Eigenschaft der Symmetrie verletzt. Da jedoch in der Sättigung kaum eine Streuung auftritt, kommt es auch nicht zu einer deutlich schiefen Verteilung der Einstellungen auf dieser Dimension, so daß die Annahme der Normalverteilung der tex2html_wrap_inline7946-Koordinaten der Einstellungen beibehalten werden kann.

Unterschiede zwischen den Farbeinstellungen aufgrund des Kontextes

 

Bei getrennter Betrachtung der Einstellungen in beiden Kontexte ergibt sich aufgrund des unterschiedlichen Stichprobenumfangs für alle Versuchspersonen ein konsistentes Muster bei den Diskriminationsellipsoiden: Die aus den Abgleichen im Standardkontext bestimmten Ellipsoide sind deutlich kleiner als die aus den Einstellungen Zielkontext berechneten. Dies liegt vor allem daran, daß diesen Ellipsen die nach der Gleichung 1.14 berechneten Mahalanobis-Distanzen zugrunde liegen, die stark vom Umfang der Stichprobe abhängen, der sich in den beiden Fällen deutlich unterscheidet: Während die Diskriminationsellipsoide für die Einstellungen ohne Kontextwechsel aus jeweils 70 Daten geschätzt werden, liegen für die Bestimmung der Diskriminationsellipsoide bei den Einstellungen im veränderten Kontext nur je 14 Beobachtungen vor.

Der veränderte Kontext ist den darin präsentierten Farben ähnlicher als der Ausgangskontext. Nach den in Abschnitt 1.1.6 erwähnten Befunden von Brown (1952b) sollte dadurch die Farbdiskrimination für die Zielreize im veränderten Kontext höher sein, was wiederum eine geringere Streuung der Einstellungen bewirken sollte. Das Ausbleiben dieses Effekts in der vorliegenden Untersuchung läßt sich wieder mit dem deutlich geringeren Stichprobenumfang bei den Einstellungen im Zielkontext begründen.

Die höhere Streuung kann auch darauf hinweisen, daß die Versuchspersonen bei Kontextveränderungen allgemein zu unsystematischeren Einstellungen neigen, weil ihnen kontextübergreifende Farbabgleiche schwerer fallen als Abgleiche innerhalb desselben Kontextes. Aufgrund der dann zu erwartenden größeren Ungenauigkeit sollten aber auch die Ergebnisse der Einstellungen schlechter beurteilt werden. In Abschnitt 3.3.4 wird jedoch gezeigt, daß sich die Urteile der Versuchspersonen zur Güte ihrer Einstellungen nicht systematisch zwischen den Durchgängen mit gleichem und den Durchgängen mit verändertem Kontext unterscheiden.

Auswirkungen von Gedächtnismethode und Kontextübergängen

 

In diesem Abschnitt sollen die Auswirkungen der Gedächtnismethode von den Effekten der Kontextübergänge getrennt werden. Der Gedächtniseffekt wird unter den auf Seite gif besprochenen Annahmen durch die Differenz zwischen den Koordinaten des Standardreizes und den Koordinaten der mittleren Einstellungen im Ausgangskontext geschätzt. Diese Mittelwerte dienen in einem zweiten Schritt als Ausgangspunkt zur Schätzung der bereinigten Kontexteffekte: Man ermittelt für jeden Reiz die Verschiebung von dem Zentroid der Einstellungen bei gleichem Kontext zu den mittleren Einstellungen im verändertem Kontext. Die auf diese Weise geschätzten Gedächtnis- und Kontexteffekte sind für die einzelnen Versuchspersonen in den Abbildungen 3.5 bis 3.8 zu sehen.

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Abbildung:  

Gedächtnis- und Kontexteffekte bei Versuchsperson SCA: In dieser Abbildung sind für Versuchsperson SCA die Gedächtnis- und bereinigten Kontexteffekte bei den zehn Standardreizen jeweils durch einen Pfeil dargestellt. Die Fußpunkte der Pfeile in der linken Grafik, die den Gedächtniseffekt repräsentieren, liegen bei den Koordinaten der vorgegebenen Farbe im Ausgangskontext, die Spitzen liegen beim Mittelwert der Koordinaten der dazu im Ausgangskontext eingestellten Abgleiche. Die Pfeile in der rechten Abbildung, die den bereinigten Kontexteffekt darstellen, beginnen bei diesem Mittelwert der Einstellungen im Ausgangskontext und ihre Spitze liegt beim Mittelwert der Einstellungen im Zielkontext. Die Berechnung der Mittelwerte erfolgt jeweils als arithmetisches Mittel der tex2html_wrap_inline7946-Koordinaten der Farben.

