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Visuelle Phänomene

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Farbe begann mit einer genaueren Analyse des Farbreizes (Newton: Weiß ist eigentlich eine Mischung). Dies gilt übrigens für die Erforschung der anderen Modalitäten auch. Die Erkenntnisse zur Psychologie der Geruchs- und Geschmacksempfindungen sind vor allem deshalb so spärlich, weil die zugrundeliegenden Reize noch relativ unbekannt sind.

Im 17. Jahrhundert begann dann aber das Interesse an Farben als psychologisches Phänomen. Ausgelöst wurde es von Astronomen, die auf einige subjektive Phänomene stießen (Irradiation: die wahrgenommene Größe von Himmelskörpern hängt von deren Heligkeit ab; subjektive Gleichung bei der Reaktionszeit). Das 18. Jahrhundert begann mit Newtons Optics (1704). 1876 schrieb Plateau eine Geschichte der visuellen Empfindungen aus phänomenologischer Sicht, die folgende Phänomene behandelt: Persistenz von Netzhauteindrücken (insbesondere bei rotierenden Scheiben), ``zufällige Farben'', Nachbilder, Irradiation, Kontrast und farbige Schatten.

Nachbilder

Nachbilder lassen sich sehr leicht erzeugen und vor allem sehr deutlich wahrnehmen. Folgende Arten lassen sich nennen:

Der Pfarrer Kircher (1646) berichtet, daß er die Wette verloren hat, im Dunkeln nicht sehen zu können, da das Nachbild eines hell beleuchteten Bildes wirkte. Newton blickte angeblich dreimal hintereinander in ein Spiegelbild der Sonne und mußte sich anschließend drei Tage in einem abgedunkelten Raum aufhalten, um das Nachbild los zu werden.

Jurin (1738) stellte die Theorie auf, daß die negativen Nachbilder durch das Fortdauern von Prozessen zustande kommen, die dann in die entgegengesetzte Richtung wirken. Buffon (1743) untersuchte die Systematik von negativen Nachbildern und stellte fest, daß deren Farbe immer genau die Komplementärfarbe zu der ursprünglichen Farbe war. Das Franklin-Experiment besteht darin, daß bei geschlossenen Augen positive Nachbilder und bei Blicken auf eine weiße Fläche negative Nachbilder auftreten. Nach Father Scherffer (1765) kommen negative Nachbilder folgendermaßen zustande: Das Auge, das lokal ermüdet ist bezüglich Helligkeit oder bestimmter Farben, sieht weißes Licht mit verminderter Intensität, so daß vormals helle Regionen relativ dunkel erscheinen und farbige Regionen in deren Komplementärfarbe.

Robert Darwin (Vater von Charles Darwin) zeigte 1786, daß die Retina selbst beim Sehen aktiv ist, da sie okulare Spektren erzeugt, wenn kein Licht anwesend ist. Positive Nachbilder entstehen durch Fortbestehen retinaler Erregung und negative Nachbilder aufgrund von Ermüdung der Retina. Auch Fechner betonte die Beziehung zwischen negativen Nachbildern und Komplementärfarben. Helmholtz integrierte die Erklärung negativer Nachbilder durch relative Ermüdung in seine allgemeine Theorie des Sehens: Die Nachbilder besitzen deshalb die komplementäre Farbe, weil beide Farben zusammen Weiß ergeben. Hering begründete dasselbe Phänomen dagegen mit der Gegenfarben-Theorie: Adaptation an eine Farbe impliziert Sensibilisierung bezüglich der Komplementärfarbe.

Adaptation

Hermann Aubert führte 1865 das Konzept und den Begriff der Adaptation ein zur Bezeichnung der Anpassung des Auges an die jeweilige Lichtintensität. Der Grad der Adaptation wurde von ihm über die Empfindlichkeit des Auges bestimmt, nicht phänomenologisch. Als Reiz verwendete er einen glühenden Platindraht, dessen Leuchtdichte durch die Länge des Drahtes bestimmt wurde (je kürzer, desto weniger elektrischer Widerstand und desto stärkeres Leuchten). Auf diese Weise konnte er die Absolutschwelle für Helligkeit nach bis zu zwei Stunden Dunkeladaptation bestimmen. So konnte er den Zeitlichen Verlauf der Dunkeladaptation bestimmen. Er kontrollierte allerdings nicht den Adaptationszustand zu Beginn des Experiments.

