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Handlungen zur Unterstützung der Wahrnehmung

 

In diesem Abschnitt soll die Exploration von Objekten durch Betasten untersucht werden, die von bereits vorhandenen Wissensstrukturen gesteuert wird und so die Wahrnehmung dieser Objekte unterstützt. Lederman und Klatzky (1997) unterscheiden dazu acht verschiedene Arten der haptischen Exploration von Objekten, die sie als explorative Prozeduren (EP) bezeichnen:

seitliche Bewegungen zur Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit (Textur);

Ausüben von Druck senkrecht zur Oberfläche zur Beurteilung der Härte;

statischer Kontakt (also Auflegen der flachen Hand) zur Beurteilung der Temperatur;

nicht-gestütztes Halten bzw. Auf- und Ab-Bewegen zur Beurteilung des Gewichts;

Umgreifen zur Bestimmung der gesamten globalen Form und des Volumens;

Verfolgen von Konturen zur Beurteilung der globalen Form und der exakten Form;

Ausprobieren der Funktionalität zum Herausfinden von speziellen Funktionen;

Prüfung der Beweglichkeit von Teilen.

Lederman und Klatzky (1997) berichten, daß diese explorativen Prozeduren sehr systematisch eingesetzt werden, wenn Versuchspersonen jeweils bestimmte Attribute eines Objekts beurteilen sollen. Werden sie aufgefordert, nur eine dieser Prozeduren auszuführen, so verwenden sie genau diejenige, mit der die gesuchte Eigenschaft des Objekts am besten ermittelt werden kann (d.h. am häufigsten und schnellsten richtig klassifiziert wird). Lederman und Klatzky (1997) unterscheiden hierbei vier Stufen der Brauchbarkeit von explorativen Prozeduren zur Beurteilung einer bestimmten Dimension:
  1. zufällig, wenn dadurch die Erkennensleistung für die entsprechende Dimension nicht verbessert wird;
  2. hinreichend, wenn die Erkennensleistung verbessert wird, aber nicht bis zur Optimalität;
  3. optimal, wenn die Erkennensleistung maximal verbessert wird und
  4. notwendig, wenn nur durch Einsatz der entsprechenden explorativen Prozedur eine Steigerung der Erkennensleistung über das Rate-Niveau hinaus möglich ist.

Die verschiedenen explorativen Prozeduren lassen sich auch nach der Breite ihrer Eignung klassifizieren: Das Verfolgen der Konturen eines Objekts liefert beispielsweise die meisten Informationen über dessen Beschaffenheit, während z.B. durch Ausüben von Druck nur Informationen über dessen Härte gewonnen werden kann.

Verschiedene explorative Prozeduren können auch gleichzeitig ausgeführt werden. Die verschiedenen Prozeduren lassen sich auf vier Dimensionen charakterisieren: Bewegung (statisch oder dynamisch), Richtung der Bewegung (normal oder tangential zur Oberfläche), Region des Objekts, die berührt wird (Oberfläche, Kante oder beides), und Notwendigkeit einer Ablagefläche (ist eine das Objekt tragende Fläche notwendig oder nicht). Verschiedene explorative Prozeduren sind dann kompatibel, wenn durch eine bestimmte Form der Exploration mindestens zwei dieser Dimensionen die selbe Ausprägung annehmen und sie sind inkompatibel, wenn sich der Widerspruch zwischen zwei solcher Bewegungsparameter nicht auflösen läßt.

Die Exploration von Objekten durch Berührungen kann auch von bestehenden Wissensstrukturen gesteuert werden (knowledge driven). Lederman und Klatzky (1997) gehen davon aus, daß die Auswahl der jeweiligen explorativen Prozedur durch das Ziel der Handlung bestimmt wird: Die Wahl der Prozedur wird von der gesuchten Dimension des Objekts bestimmt. Das Umgreifen des Objekts liefert dabei die meisten Informationen über dessen Beschaffenheit, werden aber genauere Informationen benötigt, dann muß auf die jeweils optimale explorative Prozedur zurückgegriffen werden. Derartige Verhaltensweisen können Lederman und Klatzky (1997) auch empirisch nachweisen bzw. richtig vorhersagen. Sie kommen zu dem Schluß, daß die Aussagekraft der Information über die Ausprägung einer Eigenschaft bezüglich der Identifikation eines Objekts die Auswahl der explorativen Prozedur bestimmt.

Lederman und Klatzky (1997) berichten auch von Experimenten, in denen Versuchspersonen verschiedene Objekte sortieren sollten, die sich in der Ausprägung verschiedener Dimensionen unterschieden. Diejenige Dimension, nach der die Äquivalenzklassen gebildet werden, wird von den Autoren als die kognitiv saliente Dimension bezeichnet. Die Muster der Exploration durch Berührungen wurden diesbezüglich untersucht. Je nach Instruktion erfolgt das Sortieren entweder eher nach visuellen Kriterien (Aussehen) oder nach den Materialeigenschaften.

Lederman und Klatzky (1997) berichten auch, daß bei einfachen Unterscheidungsaufgaben von den Versuchspersonen nur visuelle Objektmerkmale berücksichtigt werden. Wird aber die Unterscheidung schwieriger, weil sich die Objekte stärker ähneln, dann wird zusätzlich auf haptische Informationen zurückgegriffen. Der Einsatz der haptischen Prozeduren erfolgt dabei bereits vor Beendigung der visuellen Prozesse (es findet also eine parallele Abarbeitung statt).

Sogar bei der Manipulation mentaler Bilder (mental images) greifen die Versuchspersonen auf die Vorstellung explorativer Prozeduren zurück, wenn die Ausprägung von entsprechenden Objekteigenschaften beurteilen sollen (z.B. deren Rauhigkeit). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn entsprechende Urteile schwer zu fällen sind bzw. nicht durch Abruf visueller Informationen aus dem Gedächtnis bestimmt werden können.

Die Klassifikation von Objekten fällt dann besonders leicht, wenn redundante Informationen enthalten sind (d.h. wenn die selbe Klassifikation zusätzlich aufgrund eines zweiten Merkmals möglich wäre). Läßt man in derartigen Experimenten später die redundante Dimension weg (redundancy withdrawal), so verschlechtert sich die Klassifikationsleistung üblicherweise. Das Ausmaß dieser Verschlechterung kann als Maß für die Integration der beiden Attribute verwendet werden (eine starke Verschlechterung deutet auch eine hohe Integration hin).


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Last modified 10-29-98