Sprache und Sprechen
Rainer Zwisler, 1990
Zur Struktur der Sprache:
Definitionen:
- Interaktion ist die wechselseitige Beeinflussung von Individuen.
- Kommunikation ist ein Spezialfall der Interaktion, der mittels eines gemeinsamen Codes zum Austausch von Informationen dient.
- Sprache ist ein Code, ein gemeinsamens Repertoire, also ein System von Zeichen. Die Frage, ob Tiere eine Sprache sprechen, kann nur durch die Definition, was als Sprache gilt, beantwortet werden.
- Linguistik ist die Beschreibung des Regelsystems, weniger des tatsächlichen Gebrauchs.
- Die Phonetik untersucht die Produktion und Wahrnehmung lautsprachlicher Zeichen; sie beschreibt deren akkustische Struktur und sie erstellt Transskriptionssysteme. Phoneme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache.
- Die Phonologie befaßt sich mit lautsprachlichen Einheiten innerhalb einer Sprache.
- Morpheme werden aus Phonemen gebildet; es handelt sich um bedeutungstragende Einheiten, also Wörter, Prä- und Suffixe. Morpheme, die ohne direkte Bindung an ein anderes Morphem im Satzvorkommen können, heißen freie Morpheme. Morpheme, die nie alleine auftreten, sondern immer Teil eines Wortes sind, heißen gebundene Morpheme.
- Grammatik ist die Kombination von Morphemen zu Sätzen. Speziell die Syntax beschäftigt sich mit der sinnvollen und erlaubten Kombination von Morphemen zu Sätzen; sie gibt an, welche wohlgeformten Sätze gebildet werden können.
Zeichen:
Ein sprachliches Zeichen vereint nach DeSAUSSURE Vorstellung (Bezeichnetes) und Lautbild (Bezeichnendes); es findet also ein Unterscheidung zwischen Einheiten (z.B. Wörter) und Elementen (z.B. Laute) statt. Signe ist die durch Assoziation entstandene Einheit von signifikant (psychologischer Spur des LAutes) und signifiè (Begriff). Aus einer begrenzeten Anzahl von Elementen (z.B. Phoneme) kann eine große Menge an Einheiten erzeugt werden. Die Verbindung zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist arbiträr (zufällig), die Wortbedutubg ergibt sich also nicht aus dem Lautbild (das das Bezeichnete symbolisiert).
Die Beziehungen zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem ist diskret und kontinuierlich. Laute, die physikalisch zwischen zwei Phonemen liegen, werden immer genau einem der beiden zugeordnet. Non-verbale Kommunikation ist dagegen kontinuierlich.
Die Sprache ist durch Offenheit (Prodiktivität) gekennzeichnet und ermöglicht so unendlich viele Kombinationen von Zeichen.
Symbol:
- Nach SAPIR ist die Kommunikation die Hauptfunktion der Sprache. Das Sprechen autistischer kinder widerlegt dies.
- Sprache ist in erster Linie eine lokale Aktualisierung der Neigung, die Wirklichkeit symbolhaft darzustellen.
- Nach MacKAY kann man ein Ereignis, das uns veranlaßt, etwas zu wissen, was wir vorher nicht gewußt haben, als Information bezeichnen. Kommunikation dagegen erfordert, daß das Individuum A das Individuum B als zielgerichtet handelnd erkennt; ohne diese Erkenntnis findet zwar Informationsübermittlung statt, aber keine Kommunikation.
Sender und Empfänger (Organon-Modell von BÜHLER):
BÜHLER unterscheidet zwischen Sender und Empfänger; er betrachtet also Sprache von vorneherein als Kommunikationsmittel und sieht sie so in einem sozialen Bezugsrahmen.
- Das Zeichen ist Symbol für Gegenstände und Sachverhalte (Darstellungsfunktion; Beziehung zwischen Zeichen und Objekt).
- Das Zeichen sagt auch etwas über den Sender aus (Ausdrucksfunktion; Beziehung zwischen Zeichen und Sender); es ist ein Symptom für den Sender, ob er z.B. laut oder leise spricht.
- Das Zeichen richtet sich aber auch an den Empfänger (Appellfunktion); es wirkt als Signal.
Bei jeder Kommunikation spielen alle drei Sprachfunktionen gleichzeitig eine Rolle; es kann aber dabei eine der Funktionen im Vordergrund stehen: Bei Einstellungsänderungen steht die Apellfunktion im Mittelpunt; bei der Personenwahrnehmung die Ausdrucksfunktion.
Wenn ein konkretes Ding oder ein konkreter Vorgang (z.B. ein Lautgebilde) als Zeichen fungiert, dann sind es stets bestimmte abstrakte Momente an diesem Ding oder Vorgang (und nur sie), an die die Zeichenfunktion geknüpft ist. BÜHLER nennt dies das Prinzip der abstrakten Relevanz; ein Teil des Lautgebildes fungiert als Zeichen, alles andere ist irrelevant.