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Abbildung:  

Gedächtnis- und Kontexteffekte bei Versuchsperson EIM: Die beiden Grafiken für die Versuchsperson EIM entsprechen Abbildung 3.5.

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Abbildung:  

Gedächtnis- und Kontexteffekte bei Versuchsperson SIG: Die beiden Grafiken für die Versuchsperson SIG entsprechen Abbildung 3.5.

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Abbildung:  

Gedächtnis- und Kontexteffekte bei Versuchsperson WES: Die beiden Grafiken für die Versuchsperson WES entsprechen Abbildung 3.5.

Man kann eine deutliche Ähnlichkeit der Richtung und der Ausprägung der Gedächtniseffekte bei allen vier Versuchspersonen erkennen, die im nächsten Abschnitt besprochen wird. Nun sollen die bereinigten Kontexteffekte untersucht werden, also die um die Effekte der Gedächtnismethode ``korrigierten'' mittleren durch Kontexteffekte bedingten Veränderungen der Einstellungen, die für die einzelnen Reize im rechten Teil der Abbildungen 3.5 bis 3.8 dargestellt sind. Mögliche Ursachen für die geringe Ausprägung dieser bereinigten Kontexteffekte werden in Abschnitt 4.1.2 untersucht.

Es zeigt sich, daß die bereinigten Effekte des Kontextwechsels deutlich geringer ausfallen als diejenigen der Gedächtnismethode, nur bei Versuchsperson SCA ist dies bei einigen Reizen nicht der Fall. Die Übereinstimmung dieser Kontexteffekte zwischen den Versuchspersonen ist geringer als bei den Gedächtniseffekten, außerdem scheint bei keiner Versuchsperson eine klar erkennbare Systematik für die Veränderungen aufgrund des Kontextwechsels vorzuliegen. Bei allen Versuchspersonen ist für einige Farben die Wirkung des Kontextwechsels genau dem Effekt der Gedächtnismethode entgegengerichtet, wobei davon aber bei den verschiedenen Versuchspersonen nicht immer dieselben Reize betroffen sind. Diese Gegenläufigkeit wird ebenfalls in Abschnitt 4.1.2 diskutiert.

Ein positiver Zusammenhang zwischen der Größe der Kontexteffekte und der zur Erstellung der Farbabgleiche im veränderten Kontext benötigten Zeit würde darauf hindeuten, daß der Kontexteffekt während der Farbabgleiche zunimmt (zur Bedeutung dieses Zusammenhangs siehe Abschnitt 4.1.2). Als Maß für die Größe des bereinigten Kontexteffekts dient hier die wie in Abschnitt 3.1.1 berechnete tex2html_wrap_inline8060-Abweichung zwischen den Koordinaten der mittleren Einstellungen zum selben Standardreiz im Ausgangskontext und den Koordinaten der einzelnen Farbabgleiche, es werden also Kontexteffekte betrachtet, aus denen der Gedächtniseffekt herausgerechnet ist. Die Produkt-Moment-Korrelation zwischen dem so bestimmten Kontexteffekt und der für den jeweiligen Abgleich benötigten Zeit ist bei allen Versuchspersonen äußerst gering, obwohl diese Zeiten in einem weiten Bereich zwischen 9 und 124 Sekunden streuen: Die Korrelation beträgt bei Versuchsperson SCA tex2html_wrap_inline8062 (tex2html_wrap_inline8064), bei EIM tex2html_wrap_inline8066 (tex2html_wrap_inline8068), bei SIG tex2html_wrap_inline8070 (tex2html_wrap_inline8072) und bei WES tex2html_wrap_inline8074 (tex2html_wrap_inline8076). Unterschiedlich langes Einwirken des Adaptationskontextes hat also keinen nachweisbaren Einfluß auf die Größe des Kontexteffektes.

