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Besondere Phänomene

In diesem Abschnitt sollen einige Phänomene dargestellt werden, die einen Einfluß auf die Farbwahrnehmung ausüben können. Sie lassen sich durch die einfacheren Modelle nicht erfassen, die Graßmannschen Gesetze treffen beispielsweise bei den nun beschriebenen Phänomenen nicht zu. Die Abhandlung dieser besonderen Phänomene ist an dieser Stelle aus zwei Gründen wichtig: Zum einen sollten auch sie durch eine allgemeine Theorie der Farbwahrnehmung vorhergesagt werden - sie stellen deshalb eine kritische Bewährungsprobe für diese Theorien dar. Zum anderen soll in diesem Abschnitt untersucht werden, inwieweit sich diese Effekte bei der Durchführung der vorliegenden Untersuchung auswirken können. Die verwendeten Reize sind so ausgewählt, daß die nun referierten Effekte möglichst keinen störenden Einfluß ausüben können.

Fairchild (1998) betrachtet es als wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Güte eines Farbeindrucks-Modells, daß es möglichst viele der hier aufgeführten Phänomene (und noch einige weitere, hier nicht genannte) vorhersagt. Umgekehrt werden diese Phänomene aber auch bei der Konstruktion solcher Farbeindrucks-Modelle eingesetzt: Teilweise werden zur Modellierung von jedem einzelnen dieser Phänomene zusätzliche Parameter eingeführt, beispielsweise bei dem Modell von Hunt (1995), das naturgemäß dann auch die meisten dieser Effekte vorhersagt. Dieses induktive Vorgehen ist aber vom theoretischen Standpunkt sehr unbefriedigend.

Bezold-Brücke-Effekt

Der Farbton eines Reizes hängt nicht nur von dessen relativer spektraler Zusammensetzung ab, sondern auch von der Intensität: Der Bezold-Brücke-Effekt besteht in der Veränderung des Farbtons eines monochromatischen Reizes, dessen Leuchtdichte variiert wird. Purdy (1931) untersucht dieses Phänomen quantitativ: In einem 3tex2html_wrap_inline2372 großen runden zweigeteilten Feld wirde in einer Hälfte ein fester monochromatischer Reiz dargeboten, in der anderen Hälfte ein monochromatischer Reiz geringerer Intensität, dessen Wellenlängenmaximum von der Versuchsperson variiert werden kann. Diese variable Wellenlänge soll so eingestellt werden, daß die Farbtöne von Standard- und Zielreiz gleich erscheinen. Es zeigen sich die in Abbildung 10 zu sehenden Unterschiede in den Wellenlängenmaxima der beiden Reize. Dabei fällt insbesondere auf, daß die Stärke des Bezold-Brücke-Effekts von der Wellenlänge des monochromatischen Reizes abhängt.

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Abbildung:   Der Bezold-Brücke-Effekt nach Purdy (1931): Bei dieser Untersuchung des Bezold-Brücke-Effekts werden verschiedene monochromatische Standardreize einer Intensität von 1000 troland in einer Hälfe eines zweigeteilten Sehfeldes vorgegeben. Dazu sollen in der anderen Hälfte jeweils variable monochromatische Reize mit einer Intensität von 100 troland in ihrer Wellenlänge so eingestellt werden, daß ihr Farbton gleich dem des Standardreizes empfunden wird. Auf der Absziss sind die verschiedenen Wellenlängen des Standardreizes zu sehen, der Ordinate ist die Wellenlängendifferenz zwischen Standard- und Zielreiz abgetragen. Die Rauten bezeichnen die Meßwerte und die Linie die geglättete Schätzung dieser Unterschiede, die aus der Abbildung 1 von Purdy (1931, S. 548) abgelesen wurden.