BÜHLER untersucht vor allem das Zeichen. Das Zeichen ist zweifelos das Kernstück der Sprache, aber die Sprache ist mehr als das Zeichen. Nach RÉVÉSZ sind Ausdruck und Ausgedrücktes koexistente Pole einer psychischen Einheit. Der Ausdruck, der zu einem Zweck eingesetzt wird, wird zum Signal oder Sprachsymbol.
Sprechhandlungen:
Man kann Sprechen selbst als Handlung, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist, betrachten (z.B. subjektives Sich-zum-Ausdruck-Bringen). Mit sprachlichen Mitteln können auch beabsichtigte Folgen herbeigeführt werden; hier wird die sprachliche Äußerung in ihrer Wirksamkeit in einem weiteren Kontext gesehen.
Strukturelle Betrachtungsweise:
In seiner Zeichentheorie der Sprache (Semiotik) unterscheidet MORRIS drei Dimensionen:
- Die syntaktische Dimension; sie beinhaltet die Beziehung sprachlicher Zeichen untereinander,
- die semantische Dimension; durch sie wird das Verhältnis der Zeichen zu nichtsprachlichen Realitäten bestimmt,
- die pragmatische Dimension; sie stellt das Verhältnis von den Zeichen zu ihren Benutzern her.
Die Form der Sprache, ihr Bedeutungsgehalt und ihr Gebrauch gehören eng zusammen. Als verschiedene Aspekte aufgefaßt sind sie allerdings voneinander abstrahierbar.
CHOMSKY rekonstruiert die Sprache als formales System, in dem isolierbare syntaktische und semantische Elemente regelhaft aufeinander bezogen sind. Die wichtigste semantische Grundeinheit ist dabei der Satz. Sprachbeschreibung und -erklärung sind damit reduziert auf die Beschreibung und Erklärung von Sätzen; die Sprachverwendung bleibt ausgeklammert. Nach Chomsky erbringt der Sprecher/Hörer ("native speakers") die folgenden Leistungen:
- Sie können Sätze auf ihre Grammatikalität hin beurteilen.
- Sie erkennen, ob verschiedene Sätze bedeutungsgleich sind.
- Sie sind in der Lage, Mehrdeutigkeiten zu durchschauen und durch
Paraphrasierung aufzulösen.
- Sie sind fähig, immer wieder neue Sätze zu bilden und zu verstehen. Sie zeigen sprachliche Kreativität.
Aus den ersten drei Beobachtungen zieht Chomsky den Schluß, daß den wahrnehmbaren Gestalten von Sätzen Baupläne zugrunde liegen, die die eigentliche Bedeutung konstituieren. Dabei unterscheidet er eine Oberflächenstruktur und eine Tiefenstruktur von Sätzen. In der Tiefenstruktur ist dabei festgelegt, welche grammatikalischen Kategorien ein Satz enthält, welche grammatikalischen Relationen zwischen den Kategorien bestehen, welche lexikalischen Einheiten für die grammatischen Kategorien eingesetzt werden können. Der Tiefenstruktur wird entsprechend eine semantische Interpretation zugeordnet, die ihre Bedeutungsstruktur bestimmt. Mittels Transformationsregeln wird die Tiefenstruktur in die Oberflächenstruktur überführt. Die richtige Artikulation des Satzes wird schließlich durch die phonologische Komponente gewährleistet.
Sprache ist nicht die einzige Spezifikation der Kommunikation. Sprache ist ein System von Zeichen, das beschreibbar ist (langue) und sie vollzieht sich im Sprachvollzug (parole). Dies entspricht in etwa der Unterscheidung zwischen Kompetenz (Fähigkeit des idealen Sprechers, Sätze zu vertsehen und zu bilden) und Performanz (konkrete Sprechäußerungen mit allen Abweichungen vom Regelgebäude) von CHOMSKY.
Funktionale Betrachtungsweise:
Der Mensch produziert aber nicht nur Sätze, er verwendet sie intentional und zweckgerichtet. Sprachliche Kompetenz im Sinne der Verständigungsfähigkeit umfaßt das Wissen, in welchem sozialen Kontext, in welcher Weise und mit welchen Erwartungen welchem Gesprächspartner etwas zu sagen und unter Umständen auch etwas zu verschweigen ist.
Wir lernen die sozio-normativen Regeln der Verständigung, also die kommunikative Kompetenz, weil wir kommunizieren, nicht weil wir grammatische Regeln gelernt haben. Durch den Gebrauch von Sprache erwerben wir die Struktur, die wiederum neue Formen des Gebrauchs ermöglicht. Funktion und Struktur sind also untrennbar miteinander verbunden.
Die linguistische Pragmatik untersucht Sprache unter dem funktionalen Aspekt: Sprechen ist eine Form des Handelns; die Sprechhandlung (Sprechakt) ist konstituierend für die Beziehung der Kommunikationspartner zueinander; sie kann, wie jede andere Handlung auch, gelingen oder mißlingen.