Gemeinsame Tendenz der Einstellungen

 

In den vorangehenden Abschnitten werden Unterschiede der Einstellungen aufgrund von Kontext- und Gedächtniseffekten untersucht, nun sollen Gemeinsamkeiten dieser Einstellungen betrachtet werden: Bei den polychromatischen Standardreizen verändern sich in beiden Kontexten die Koordinaten der mittleren Einstellungen der Versuchspersonen tendenziell in Richtung Weißpunkt (siehe den linken Teil der Abbildungen 3.5 bis 3.8), wobei der Weißpunkt hier mit den Farbkoordinaten des Entsättigungsreizes und der Schrift am Bildschirm gleichgesetzt wird. Diese Beobachtung gilt allerdings nur für die entsättigten Reize, denn die Einstellungen zu den drei monochromatischen Standardreizen variieren nur entlang des Spektralzugs. Diese Tendenz bei den polychromatischen Standardreizen ist alleine auf die Effekte der Gedächtnismethode zurückzuführen, da sie nicht mehr auftritt, wenn man die im vorigen Abschnitt beschriebenen ``bereinigten'' Kontexteffekte betrachtet, die im rechten Teil der Abbildungen 3.5 bis 3.8 zu sehen sind.

Die Richtung dieses Effekts ist genau den von Newhall et al. (1957) beschriebenen Auswirkungen der Gedächtnismethode entgegengesetzt: Diese Autoren, wie auch andere in Abschnitt 1.4.1 genannte, berichten, daß die aus dem Gedächtnis produzierten Einstellungen eine höhere Sättigung aufweisen als die vorgegebenen Reize. Allerdings besitzen die üblicherweise verwendeten Standardreize eine deutlich geringere Sättigung als die in diesem Experiment eingesetzten. Mit der Annahme, daß die Gedächtnisfarben in Richtung einer relativ hohen, aber nicht maximalen Sättigung tendieren, lassen sich sowohl die Befunde von Newhall et al. (1957) als auch die hier beschriebenen erklären.

Analyse im Rahmen einer Gegenfarben-Theorie

 

In diesem Abschnitt sollen die Ergebnisse des Experiments im Gegenfarben-Raum nach Derrington et al. (1984) dargestellt werden, der in Abschnitt 1.2.3 beschrieben ist. Für diese Auswertung ist der Farbraum so wie von Brainard (1996) empfohlen implementiert, wobei auch die von ihm vorgeschlagenen Gewichtungsfaktoren und Skalierungen der Achsen eingesetzt werden. Grundlage der Berechnungen sind die tex2html_wrap_inline7946-Koordinaten der im Experiment vorgegebenen Standardreize und der dazu produzierten Einstellungen der Versuchspersonen, die in Bezug gesetzt werden zu den Koordinaten des jeweiligen Kontextes. Die Koordinaten eines Reizes, die von Derrington et al. (1984) für jeden der drei Gegenfarben-Mechanismen als Erregungsdifferenz verstanden werden, bezeichnen den Unterschied zwischen der Erregung durch den Reiz selbst und der Erregung durch den Kontext, der damit im Ursprung dieses Koordinatensystems liegt und von dem die Farbkoordinaten der Innenfelder abhängen. Dieses Modell ist zur Beschreibung des Experiments gut geeignet, da es die dort dargebotene Konfiguration aus Reiz und Kontext repräsentieren kann. Die Farbkoordinaten in dem von Derrington et al. (1984) beschriebenen Farbraum, die auch DKL-Koordinaten genannt werden, bezeichnen die Erregungsdifferenzen der folgenden drei postulierten Systeme:

tex2html_wrap_inline8080 bezeichnet die Erregungsdifferenz des Rot-Grün-Systems, wobei ein positiver Wert bedeutet, daß der Rotanteil des Reizes höher ist als der des Umfeldes. Ist dagegen der Grünanteil des Reizes höher als der des Umfeldes, nimmt tex2html_wrap_inline8080 einen negativen Wert an.

tex2html_wrap_inline8084 kennzeichnet die Erregungsdifferenz des Gelb-Blau-Systems. Erregt ein Reiz diesen Mechanismus stärker in Richtung Blau als der Hintergrund, nimmt tex2html_wrap_inline8084 einen positiven Wert an, ist dagegen der Gelbanteil höher, wird der Wert negativ.

tex2html_wrap_inline8088 bezeichnet den Helligkeitsunterschied zwischen Reiz und Umfeld, der einfach durch die Differenz der beiden Leuchtdichten bestimmt wird. Erscheint der Reiz heller als sein Umfeld, wird dieser Wert positiv; negative Werte treten bei Reizen auf, die dunkler als ihr Umfeld sind.