Erst Hering betrachtete auch Schwarz als eine Empfindung, so daß sich das visuelle System symmetrisch um ein mittleres Grau verhält und daß es daher nicht nur Dunkeladaptation, sondern auch Helladaptation gibt; auch Schwarz erfordert eine Erregung. Dieser Befund wurde zum zentralen Prinzip der Lehre vom Lichtsinn (1872) von Hering. Seine Theorie der retinalen Erregung geht von drei Substanzen aus, die jeweils einen reversiblen Prozeß unterlaufen können (rot-grün, gelb-blau und schwarz-weiß). Piper (1903) verbesserte die Technik Auberts und kontrollierte den anfänglichen Adaptationszustand genau, um den Verlauf der Dunkeladaptation zu bestimmen.

Die Bestimmung der Helladaptation ist nicht so einfach, da es kein ausgezeichnetes Beleuchtungsniveau gibt, für das die Adaptation stattfinden soll (bei Dunkeladaptation ist es einfach völlige Dunkelheit). Lohmann (1906) bestimmte die Adaptationsverläufe für verschiedene Helligkeiten und fand, daß das zuletzt erreichte Adaptationsniveau um so höher ist, je höher die Intensität ist, an die adaptiert werden soll. In den Experimenten von Lohmann wurden die helladaptierten Beobachter zur Bestimmung des Adaptationsniveaus schnell in eine dunkle Umgebung gebracht, in der deren absolute Empfindungsschwelle bestimmt wurde. Es ergab sich, daß die Helladaptation sehr viel schneller stattfindet als die Dunkeladaptation. Die hier beschriebenen Techniken zur Bestimmung des Adaptationszustandes basieren alle auf Diskriminationsleistungen, nicht auf direkten Urteilen.

Zur Farbadaptation äußert sich Aubert nicht. Exner (1868) präsentierte kleine Farb-Proben für eine bestimmte Adaptationszeit und projizierte dann das Nachbild auf ein wesentlich größeres farbiges Feld. Besitzt das Umfeld dieselbe Farbe, so wird diese als kräftiger empfunden, da die Rezeptoren des Adaptationsfeldes ermüdet sind. Das (negative) Nachbild wird als besonders kräftig empfunden, wenn das Umfeld die Komplementärfarbe besitzt. Exner konnte so das Nachlassen der Farbempfindlichkeit durch fortgesetzte Erregung nachweisen.

Hering betrachtete Farbadaptation ähnlich wie Hell- oder Dunkeladaptation: Chromatische Adaptation spielt sich seiner Meinung nach in den Gegenfarb-Kanälen ab. Burch (1899) beschreibt seine Farbenblindheit, die durch chromatische Adaptation induziert wurde.

Kontrast

Leonardo da Vinci (1519) formulierte exakte Regeln, nach denen Maler den Kontrast zwischen Schwarz und Weiß nutzen können, z.B. durch Nutzen von Simultankontrast. Bereits in der Antike waren die Kontrastphänomene bekannt, die an der Grenze zwischen verschiedenfarbigen Flächen auftreten (aufgrund von Augenbewegungen, wie Helmholtz zeigen konnte).

Besondere Beachtung fand das Phänomen der farbigen Schatten (z.B. blaue Schatten bei Sonnenuntergang): Rumford (1794) konnte solche farbigen Schatten künstlich herstellen: Wenn man ein gelb getöntes Glas vor eine Lichtquelle hält, erscheint der Schatten der anderen Lichtquelle gelblich und der (objektiv) ungefärbte Schatten der ersten Lichtquelle erscheint bläulich. Mit einem bläulich getönten Glas läßt sich der Effekt umkehren. Rumford folgerte, daß es sich bei den farbigen Schatten um eine optische Täuschung handeln muß, da der farbige Effekt sofort verschwindet, wenn man die Schatten durch eine Röhre betrachtet.

Young (1807) stellte eine sympathetic theory of color contrast auf: Diejenigen Regionen der Retina, die an von einem Farbreiz erregte angrenzen, werden von ``Sympathie'' erfaßt, so daß auch sie einen Teil ihrer Sensibilität verlieren und deshalb stärker von den verbleibenden Anteilen des weißen Lichts erregt werden. Diese Theorie wird aber durch die Tatsache widerlegt, daß die Kontrastfarbe schon auftritt, bevor Adaptation stattfinden kann.