PEARCE unterscheidet verschiedene Grade des Zusammenhangs zwischen Zeichen und Bezeichnetem:
- Icon (das Zeichen hat Ähnlichkeit mit dem Bezeichneten),
- Index (das Zeichen steht mit dem Bezeichneten in kausalem Zusammenhang) und
- Symbol (das nach einer konventionellen Regel dem Bezeichneten zugeordnet ist).
SAUSSURE betont die Willkürlichkeit der Zusammengehörigkeit von Zeichen und Bezeichnetem. Signe ist die durch Assoziation entstandene Einheit von signifiant (die psychologische Spur des Lautes, nicht der Laut selbst) und signifié (der Begriff).
AUSTIN und SEARLE untersuchten den Handlungscharakter der Sprache und unterschieden folgende Komponenten:
- Inhaltskomponente (Lokution): Was sage ich dir?
- Beziehungskomponente (Illokution): Wie sage ich es dir?
- Interpretationskomponente (Perlokution): Wie verstehst du, was ich dir sage?
Die Sprechhandlung ist also dialogischer Natur, da auch die Reaktion des Hörers mit einbezogen ist, denn ob eine Sprechhandlung gelingt oder nicht, ob sie also die beabsichtigte Wirkung erzielt, hat nicht allein der Sprecher in der Hand, sondern es hängt auch ganz wesentlich davon ab, ob der Hörer mitspielt.
Die Wahrscheinlichkeitsstruktur der Sprache:
Sprache weist eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsstruktur auf. Der Übergang von einem Artikel zu einem Substantiv ist wahrscheinlicher als der Übergang von einem Artikel zu einem zweiten Artikel. Ein Hörer der (z.B. deutschen9 Sprache hat deshalb dementsprechende Erwartungen. Soll er nach Vorgabe eines Zeichens raten, welches als nächstes kommt, so basiert sein Rateverhalten auf einer unbewußten und vereinfachten Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsstruktur der Sprache.
Durch Berücksichtigung der Übergangswahrscheinlichkeiten von einem Zeichen zum nächsten kann man Wortketten herstellen, die sukzessive Approximationen an die echte Sprache darstellen.
- Eine Approximation erster Ordnung ist eine Zufallsfolge von Wörtern (alle Wörter, z.B. aus einem Lexikon, haben die gleiche Wahrscheinlichkeit, in eine solche Kette aufgenommen zu werden).
- Eine Approximation erster Ordnung berücksichtigt bereits die Wahrscheinlichkeit von Einzelwörtern (wie häufig das entsprechende Wort in der natürlichen Sprache auftritt).
- Bei einer Approximation zweiter Ordnung werden die Übergangswahrscheinlichkeiten von einem zeichen zum nächsten berücksichtigt, bei einer Approximation dritter Ordnung die Übergangswahrscheinlichkeiten von zwei Zeichen zum nächsten usw.
Die Approximationen ähneln mit zunehmenden Ordnungsgrad immer mehr der echten Sprache, sowohl in syntaktischer als auch in semantischer Hinsicht.
MILLER & SELFRIDGE verwendeten Wortketten verschiedener Approximationsordnung (nullte bis siebte Ordnung sowie Textbausteine) in einem Lernexperiment. Das Behalten der Wortketten war um so einfacher, je höher der Ordnungsgrad der Approximation an die echte Sprache ist.
Sprachpsychololgie (nach HERRMANN):
Thema der Sprachpsychologie ist die Beschreibung, erklärung, theoretische Systematisierung und Vorhersage von Verhaltensweisen und aus diesen erschlossenen Erlebnissen,
- wie sie bei der Erzeugung von mündlichen, schriftlichen u. dgl. Äußerungen auftreten (Sprachproduktion),
- wie man sie im Zusammenhang mit der emotionalen und kognitiven Verarbeitung verbaler Information findet (Sprachrezeption) und
- wie sie (allgemein) während interpersonaler verbaler Kommunikation vorkommen.
Thema der Sprachpsychologie ist der erlebende und handelnde Mensch, nicht die Sprache als System. Deshalb sind auch andere, nicht-sprachliche Verhaltens- und Erlebensmodalitäten in Zusammenhang zu sehen. Die so verstandene Sprache existiert in den Menschen; sie entspricht ihrer Kompetenz.
Aufbau (nach HERRMANN):
Man kann versuchen, im beobachtbaren menschlichen Verhalten Strukturgesetzlichkeiten der Sprache als System wiederzufinden (CLARK & CLARK). Man kann z.B. untersuchen, ob das Versteheneines Satzes davon abhängt, wie komplex seine syntaktische Struktur ist. Strukturmerkmale des Reizinputs werden als linguistische Kategorien konzipiert.
Man kann auch versuchen, die Abhängigkeit des Verstehens oder der Informationsspeicherung von der linguistisch konzipierten Struktur des sprachlichen Inputs nachzuweisen. Meist beschränken sich aber die Untersuchungenauf die Input-Prozesse, sie sind nicht outputzentriert.