Zur Charakterisierung des Farbtons eines Reizes werden oft nur dessen Farbwertanteile angegeben. Diese hängen nicht von der absoluten Leuchtdichte des Reizes ab; der tatsächlich empfundene Farbton ist aber schon von der Intensität abhängig, wie für monochromatische Reize durch den Betzold-Brücke-Effekt belegt ist. Bei den für das Experiment ausgewählten Reizen ist aber davon auszugehen, daß der Bezold-Brücke-Effekt keine Rolle spielt, da die Leuchtdichte der vorgegebenen Standardreize kaum variiert wird: Sie schwankt nur zwischen 2.4 und 3.9 tex2html_wrap_inline2390. Außerdem stellte Hunt (1989) für vor einem Kontext dargebotene Farben fest: ``For related colours, there seems to be no evidence that systematic changes in percieved hue occur as a result of changing either luminance factor or illuminance. The Bezold-Brücke effect therefore seems to be confined to unrelated colors'' (Hunt, 1989, S.239).

Abney-Effekt

Oft wird davon ausgegangen, daß ein Farbton durch seine bunttongleiche Wellenlängegif charakterisiert werden kann. Dies ist jedoch nicht immer so: Wird zu einem monochromatischem Reiz ein achromatischer Reiz , also als ``weiß'' empfundenes Licht, hinzugemischt, so verändert sich auch dessen Farbton, obwohl sich eigentlich nur die Sättigung verringern sollte. Dieses Phänomen bezeichnet man nach Abney (1910) als den Abney-Effekt. In der Normfarbtafel liegen die Mischungen zwischen monochromatischen Farben und Reizen, die dem energiegleichen Spektrum entsprechen, somit nicht auf der Verbindungsgerade zwischen den Farbörtern der beiden gemischten Reize. Die Ergebnisse von Robertson (1970) belegen diesen Effekt deutlich.

Der Abney-Effekt wirkt sich in der Mitte zwischen dem Farbort des achromatischen Reizes und dem Farbort des monochromatischen Reizes am stärksten aus, in der Nähe der monochromatischen Reize hingegen kaum (siehe hierzu beispielsweise die Abbildung 1(5.9) bei Wyszecki & Stiles, 1982, S.421). Da die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten Reize alle relativ stark gesättigt (oder sogar monochromatisch) sind, sollte sich auch der Abney-Effekt nicht auswirken; das Hinzumischen das Entsättigungsreizes sollte deshalb nur Sättigung und Helligkeit des Zielreizes beeinflussen, nicht aber dessen Farbton verändern.

Helmholtz-Kohlrausch-Effekt

Bei Verwendung der Normfarbwerte zur Charakterisierung von Farben dient oft die Y-Koordinate als direkte Schätzung der wahrgenommenen Helligkeit. Es zeigt sich jedoch, daß bei konstant gehaltener Leuchtdichte die wahrgenommene Helligkeit zusammen mit der Sättigung zunimmt; die Stärke des Effekts hängt außerdem vom Farbton ab. Dadurch erscheint ein farbiger Reiz heller als ein weißer Vergleichsreiz, der die selbe Leuchtdichte besitzt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Farbenglut und bezeichnet dieses Phänomen als Helmholtz-Kohlrausch-Effekt; eine ausführliche Darstellung findet sich bei Wyszecki und Stiles (1982, S. 410 ff.). Dieser Effekt läßt sowohl bei isoliert dargebotenen Farben nachweisen als auch bei Farben, die vor einem Kontext präsentiert werden.

Die wahrgenommene Helligkeit läßt sich also nicht als direkte eindimensionale Funktion der Leuchtdichte des Reizes beschreiben. In die Bestimmung der Reizkoordinaten in dem hier beschriebenen Experiment geht jedoch nur die absolute Leuchtdichte des monochromatischen Reizes und des hinzugemischten Entsättigungsreizes ein. Es wäre prinzipiell möglich, daß unterschiedliche Leuchtdichten (z.B. bei verschiedenen Kontexten) als gleich hell wahrgenommen werden. Variationen der Leuchtdichte können also durch den Versuch der Kompensation des Helmholtz-Kohlrausch-Effekts zustande kommen.