M. Meyer (1855) demonstrierte Farbkontrast, indem er kleine Stücke von grauem Papier auf größere farbige Flächen legte und die gesamte Konfiguration mit einem durchsichtigen weißen Papier überdeckte. Dadurch wird bei der grauen Fläche die Komplementärfarbe induziert. Durch diese schattenähnliche Konfiguration wird der Kontrasteffekt verstärkt. Farbinduktion wird allgemein verstärkt, wenn Konturen eliminiert werden.

Helmholtz (1860) diskutierte den Simultankontrast ausführlich. Er grenzt ihn deutlich vom Sukzessivkontrast ab, welchen er mit retinalen Ermüdungsphänomenen begründet. Für den Simultankontrast findet er allerdings keine überzeugende Erklärung: Er behauptet, daß es sich bei der Gegenfarbe um eine Urteilstäuschung handelt, die aufgrund eines unbewußten Schlusses zustande kommt, der unfreiwillig dazu führt, daß die Ergebnisses des Schlusses mit vorangegangenen Erfahrungen übereinstimmen.

Hering (1873) fand dagegen eine positive Erklärung für den simultanen Farbkontrast, die simultane Licht-Induktion. Alfred Lehmann von Copenhagen (1886) untersuchte mit psychophysischen Methoden verschiedene Probleme der visuellen Helligkeit. Hess und Pretori (1894) entwickelten seine Idee weiter mit einem speziellen Apparat zur Erzeugung von simultanem Helligkeitskontrast. Durch Verschieben von Lampen kann die Helligkeit von vier Flächen unabhängig voneinander variiert werden; dabei werden gleichzeitig zwei Innenfeld-Umfeld-Konfigurationen realisiert und die VPn sollen die Helligkeit der Innenfelder abgleichen. Auf diese Weise läßt sich der Simultankontrast quantifizieren; die Autoren finden einen linearen Zusammenhang zwischen der Helligkeit von Innenfeld und Umfeld.

Die klassische Theorie zum Farbkontrast stammt von Kirschmann (1890), der die Farbinduktion auf einen grauen Ring untersucht, indem bei einem anderen Farbmisch-Gerät, das nicht von der induzierenden Farbe beeinflußt wird, ein Farbabgleich zu der ``grauen'' Fläche erstellt werden soll. Neben dem schon bekannten Prinzip, daß der Farbkontrast immer in die Richtung des maximalen Unterschieds (also hin zur Komplementärfarbe) stattfindet, fand er folgende wichtigen Gesetzmäßigkeiten:

  1. Der Simultankontrast nimmt linear mit der retinalen Größe des Adaptationsumfeldes zu.
  2. Der Simultankontrast wird maximal, wenn kein Helligkeitsunterschied besteht.
  3. Bei gleicher Helligkeit hängt die induzierte Farbe von der Sättigung des Umfeldes ab.

Indirektes Sehen

Boring versteht unter indirektem Sehen das Sehen in der Netzhautperipherie. Die Fovea umfaßt nur etwa 1/1000 der Fläche der Netzhaut. Thomas Young bestimmte 1801 den Bereich der Sichtbarkeit in Abhängigkeit vom Winkel zur Sehachse. Er fand als Grenze 90 tex2html_wrap_inline340 nach außen, 60 tex2html_wrap_inline340 nach innen, 70 tex2html_wrap_inline340 nach unten und 50 tex2html_wrap_inline340 nach oben. Troxler (1804) fand, daß Bilder in der Peripherie sehr schnell verblassen, d.h. daß eine sehr schnelle Adaptation stattfindet.

Purkinje (1825) bestätigte die Grenzen des Sehfeldes von Young; er zeigte, daß die visuelle Empfindlichkeit zum Rand hin immer mehr abnimmt, daß sich der Farbton verändert und daß alle Farben in der extremen Peripherie grau erscheinen.