Ein Komunikationsmodell (HERRMANN):
Menschen geben Äußerungen von sich, weil sie in bestimmten Situationen Handlungsziele verfolgen; Äüßerungnen sind mögliche Wege zur Zielerreichung. Äußerungen hängen auch davon ab, wie ein Mensch eine Situation auffaßt. Die Auffassung von der Situation hängt von prozeduralem und von deklarativem (Wissen von der Welt) Wissen ab. Bevor ein Sprecher eine Äußerung plant, muß er die kognitive Grundlage dessen, was er meint bereitstellen. Was der Sprecher jeweils meint und was der Partner aufgrund der Decodierung des Gesagten in Annäherung rekonstruieren muß, um das Gemeinte zu verstehen, ist die propositionale Basis der Äußerung.
Sprecher sagen nicht alles, was sie meinen: Die propositionale Basis muß in den semantischen Input transformiert werden; dazu werden bestimmte Teile (eine oder nur wenige Propositionen) als semantischer Input verwendet (Inputselektion) und nur diese Teile werden sprachlich verschlüsselt (--> pars-pro-toto-Prinzip). Der Empfänger rekonstruiert dann, was der Sprecher meinte; dies gelingt nur, wenn beide die Situation gleich auffassen und über das gleiche prozedurale und deklarative Wissen verfügen. Normalerweise ist der Sprecher bemüht, den semantischen Input für seine Äußerung so zu wählen, daß der Empfänger versteht, was gemeint war.
Der Empfänger vergleicht das vom Sprecher Gesagte, das von diesem Gemeinte und die jeweilige Situation und bildet aus dieser Integration von Informationen eine Bewertung der sprecherseitigen Äußerung, aus der sich dann auch eine behaviorale Reaktion des Partners auf diese Äußerung hin ergibt. Dies wiederum wird vom Sprecher berücksichtigt, wenn er eine Äußerung produziert. Äußerungen sind nach der Absicht des Sprechers nicht nur informativ, sondern auch instrumentell.
Sprecher selektieren den semantischen Input für das Gesagte und verschlüsseln diesen Input beabsichtigtermaßen auch so, daß der Partner eine für des Sprechers Zielerreichung geeigete Bewertung dieser Äußerung und eine für den Sprecher zielführende Reaktion manifestiert.
Die Situationsauffassung des Sprechers ist bei der Gewinnung des semantischen Inputs aus der propositionalen Äußerungsbasis wichtig.
Pragmatik der Sprache:
Definition:
Die Pragmatik beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Zeichen und Zeichenbenutzern. Ein Zeichen wird von jemanden verwendet (um einen Sachverhalt zu beschreiebn, eine Reaktion hervorzurufen usw.). Es handelt sich um den Bereich der parole (DeSAUSSURE) bzw. der Performanz (CHOMSKY). Es werden solche Faktoren wie Intention oder Zweck der Kommunikation, Rollenbezug der Kommunikationspartner, Vorwissen, Kommunikationsstrategien usw betrachtet, d.h. alle nicht-sprachlichen Voraussetzungen und Bedingungen der Kommunikation.
Funktion der Pragmatik:
In der menschlichen Kommunikation lassen sich die menschlichen Beziehungen beobachten. Sprache will bewirken: Es sollen Einstellungen und Verhaltensweisen hervorgerufen werden. Dazu ist es notwendig, daß die Partner den gleichen Code verwenden.
Die semantische Anomalie eines Satzes ("der rote Hut schläft") läßt sich nur unter Betrachtung der pragmatischen Aspekte beurteilen (handelt es sich z.B. um ein Gedicht?).
Ablauf der Spracherzeugung:
Das, was der Sprecher direkt sagen will, nennt man den semantischen Input. Er ist eine Teilmenge der deklarativen (propositionalen) Basis, die alle Beziehungen zu dem Begriff enthält. Durch die Anwendung von prozeduralem Wissen auf deklaratives Wissen entsteht die Äußerung. Es finden also folgende Schritte statt: Prozedurale Basis --> semantischer Input des Sprechers --> Äußerung --> semantischer Input des Hörers --> Prozedurale Basis.
Pars-pro-toto-Prinzip: Die Löschung der redundanten Komponenten und die Selektion der wichtigen Komponenten (Hängt von der Gesamtsituation ab; siehe auch Sprache und soziale Situation).
Die Axiome von WATZLAWIK:
WATZLAWICK, BEAVIN & JACKSON stellen folgende fünf pragmatischen Axiome auf:
- Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren: Auch non-verbale Signale wie Körperhaltung, Lachen etc geben Information über den Sender ab. Sogar, wenn man sich abwendet, gibt man ein Zeichen: Ich will meine Ruhe.
- Die Inhalts- und Beziehungsaspekte der Kommunikation: Der Inhaltsaspekt einer Kommunikation liegt in der sachlichen Information, die sie enthält. Der Beziehungsaspekt enthält Hinweise darauf, wie der Sender vom Hörer verstanden werden will. Er definiert, wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht.