Diese DKL-Koordinaten werden für jede einzelne Einstellung der Versuchspersonen unter Berücksichtigung des Kontextes berechnet. Wegen der Kontextabhängigkeit unterscheiden sich die Koordinaten eines vorgegebenen Standardreizes im Ausgangskontext von den Koordinaten desselben Standardreizes im geänderten Kontext. Tatsächlich vorgegeben wird der Standardreiz in diesem Experiment jedoch nur im Ausgangskontext.

Wenn die Versuchspersonen den Zielreiz alleine aufgrund der Erregungsdifferenzen der Gegenfarben-Systeme einstellen, also nur Differenzen zum Kontext betrachten, dann sollten sich die mittleren DKL-Koordinaten ihrer Einstellungen, die ja relativ zum Kontext bestimmt werden, in den beiden Kontexten nicht voneinander unterscheiden. Bemühen sich die Versuchspersonen dagegen um eine möglichst hohe farbliche Ähnlichkeit zwischen dem von ihnen manipulierten Zielreiz und dem Standardreiz ohne besondere Berücksichtigung des Umfeldes, dann sollte im veränderten Kontext eine Verschiebung der DKL-Koordinaten der Farbabgleiche hin zu den DKL-Koordinaten des Standardreizes stattfinden. Ein derartiges Verhalten könnte man als Versuch interpretieren, den Kontext-Effekt zu kompensieren. Wie jedoch im Anhang B zu sehen ist, lassen sich bei den meisten Reizen die DKL-Koordinaten der Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes von denen im veränderten Kontext gut unterscheiden und es findet auch keine Verschiebung in Richtung Standardreiz statt. Keiner der beiden in diesem Absatz genannten Erklärungsversuche kann somit die Daten vorhersagen. Im nächsten Abschnitt wird nach alternativen Erklärungen gesucht.

Diskriminationsellipsoide im DKL-Raum

Im folgenden werden nicht nur die DKL-Koordinaten der einzelnen Einstellungen betrachtet, sondern auch deren zentrale Tendenz und die dazugehörigen Diskriminationsellipsen. Die zu deren Bestimmung wiederum vorausgesetzte Normalverteilung der Daten wird hier nicht überprüft, es wird aber von einer Normalverteilung der Daten im tex2html_wrap_inline7200-Raum ausgegangen, wie bereits auf Seite gif dargelegt ist. Da es sich bei der Transformation in den DKL-Raum um eine affine handelt, kann auch weiterhin von einer Normalverteilung der transformierten Daten ausgegangen werden. Die Diskriminationsellipsoide werden bestimmt, um einen Überblick über die Tendenz der Einstellungen zu ermöglichen. Es werden jedoch keine inferenzstatistischen Schlüsse aus den Ellipsenparametern gezogen.

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Abbildung 3.9:  

DKL-Koordinaten aller einzelnen Einstellungen von Versuchsperson SCA zu den monochromatischen Standardreizen:

Diese Abbildung zeigt die DKL-Koordinaten der Einstellungen bei gleichem Kontext (Raute) und bei Kontextwechsel (Pluszeichen) zu jedem der drei monochromatischen Standardreize (links oben Reiz 4, rechts oben Reiz 8 und unten Reiz 10) sowie die 95%-Vertrauensintervalle für die Schätzung der mittleren Einstellungen. Näheres dazu im Text.

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Abbildung 3.10:  

DKL-Koordinaten aller einzelnen Einstellungen von Versuchsperson EIM zu den monochromatischen Standardreizen: Erläuterung siehe Abbildung 3.9.

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Abbildung 3.11:  

DKL-Koordinaten aller einzelnen Einstellungen von Versuchsperson SIG zu den monochromatischen Standardreizen: Erläuterung siehe Abbildung 3.9.

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Abbildung 3.12:  

DKL-Koordinaten aller einzelnen Einstellungen von Versuchsperson WES zu den monochromatischen Standardreizen: Erläuterung siehe Abbildung 3.9.