Szokalsky (1842) postuliert verschiedene Zonen der Retina (außen: nur achromatisch; mitte: auch blau und gelb; zentral: zusätzlich rot). Genauere Untersuchungen wurden von Aubert (1857) durchgeführt, der zu folgenden Ergebnissen kam:

Landolt (1872) demonstrierte, daß kein Gebiet der Retina völlig unempfindlich gegenüber Farbreizen ist. Sowohl er als auch Aubert konnten zeigen, daß es keine festen Zonen gibt.

Sowohl die Farbtheorie von Helmholtz als auch diejenige von Hering bauen auf dem Konzept der spezifischen Nervenenergien von Müller auf, allerdings postuliert Helmholtz für das Farbensehen drei spezifische Energien, während es bei Hering sechs spezifische Energien sind, die aus drei Substanzen resultieren, die zu antagonistischen und wechselseitig inkompatiblen Prozessen fähig sind. Nach der Helmholtzschen Theorie verschwindet die ``rote' Substanz in der Netzhautperipherie; auf diese Weise läßt sich der Übergang von Rot zu Gelb in der Peripherie erklären. Herings Theorie muß dagegen postulieren, daß die roten und die grünen Zonen sowie die gelben und die blauen zusammenfallen. Bull (1881) folgerte außerdem aus Herings Theorie, daß vier Farben existieren müssen, die sich beim Übergang in die Peripherie nicht verändern, bevor sie zu grau werden. Bull fand zwei derartige Farben, ein bläuliches Grün und ein violettes Rot, die er zusammen mit reinem Blau und reinem Gelb als physiologisch reine Farben bezeichnete. Hess (1889) konnte diese Ergebnisse bestätigen.

Spektrale Hellempfindlichkeit und das Purkinje-Phänomen

Die spektrale Helempfindlichkeitsfunktion verändert sich mit der gesamten im Spektrum enthaltenen Energie; dadurch kann das Purkinje-Phänomen erklärt werden. Die Tatsache, daß die Spektralfarben nicht gleich hell erscheinen war bereits Newton und auch Fraunhofer (1815) bekannt, der die Korrektur chromatischer Aberrationen vor allem für diejenigen Farben vornehmen wollte, die besonders empfindlich wahrgenommen werden.

Purkinjes klassische Beobachtung wurde 1825 berichtet: Er beschreibt, welche Farben am Morgen mit zunehmender Helligkeit sichtbar werden (zuerst nur Grautöne, wobei Rot am dunkelsten erscheint. Mit zunehmender Helligkeit wird zuerst Blau sichtbar, dann Rot, die mittleren Farben des Spektrums werden zuletzt sichtbar.

Vierordt (1869) bestimmte die spektrale Hellempfindlichkeitskurve indirekt, indem er die Menge weißen Lichts bestimmt, die zu einer Spektralfarbe hinzugemischt werden muß, um zu einem ebenmerklichen Unterschied in der Stärke der Farbe zu führen. Er gelangt aber zu denselben Ergebnissen wie Fraunhofer.

Langley (1888) variierte die Intensitäten zweier Wellenlängen so lange, bis sie zu gleicher Schärfe führten. Aufgrund der Kenntnis der absoluten Intensitäten der beiden Wellenlängen konnte er für alle Wellenlängen die Energien plotten, die für eine gleiche Schärfe notwendig sind und die implizit gleiche Helligkeit bedeuten. Als Maß der Empfindlichkeit des Auges zeichnete er allerdings den Kehrwert der Energien.

König bestimmte die Helligkeit und die Empfindlichkeit des Auges als gemeinsame Funktion von Wellenlänge und Lichtintensität (für jede Lichtintensität eine spektrale Empfindlichkeitskurve). Durch Betrachtung der Kurvenschar kann man auch das Purkinje-Phänomen erklären. Als physiologische Erklärung verweist man heute auf die Zapfen und Stäbchen, zwischen denen Schultze (1866) bereits unterschied. Nach König tauchten noch folgende Probleme auf:

  1. Wenn das Purkinje-Phänomen von den unterschiedlichen Rezeptortypen abhängt, sollte es in der Fovea nicht auftreten, weil dort keine Stäbchen vorhanden sind. Von Kries und Nagel konnten auch zeigen, daß dies so ist.
  2. Hering behauptete, das Purkinje-Phänomen resultiere nicht aus der geringen Beleuchtung, sondern aus der Dunkeladaptation des Auges (die das Purkinje-Phänomen tatsächlich begünstigt). Boring geht allerdings davon aus, daß (in geschlossenen Räumen) immer eine gewisse Dunkeladaptation vorliegt.
  3. Das Purkinje-Phänomen führte dazu, daß getrennte spektrale Empfindlichkeitskurven für das Tages und das Nachtsehen bestimmt (und offiziell festgelegt) wurden.