- Die Interpunktion von Ereignisfolgen: Mit Interpunktion ist die Interpretation von Ursache und Wirkung gemeint; jeder von zwei Partnern kann einer Interaktion seine eigene Interpretation von Ursache und Wirkung zugrundelegen.
- Digitale und analoge Modalität der Kommunikation: Mit der digitalen Kommunikation sind die objektiven Tatbestände einer Mitteilung gemeint, sie entspricht also dem Inhaltsaspekt. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzureichende Semantik. Informationen über die Beziehung in der Kommunikation versteht man nur durch die den Satz begleitenden Gesten, den Tonfall usw. Dies fällt unter die analoge Kommunikation; hier fehlt aber eine logische Syntax (es läßt sich z.B. keine Verneinung darstellen).
- Symmetrische und komplementäre Interaktion: Komplementäre Kommunikation liegt dann vor, wenn die Interaktion auf sich gegenseitig ergänzenden Unterschieden beruht; sie beruht auf geselschaftlichen und kulturellen Kontexten (Arzt vs Patient; Lehrer vs Schüler). Symmetrische Beziehungen dagegen sind ausgezeichnet durch das Bemühen, Unterschiede zwischen den Partnern auszugleichen.
Die Sprechakttheorie:
Die Sprechakttheorie (SEARLE; AUSTIN) geht davon aus, daß sich die sprachliche Kommunikation in Form von regelgesteuerten Sprechakten vollzieht. Sprechakte sind sind solche Äußerungen, deren Inhalt die Art der Interaktion definiert, z.B. Befehle, Wünsche und Bitten. Sprechakte sind komplexe Akte, die unterschieden werden können in:
- Äußerungsakte (der Sprecher äußert bestimmte Wörter einer Sprache),
- propositionale Akte (der Sprecher verwendet die Äußerung mit einer bestimmten Bedeutung; Referenz oder Prädikation),
- illokutionäre Akte (der Sprecher vollzieht in und mit dem propositionalen Akt eine bestimmte Sprechhandlung wie Befehlen oder Behaupten),
- perlokutionäre Akte (aus der Sprechhandlung ergeben sich Konsequenzen für den weiteren Kommunikations- und Handlungsprozeß der Kommunikationspartner).
Die Beziehung zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik:
In CHOMSKY's Modell beginnt Sprachproduktion mit der Herstellung der syntaktischen Satzstruktur, in die dann Wörter eingesetzt werden; erst dann kann die semantische Interpretation erfolgen. Pragmatische Aspekte werden kaum beachtet.
Nach FILLMORE beginnt die Satzproduktion mit der Herstellung eines Bedeutungszusamenhangs, der dann artikuliert werden muß. Die Vorrangigkeit semantischer gegenüber syntaktischer Aspekte wird durch experimentelle Ergebnisse gestützt: Die syntaktische Struktur von Sätzen wird wesentlich schneller vergessen als die semantische (SACHS).
Die semantischen Aspekte werden wiederum weitgehend von den pragmatischen beeinflußt: Über welche Themen und wie oft über sie gesprochen wird, hängt von Lernprozessen und Situationsfaktoren ab. Man kann experimentell zeiggen, daß die Wahl der Wörter ode rAuusdrücke, die zur Bezeichnung von Objekten verwendet werden, nicht nur von dem Objekt selbst abhängen, sondern auch von den Vergleichsobjekten. OLSON zeigte, daß ein runder, weißer Holzklotz neben einem runden schwarzen als "weiß" bezeichnet wird, aber neben einem weißen, eckigen als "rund"; als "rund und weiß", wenn er neben mehreren Klötzen liegt.
Auch syntaktische Aspekte sind von pragmatischen Faktoren abhängig: Zum Beispiel verwenden Personen, die einander gegenübersitzen, mehr Funktionswörter und Substantive, aber weniger Verben als Personen, die Seite an Seite oder mit dem Rücken zueinander sitzen (MOSCOVICI). Die Wahl der Oberflächenstruktur (Aktiv- oder Passivsatz, Artikel usw) hängt von der pragmatischen Uunterscheidung zwischen neuer und gegebener Information ab.
Wirkfaktoren:
Wie eine Kommunikation beim Empfänger ankommt, hängt von verschiednen Wirkfaktoren ab:
- Beziehung zwischen Sender und Empfänger (Sympathie usw);
- Setzen der Interpunktion durch den Empfänger (wie beurteilt der Sender die Reaktionen des Senders);
- Fähigkeiten des Empfängers, z.B. Intelligenz (kann Inhalt verstanden oder überprüft werden);
- Bedürfnisse des Empfängers (erwartet der Empfänger Information, Zeitvertreib oder Gesellschaft);
- vorhandene Einstellungen des Empfängers (Widerspruch).
Sprachliche Repräsentation von Begriffen:
Im menschlichen Gedächtnis ist Information zur Bewältigung von alltäglichen Schlußfolgerunegn, Antworten und Vorstellungen gespeichert. Das sprachliche Wissen ist im semantischen Gedächtnis (TULVING; im Gegensatz zum episodischen G.) gespeichert. Es liegt in kontextunspezifischer Form als Symbol vor. Unser Wissen beruht auf der symbolischen Repräsentation durch Begriffe; so können wir Sätze verstehen und Fragen beantworten.
