In dem hier beschriebenen Experiment sind aufgrund der Anwendung der Gedächtnismethode Kontext- und Gedächtniseffekte konfundiert. Die Kontexteffekte fallen dabei vergleichsweise schwach aus, weil die Versuchspersonen versuchen, das farbliche Aussehen des Reizes zu reproduzieren und weil aufgrund der Größe und Begrenzung des Zielreizes nur wenig Simultankontrast induziert wird. Die großen Gedächtniseffekte bei der Erstellung von Farbabgleichen werden in diesem Kapitel mit der Anwendung der Gedächtnismethode und den daraus resultierenden Gedächtnisfarben begründet. Die geringe Einheitlichkeit der Gedächtniseffekte führt dazu, daß sich bei den kontextübergreifenden Farbabgleichen keine Systematik in Form einer linearen, affinen oder projektiven Abbildung nachweisen läßt. Werden aber die Kontexteffekte von den Gedächtniseffekten getrennt, finden sich Hinweise darauf, daß Kontextänderungen eine projektive Transformation der in diesem Kontext enthaltenen Farben bewirken.
Es werden auch verschiedene Merkmale der Einstellungen der Versuchspersonen nach Hinweisen untersucht, daß zu bestimmten im Ausgangskontext präsentierten Farben keine Abgleiche gefunden werden können. Alle untersuchten Merkmale deuten aber darauf hin, daß bei Anwendung der Gedächtnismethode im veränderten Kontext immer eine Farbe gefunden werden kann, die genauso aussieht wie der im Ausgangskontext präsentierte Standardreiz. Dies ist auch bei monochromatischen Standardreizen der Fall. Wenn es hypersaturierte Farben gäbe, sollte das hier gewählte Paar von Kontexten aber dazu führen, daß sich keine derartigen Abgleiche finden lassen. Diese Untersuchung kann somit keine Hinweise auf die Existenz hypersaturierter Farben finden.
Der Mantel des konvexen Farbkegels, der in den dreidimensionalen reellen Vektorraum eingebettet ist, repräsentiert die maximal gesättigten Farben. Bei linearen oder affinen Kontexteffekten müßte bei dem hier verwendeten Kontextübergang eine entsprechende Verschiebung der Randes auftreten, nur durch das projektive Modell läßt sich dagegen die hier gefundene Invarianz dieses Kegels vorhersagen (siehe Yilmaz, 1962; Drösler, 1993). Auch die Analyse der Verhaltensmerkmale bei der Erstellung der Farbabgleiche ergibt somit, daß Kontexteffekte durch ein projektives Modell beschrieben werden können.