Diese Ellipsoide werden im folgenden in der Ebene dargestellt, die von den beiden chromatischen Gegenfarben-Kanälen aufgespannt wird. Der achromatische Mechanismus als dritte Dimension soll hier nicht betrachtet werden, um übersichtlichere zweidimensionale Abbildungen zeigen zu können. In den Abbildungen B.5 bis B.8 im Anhang B sind für je eine Versuchsperson zu allen Standardreizen die Veränderungen der mittleren DKL-Koordinaten der Einstellungen dargestellt, die sich gegenüber dem Standardreiz ergeben, sowie die 95%-Konfidenzbereiche für die Erwartungswerte dieser Einstellungen. Die Darstellung erfolgt getrennt für die Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes und die Einstellungen im veränderten Kontext. Die DKL-Koordinaten aller einzelnen Farbabgleiche zu den für die Untersuchung des Phänomens der Hypersaturierung relevanten monochromatischen Reizen (Reiz 4, 8 und 10) sind für die einzelnen Versuchspersonen in den Abbildungen 3.9 bis 3.12 dargestellt: Eine Raute markiert dabei die von einem einzelnen Farbabgleich hervorgerufene Differenz der Erregungen der chromatischen Mechanismen innerhalb des Ausgangskontextes, ein Kreuz repräsentiert entsprechend eine Erregungsdifferenz bei verändertem Kontext. Die DKL-Koordinaten des vorgegebenen Standardreizes sind ebenfalls für beide Kontexte eingezeichnet und durch eine Linie miteinander verbunden. Außerdem werden noch die Gedächtnis- und Kontexteffekte veranschaulicht, indem für jeden Standardreiz zwei Pfeile von den Koordinaten des vorgegebenen Reizes zum Mittelwert der Koordinaten der Einstellungen eingezeichnet werden. Ein Pfeil repräsentiert die Verschiebung der mittleren Koordinaten bei den Durchgängen innerhalb des Ausgangskontextes (Gedächtniseffekt), der andere Pfeil bei den Durchgängen mit verändertem Hintergrund (Gedächtniseffekt und Kontexteffekt). Schließlich sind noch die 95%-Konfidenzbereiche der Erwartungswerte der Erregungsdifferenzen für die Abgleiche innerhalb eines Kontextes (durchgezogene Linie) und die Abgleiche bei Kontextübergang (gestrichelte Linie) eingetragen. Diese Ellipsen sind allerdings teilweise kaum erkennbar, da sie von den Datenpunkten verdeckt werden. Bei den Einstellungen im unverändertem Kontext sind die Konfidenzbereiche außerdem relativ klein, wie man in den Abbildungen B.5 bis B.8 im Anhang B besser erkennen kann.

Bezug zur Hypersaturierung

Das Phänomen der Hypersaturierung sollte sich - wenn überhaupt - bei den monochromatischen Standardreizen zeigen; unter diesem Gesichtspunkt sollen nun die Abbildungen 3.9 bis 3.12 interpretiert werden. Besonders auffällig ist hier die hohe Übereinstimmung der Koordinaten der Einstellungen zwischen den einzelnen Versuchspersonen. Im einzelnen findet bei Reiz 4 und bei Reiz 10 durch die Gedächtnismethode eine deutliche Verschiebung der Erregungsdifferenzen in Richtung Ursprung statt. Die Standardreize führen auf beiden chromatischen Achsen zu einer größeren Erregungsdifferenz als die entsprechenden Einstellungen der Versuchspersonen, so daß bei diesen Reizen Hypersaturierung vermutlich keine Rolle spielt. Der Reiz 8, ein monochromatischer Reiz der Wellenlänge 580 nm, bewirkt dagegen sowohl bezüglich des Rot-Grün-Systems als auch bezüglich des Gelb-Blau-Systems eine Erhöhung der Erregungsdifferenzen gegenüber dem Zielreiz vor dem entsprechenden Kontext, wobei dieser Effekt beim Gelb-Blau-System deutlicher ausgeprägt ist. Dieser Befund läßt sich dadurch erklären, daß bei monochromatischen Reizen - wie bei allen anderen auch - eine Erhöhung der Leuchtdichte des Reizes auf allen Achsen höhere Erregungsdifferenzen bewirkt,gif wenn der Kontext konstant bleibt und dessen Leuchtdichte niedriger als die des Innenfeldes ist. Insofern muß auch zur Erklärung der Einstellungen bei Reiz 8 nicht notwendigerweise auf das Konzept der hypersaturierten Farben zurückgegriffen werden: Die höheren Erregungsdifferenzen lassen sich damit erklären, daß die Einstellungen der Versuchsperson eine höhere Leuchtdichte besitzen als der Standardreiz.