Modell des hierarchischen Netzwerks:
Nach COLLINS & QUILLIAN liegt das semantische Wissen im Gedächtnis als ein Netzwerk von miteinander verbundenen Begriffen vor. Jede Eigenschaft ist nur einmal repräsentiert (auf der hierarchisch höchsten Ebene); dies führt zu kognitiver Ökonomie. Das semantische Wissen wirdals hochorganisiert und strukturiert betrachtet. Wird ein Item im Gedächtnis gesucht, müssen mehrere Male die Ebenen der Hierarchie gewechselt werden, was jeweils zu einer Verlängerung der Reaktionszeit führt. Es zeigte sich aber, daß die Typikalität der Items ebenfalls einen Einfluß auf die Verifikationszeiten haben kann.
Um solche Phänomene der Typikalität und auch das Priming erklären zu können, wurde das Modell von COLLINS & LOFTUS modifiziert: Die Kanten zwischen den einzelnen Begriffen sind entsprechend der Enge der Beziehung der Begriffe unterschiedlich lang; das Konzept der strikten Ökonomie wurde aufgegeben. Die Autoren gehen nun davon aus, daß sich Aktivation fächerförmig im Netzwerk ausbreitet (von beiden Enden aus). MIt diesem MOdell lassen sich die empirischen Befunde erklären.
Mengenrepräsentationen von Begriffen (Kategorie-Suche-Modelle):
Hier wird ein Begriff als Zusammenfassung von Objektmengen betrachtet; bei der Repräsentation eines Begriffes muß die gesamte Menge der zum Begriff gehörenden Objekte charakterisiert werden. Beim Wiedererkennen muß diese Menge der Instanzen eines Begriffs wie in dem von Sternberg vorgeschlagenem Modell durchsucht werden. LANDAUER & MEYER meinen allerdings, daß die Suche selbst-terminierend ist (wenn Item gefunden, dann Abbruch der Suuche; wenn nicht gefunden, muß die gesamte Kategorie durchsucht werden). Je mehr Objekte ein Begriff umfaßt, desto mehr Vergleichsschritte sind auch nötig; die Zuordnung zu einem Oberbrgriff solte also um so zeitaufwendiger sein, je umfangreicher die Menge ist.
In der Praxis erfolgt aber die Zuordnung zu allgemeinen Begriffen schneller als zu speziellen; außerdem treten Typikalitätseffekte auf. Bei der Zurückweisung eines Begriffs tritt keine Systematik auf: Es dauert wesentlich länger, negative Items zurückzuweisen, die aus einer ähnlichen Kategorie kommen, als welche, die aus einer unähnlichen Kategorie kommen. Dies läßt sich nicht mit einfachem Absuchen der Kategorie erklären.
Die Prototypenrepräsentation:
Der Prototyp ist ein Ensemble von Merkmalen, von denen jedes einzelne den Begriff in unterschiedllichem Ausmaß charakterisiert und unterschiedliche Teilmengen von Merkmalen den gleichen Begriff darstellen.
FRANKS & BRANSFORD ließen ihre Vpn geometrische Figuren lernen, die sich aus Transformationen des (nicht gezeigten) Prototyps ergaben. der Prototyp wurde von den meisten Vpn fälschlicherweise auch als bekannt bezeichnet. Dies führte zu der Annahme, daß die zu lernende Objektmenge im Gedächtnis durch eine Einheit repräsentiert ist, die in starkem Maße der Ursprungsfigur entspricht; es werden also nicht die einzelnen Objekte gespeichert, sondern ihre prototypischen Vertreter. ROSCH konnte zeigen, daß dies nicht nur für künstlich erzeugte Objektmengen gilt: Aus dem gesamten natürlichen Farbenspektrum heben sich einzelne Farben ab (fokale Farben), die als Ausgangspunkte der klassifizierenden Unterscheidung von Farbeindrücken wirken. Läßt man in einem Klassifikationsexperiment künstlich gebildete Farbklassen erlernen, dann werden jene Klassenbildungen am leichtesten gelernt, die um eine solche fokale Farbe herum angeordnet sind.
KLIX bezeichnet solche Konzepte als Primärbegriffe, die Objekte aufgrund ihrer gemeinsamen anschaulichen Ähnlichkeit zusammenfassen. Unter dem Prototyp wird dabei ein Objekt verstanden, zu dem maximale Ähnlichkeit innerhalb der Klasse besteht (bei maximaler Unterscheidbarkeit zwischen den Klassen). Die Zugehörigkeit eines Objekts zu einer Klasse wird durch seine Ähnlichkeit zum Prototyp bestimmt. Bildlich dargebotene Objekte werden spontan auf der Ebene des Primärbegriffs klassifiziert. Ein Objekt ist ein um so typischerer Vertreter seiner Klasse, je mehr seiner Merkmale mit den typischen Merkmalen der gesamten Klasse übereinstimmen und je weniger seiner Elemente davon unterschieden sind.
