Fingerspitzengefühl ist in der Chirurgie zur Manipulation und Wahrnehmung anatomischer Strukturen erforderlich. Bei minimal invasiven Techniken (beispielsweise unter Zuhilfenahme eines Endoskops) fehlt aber das taktile Feedback weitgehend. Howe, Peine, Kontarinis und Son (1995) stellen eine Technik vor, mit der Chirurgen (auch über größere Entfernungen hinweg) taktile Informationen übermittelt werden können, so daß diese ihre taktilen Fertigkeiten wie in der offenen Chirurgie anwenden können. Dazu werden drei Arten von sensorischer Information untersucht:
In dem entfernten Teil des Systems wird die Oberflächeninformation (bzw. die Druckverteilung in dem umliegenden Gewebe) von einem Feld taktiler Sensoren ermittelt, die in der Spitze des chirurgischen Instruments untergebracht sind. Diese Sensoren bestehen aus zwei Schichten von orthogonal angeordneten Kupferbändern, die durch dünne Silikonstreifen voneinander getrennt werden. Wird Druck auf diese Sensoren ausgeübt, vermindert sich der Abstand zwischen den beiden Kupferschichten und dadurch verändert sich die Kapazität des Elements, die an jedem Kreuzungspunkt der Kupferstreifen ermittelt werden kann, um die Druckverteilung zu bestimmen.
Diese Information wird in elektrische Signale umgewandelt, die wiederum von einem Computer weiterverarbeitet werden können. Das Ergebnis der Verarbeitung kann visuell auf einem Monitor oder haptisch durch ein taktiles Display übermittelt werden. Das haptische Display besteht aus den oben beschriebenen shape memory alloy-Drähten (siehe Seite ), die in der Kontaktfläche des chirurgischen Geräts untergebracht sind.
Mit diesem Display wird die Haut der Fingerspitzen des Benutzers entsprechend der Gestalt des zu simulierenden Objekts verformt. Andererseits wird mit einem taktilen Sensor (siehe oben) die Druckverteilung in einer gewissen Entfernung von der tatsächlichen Oberfläche bestimmt. Mit Hilfe von entsprechenden Signalverarbeitungsalgorithmen kann diese Druckverteilung aber in eine entsprechende Auslenkung der einzelnen Aktuatoren umgerechnet werden.
Eine praktische Anwendung dieser Apparatur besteht im Auffinden versteckter Arterien, das ein Verbluten des Patienten verhindern soll. Mit dem vom Howe, Peine et al. (1995) beschriebenen System lassen sich solche Arterien relativ leicht durch die pulsbedingten Druckschwankungen in deren Nähe identifizieren. Für den praktischen Erfolg dieser Methode ist es wichtig, eine maximale Signalamplitude (eventuell sogar eine Verstärkung) zu wählen, was durch geeignete Signalverarbeitungsalgorithmen gewährleistet werden kann.
Eine weitere von Howe, Peine et al. (1995) geschilderte Anwendung liegt im Auffinden von Tumoren. In ersten Vorversuchen hierzu sollten Versuchspersonen einen von Schaum umgebenen Gummizylinder auffinden. Sensoren für zwei Fingerspitzen ermitteln die Gestalt der gerade ertasteten Oberfläche. Während der Vorversuche wurde nur eine Zeile der taktilen Sensoren und des taktilen Displays eingesetzt, bei der späteren Tumoridentifikation wurden dagegen alle verfügbaren Einheiten verwendet, allerdings war kein visuelles Feedback gegeben. Die Autoren können einen deutlichen Vorteil der taktilen Information inferenzstatistisch belegen.