Hunt-Effect und Stevens-Effekt

Eine Erhöhung der Leuchtdichte eines Reizes führt auch zu einer Erhöhung von dessen Farbigkeit: Hellere Reize erscheinen farbiger. Dieses Phänomen bezeichnet man nach einer Untersuchung von Hunt (1952) als Hunt-Effekt. Ein ähnliches, auf den Kontrast einer Farbe bezüglich ihres Hintergrundes bezogenes Phänomen ist der Stevens-Effekt: Kontrast sei das Verhältnis zwischen der Differenz aus Helligkeit des Reizes und des Hintergrundes (tex2html_wrap_inline2926) und der Helligkeit des Hintergrundes (tex2html_wrap_inline2928). Der so definierte Kontrast nimmt mit der Leuchtdichte zu (siehe Stevens & Stevens, 1963). Dies bedeutet, daß dunkle Farben bei starker Beleuchtung noch dunkler und helle Farben heller erscheinen.

Praktisch zeigen sich der Hunt-Effekt bei der Betrachtung von Farbfotografien: Werden sie bei schwacher Beleuchtung betrachtet, erscheinen sie wenig farbig und kontrastreich; betrachtet man dagegen das selbe Foto bei sehr heller Beleuchtung, erscheint es wesentlich farbiger und kontrastreicher. Der Stevens-Effekt tritt dagegen beim Betrachten von Schwarz-Weiß-Fotografien besonders deutlich auf.

Bei dem hier beschriebenen Experiment spielen aber weder Farbigkeit noch Kontrast aufgrund der relativ minimalen Reizkonfiguration eine wichtige Rolle; außerdem werden die Versuchspersonen nicht instruiert, diese Farbattribute zu beachten oder gar als Kriterium für Farbgleichheit zu verwenden.

Brindley-Farbgleichheiten

Brindley (1955) beschreibt folgende Beobachtung bei der Wahrhehmung 4tex2html_wrap_inline2372 großer monochromatischer Reize am langwelligen Ende des sichtbaren Spektrums: Diese Reize erscheinen zuerst als Rot, dann Rot-Orange und schließlich bei noch höheren Wellenlängen wieder Orange; sie sehen also farbgleich aus zu monochromatischen Reizen, deren Wellenlängenmaximum unterhalb von 700 nm liegt; die Versuchspersonen von Brindley (1955) berichten auch keine Unterschiede in der Sättigung der Reizpaare. Solche Paare von monochromatischen Reizen verschiedener Wellenlänge nennt man Brindley-Farbgleichheiten (Brindley-Isochromes). In Tabelle 2 sind die Wellenlängen mehrerer solcher gleichfarbiger monochromatischer Reize angegeben. Brindley (1955) begründet diesen Befund im Rahmen einer Theorie unterschiedlicher Empfindlichkeiten der Zapfentypen: Er berechnet für das ``rote'' System einen gegenüber dem ``grünen'' System um etwa 1% höheren Empfindlichkeitsgradienten im Bereich zwischen 711 und 786 nm und einen um 6% höheren Empfindlichkeitsgradienten zwischen 786 und 887 nm.

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Tabelle 2:   Paare von Wellenlängen monochromatischer Reize, die als gleichfarbig wahrgenommen werden (Brindley-Isochromes) nach Brindley (1955, S. 41)

Für das hier besprochene Experiment spielen diese Farbgleichheiten keine Rolle, da die Reize so gewählt wurden, daß die höchste Wellenlänge (bzw. bunttongleiche Wellenlänge) bei 640 nm liegt. Anzumerken ist aber, daß bei der verwendeten Apparatur dieser Effekt prinzipiell auftreten könnte, da auch im Bereich sehr hoher Wellenlängen (über 700 nm) immer noch ausreichende Leuchtdichten produziert werden können.


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Last modified 11-5-98