Schwierigkeiten liegen in der Erklärung des Zusammenhangs zwischen hierarchisch organisierten Begriffen unterschiedlichen Abstraktionsgrades und in der Erklärung des Typikaltätseffektes für Begriffe, die sehr heterogene Objekte zusammenfassen (z.B. Möbel).
Die Merkmalsrepräsentation von Begriffen:
Merkmalsmodele, z.B. von SMITH, SHOBEN & RIPS, betonen, daß eine Anzahl von Attributen einer Kategorie und ihrer Beispiele gemeinsam ist. Definierende Merkmale bieten hinreichende und notwenige Informationen über die Kategoriezugehörigkeit; charakteristische Merkmale betreffen die typischen Attribute der Beispiele der Kategorie, sind aber alleine nicht für die Zuordnung ausreichend.
Bei der Entscheidung übder die Kategoriezugehörigkeit bestimmt man zuerst, wie viele Attribute ein Item mit der Kategorie gemeinsam hat. Bei großer oder kleiner Überlappungn wird schnell eine Entscheidung getroffen; bei mittlerer Überlappung dauert die Entscheidung relativ lange, da dann zusätzlich systematisch die definierenden Attribut verglichen werden müssen. Ein Objekt ist ein um so typischerer Vertreter seiner Klasse, je größer die Übereinstimmung zwischen den Merkmalen des Objektes und den im Gedächtnis gespeicherten Merkmalen uasfällt.
Begriffsbildung wird als ein Prozeß betrachtet, in dessen Verlauf Hypothesen über die zu suchende relevante Merkmalsstruktur gebildet und geändert werden, bis die richtige Merkmalskombination gefunden ist.
Nach HOFFMANN & ZIESSLER können sensorishe Begriffe (Begriffe, die sich an gemeinsamen sensorischen Wirkungen der Objekte orientieren: anschauliche Merkmale) und kategoriale Begriffe (Begriffe, die auf gemeinsamen funktionalen Beziehungen beruhen: Ober- und Unterbegriffe) unterschieden werden. Merkmalsrepräsentation heißt hier, daß die einen Begriff im Gedächtnis repräsentierende Einheit in kognitive Elemente zerlegt werden kann, die Eigenschaften der klassifizierten Objekte, aber auch Beziehungen zwischen den Begriffen wiederspiegeln und die die Gedächtnisrepräsentationen verschiedener Begriffe voneinander zu unterscheiden gestatten.
Nach LeNY haben allgemeinere Begriffe weniger und unspezifischere Merkmale als spezielle Begriffe. Die Zeit bis zum Erreichen eines Lernkriteriums hägt deshalb vom Allgemeinheitsgrad des Begriffs ab (je spezieller, desto mehr Lernzeit): Allgemeine Sätze (Die Frau hat den Gegenstand unter einem Möbelstück wiedergefunden) werden schneller gelernt als speziellere (Die Köchin hat den Topf unter einem Sessel wiedergefunden).
Verstehen von Sätzen:
Sprachverstehen:
Sprachverstehen läßt sich in drei Stufen untergliedern:
- Wahrnehmung (Überführung eines Schallereignisses in die Repräsentation von Wörtern);
- Analyse (Parsing: Überführung der Wortrepräsentationen in Bedeutungsrepräsentationen) und
- Verwendung (der Bereich, auf den der Hörer die Mitteilung bezieht).
Der Hörer analysiert einen Satz, indem er ihn in Phrasen oder Konstituenten zerlegt und die Bedeutung jeder Konstituente interpretiert. Dieser Prozeß läßt sich modellhaft durch Produktionen darstellen, deren Bedingungen Konstituentenmuster beschreiben und der Aktionen Bedeutungsinterpretationen im Gedächtnis ablegen.
Mehrdeutigkeiten:
Hörer neigen dazu, bei mehrdeutigen Wendungen nur eine Bedeutungsvariante auszuwählen. Folglich müssen sie die Wendung neu analysieren, wenn nachfolgende Informationen zeigen, daß die ursprüngliche Wahl falsch war.
Man sollte zwischen vorübergehender Mehrdeutigkeit (Mehrdeutigkeit wird im weiteren Verlauf des Satzes aufgelöst: The old train the young) und permanenter Mehrdeutigkeit (Mehrdeutigkeit bleibt bestehen: John ging zu der Bank) unterscheiden. Wenn Menschen versuchen, bei der Interpretation eines Satzes eine bestimmte Bedeutung auszuwählen, machen sie dabei ausgiebig von kontextuellen Beschränkungen Gebrauch. Anscheinend gehen sie jedoch von einer einzigen Interpretation aus (der nach ihrem dafürhalten besten) und halten diese bis zum Satzende durch. Wenn sich ihre Wahl als falsch herausstellt, wird ihr Verstehen beeinträchtigt; sie müssen wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren und eine andere Interpretation ausprobieren (Holzwegtheorie der Mehrdeutigkeit).