Farbenblindheit

Das Phänomen der Farbenblindheit hat sehr großes Interesse geweckt; es hat außerdem einen großen Erklärungswert bezüglich der Entscheidung zwischen den Theorien von Helmholtz und von Hering: Nach der Helmholtzschen Theorie können vier Arten von Farbenblindheit existieren (drei Dichromasien und eine Monochromasie). Herings Theorie postuliert dagegen, daß Rot-Grün-Blindheit oder Blau-Gelb-Blindheit immer jeweils zusammen auftreten. Die Vertreter der jeweiligen Theorie analysierten ihre Daten in ihrem System und erhielten dann auch entsprechende Befunde.

Die ersten Berichte zur Farbenblindheit sind schon recht alt, wissenschaftliches Interesse erregte allerdings erst die Schilderung der eigenen Farbenblindheit von dem Chemiker Dalton (1794); daher kommt auch die Bezeichnung Daltonismus. Dalton vermutete die Absorption von bestimmten Farben durch das okulare Medium als Ursache; diese Theorie konnte aber durch die von ihm verfügte post-mortem-Untersuchung der Augen nicht bestätigt werden. Seebeck (1837) unterschied zwischen einer Farbenblindheit, die nur das rote Ende des Spektrums betrifft (Rot-Blindheit), und einer, die das gesamte Spektrum betrifft.

Selbst wenn bekannt ist, welche Teile des Spektrums von einer Farbenblindheit betroffen sind, kann man sich nur schwierig vorstellen, wie diese subjektiv empfunden wird. Herschel (1845) kam zu dem Schluß, daß die als Farbenblind bezeichneten eigentlich Dichrome sind (während Normalsichtige Tetrachrome seien). Hippel (1880) beschreibt einen Fall von monokularer Farbenblindheit. Hier war ein Vergleich zwischen normalem und gestörtem Farbensehen möglich. Der Proband konnte mit dem gestörten Auge nur Gelb und Blau sehen, nicht aber Rot und Grün.

Das große Interesse an Farbenblindheit führte auch zur Entwicklung entsprechender Tests. Zuerst wurden Verwechslungstests entwickelt, bei denen die Reize so beschaffen waren, daß deren Farbe nicht aus anderen Attributen erschlossen werden konnte (z.B. Wilson, 1874). Stilling (1880) entwickelte pseudo-isochromatische Tests, bei denen Punktemuster unterschiedlicher Helligkeit und Farbtons eine Figur bilden, die vor dem Hintergrund alleine aufgrund des Farbtons hervorsticht; eine moderne Form davon ist der Ishihara-Test.

König und Dieterieci (1886) bestimmten die Grundempfindungen (also die Spektralwertkurven) von Farbenblinden: Durch spektrale Farbabgleiche wurden die spektralen Empfindlichkeitskurven für drei hypothetische Systeme (entsprechend der Young-Helmholtz-Theorie) bestimmt. Farbnormalsichtige können durch geeignete Mischung von drei Primärfarben zu jedem Reiz einen Abgleich herstellen, während die Dichromaten mit nur zwei Primärfarben zu allen Spektralreizen einen Abgleich finden. Dieser Befund wurde als Bestätigung der Young-Helmholtzschen Theorie gewertet.

Von Kries versuchte, zwischen den Standpunkten von Helmholtz und von Hering zu vermitteln. 1894 schlug er die Duplizitäts-Theorie (Zapfen und Stäbchen) vor und 1896 bestimmte er zusammen mit Nagel die spektralen Hellempfindlichkeiten von einigen Dichromaten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Kurven kam er zu der Unterscheidung zwischen Protanopen (haben skotopische Hellempfindlichkeitsfunktion; rot ist so dunkel, daß es fast nicht auftritt, daher rot-blind), Deuteranopen (Rot erscheint schwach gelb und grün beinahe grau, daher rot-grün-blind) und Tritanopen. Nagel beschrieb dann auch die Farbanomalien.


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Last modified 10-29-98