Eine weitere Besonderheit stellt die im Vergleich zu Reiz 4 und Reiz 10 hohe Varianz der DKL-Koordinaten der Einstellungen zu Reiz 8 dar: Diese tritt bei allen Versuchspersonen und bei den Einstellungen innerhalb des Ausgangskontextes sowie bei denjenigen im geändertem Kontext auf. Bei diesem Reiz liegt jeweils die größte durchschnittliche wahrnehmbare Distanz tex2html_wrap_inline8060 zwischen den Einstellungen und dem Standardreiz vor (siehe Tabelle A.7). Es handelt sich außerdem um den Standardreiz, bei dem die Einstellungen der Versuchspersonen am längsten dauern (siehe Tabelle A.5). An diesen Parametern gemessen fällt den Versuchspersonen also die Einstellung zu diesem Standardreiz unabhängig vom Kontext besonders schwer. Diese Schwierigkeiten bei den Abgleichen zu dem monochromatischen Reiz 8 können nicht als Indiz dafür interpretiert werden, daß die Versuchspersonen keinen Abgleich im Zielkontext finden, da dieselben Schwierigkeiten in beiden Kontexten auftreten. Auch das Muster der DKL-Koordinaten der Einstellungen zu den anderen monochromatischen Standardreizen liefert keinerlei Hinweise darauf, daß zu bestimmten Farben keine Abgleiche produziert werden können. Somit ergeben sich aus der Betrachtung der Einstellungen im DKL-Raum keine Anhaltspunkte für die Existenz hypersaturierter Farben.

Systematik der Einstellungen

Sehr auffällig ist an den Abbildungen 3.9 bis 3.12 und ebenso an den Abbildungen B.5 bis B.8, daß die Einstellungen in fast allen Fällen in Richtung Ursprung des DKL-Koordinatensystems tendieren. Bei einigen Reizen liegen die Einstellungen sogar fast genau auf einer Strecke, die vom Farbort des vorgegebenen Standardreizes zum Ursprung führt, der in diesem Farbraum dem Farbort des Kontextes entspricht. Dieses bei monochromatischen Standardreizen besonders auffällige Variieren der Farbkoordinaten entlang einer Gerade zwischen Standardreiz und Kontext kommt dadurch zustande, daß Sättigung und bunttongleiche Wellenlänge des Zielreizes nur sehr geringen Streuungen unterliegen, während dessen Leuchtdichte stärker schwankt, wie in Abschnitt 1.2.3 bzw. in Abbildung 1.5 gezeigt wird. Bei monochromatischen Standardreizen wird von den Versuchspersonen immer eine maximale oder annähernd maximale Sättigung eingestellt (siehe Abschnitt 3.1.1), so daß in diesem Attribut also nur eine sehr geringe Streuung vorliegt. Auch der Farbton bzw. die bunttongleiche Wellenlänge können bei monochromatischen Standardreizen relativ genau von den Versuchspersonen reproduziert werden, wie dieses Variieren entlang einer Geraden belegt. Die größeren Schwankungen in der Leuchtdichte der Abgleiche können zumindest teilweise dadurch erklärt werden, daß sowohl die zeitliche Instabilität des LCTF als auch dessen große Transmissionsunterschiede (siehe Abschnitt 2.4) starke Schwankungen in der Leuchtdichte des Zielreizes bewirken.

Am dem Muster der Einstellungen im DKL-Raum erkennt man also, daß der Farbton der Standardreize im Vergleich zu deren Helligkeit relativ gut reproduziert werden kann. Die größeren Schwankungen in der Leuchtdichte der von den Versuchspersonen eingestellten Abgleiche hängen mit den zeitlichen und wellenlängenabhängigen Schwankungen der Helligkeit der Reize zusammen, die von der optischen Apparatur produziert werden.


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Last modified 10-29-98