BEVER, GARRETT & HURTIG ließen ihre Vpn Satzfragmente der folgenden Art vervollständigen:
1) Although flying airplanes can
2) Although flying airplanes can be dangerous, he
3) Although some airplanes can
4) Although some airplanes can be dangerous, he
Wenn mehrdeutige Konstituenten schwerer zu verarbeiten sind, weil mehrere Bedeutungsvarianten in Betracht gezogen werden müssen, dann sollten die Vpn für die Fortsetzung von Fragment 1 - im Vergleich zu Fragment 3 - mehr Zeit benötigen; dies zeigte sich auch. Wenn sich die Vpn für eine Bedeutung entscheiden, nachdem eine Konstituente bereits vollständig vorliegt, sollten die Zeiten, die zur Fortsetzung des zweideutigen Satzes 2 und des eindeutigen Satzes 4 benötigt werden, keine Unterschiede aufweisen. Auch diese Hypothese konnte bestätigt werden.
---> Anscheinend berücksichtigen wir also die Mehrdeutigkeit einer Konstituente nur während ihrer verarbeitung; danach entscheiden wir uns für eine bestimmte Interpretation. Solange wir diese nicht ändern müssen, hat die Mehrdeutigkeit keinen weiteren Einfluß auf die Satzverarbeitung.
Semantische und syntaktische Aspekte:
Bei der Satzverarbeitung spielen sowohl semantische als auch syntaktische Aspekte eine Rolle: MARKS & MILLER ließen ihre Vpn verschiedene Sätze lernen. Syntaktisch und semantisch korrekte Sätze wurden am besten reproduziert. Syntaktisch oder semantisch korrekte Sätze wurden etwa gleich gut, aber viel schlechter als ganz korrekte, wiedergegeben. Am schlechtesten war die Gedächtnisleistung bei Sätzen, die weder semantisch noch syntaktisch korrekt waren. Auch die Wahrnehmung (Verständlichkeit) von Sätzen hängt von semantischen und syntaktischen Faktoren ab. Hörer kombinieren sowohl syntaktische als auch semantische Hinweise, um einen Satz zu interpretieren.
Verstehen als Decodierung:
Nach dem Ansatz der generativen Grammatik findet eine Transformation von der Tiefenstruktur zur Oberflächenstruktur statt. Dies geschieht in einzelnen autonomen und seriell ablaufenden Komponenten: Analyse des Inputs durch phonologische Komponente --> Lexikon --> syntaktische Komponente --> semantische Komponente. Empirisch lassen sich aber die einzelnen Komponenten nicht nachweisen: CARRITHERS fand, daß Passivsätze keine längeren Bearbeitungszeiten benötigen.
Neuere Modelle beziehen auch nicht-sprachliche Kognitionen ein: Kontexteffekte können an der Teilsatz-Grenze auftreten. Das Buffer-integrate-Model (JARVELLA) geht davon aus, daß die Information im Gedächtnis auf verschiedenen Stufen "weitergeschoben" wird. Der exakte Wortlaut innerhalb der KOnstituente wird nicht mehr gebraucht, nachdem die Produktion, die diese Konstituente interpretierte, zur Anwendung kam. Personen behalten den absoluten Wortlaut einer Konstituente schlechter im Gedächtnis, wenn diese bereits verarbeitte wurde und die Bearbeitung einer weiteren Konstituente begonnen hat. Dazu wurden den Vpn Sätze vorgelesen, die an bestimmten Stellen unterbrochen wurden. Die Vpn sollten dann alles aufschreiben, an das sie sich aus der Textpassage noch erinnern konnten. Nur für die letzte Konstituente, die gerade bearbeitet wurde, sollte ein wörtliche Repräsentation vorliegen; dort zeigte sich auch deutlich die höchste Erinnerungsleistung.
Syntaktische Information wird schneller vergessen als semantische (SACHS) und am Ende eines Teilsatzes treten längere Verarbeitungszeiten auf (HABERLANDT).
Kontexteffekte können aber auch vor oder während der Worterkennung stattfinden: In einem Versuch von MARSLEN-WILSON soll die Vp gehörtes Material nachsprechen: syntaktische Fehler werden dabei unbewußt korrigiert; das Lexikon muß also schon bei der Spracherkennung wirken. Auch Priming kann man als Kontexteffekt betrachten, denn dadurch werden Wortkandidaten voraktiviert.
Vorsortierung und Verarbeitung nach Klassen läßt sich bei offenen Klassen zeigen: Suche im Lexikon findet statt. Bei geschlossenen Klassen ist dagegen syntaktische Information schnell und autonom abrufbar.
Möglicherweise findet auch eine Interaktion von Top-Down- und Bottom-Up-Prozessen statt: Bei der Spracherkennung kann es durch Kontexteffekte zur Beseitigung von Ambiguitäten kommen.
Verstehen als aktiver Konstruktionsprozess:
Nach ENGELKAMP kann Verstehen als Informationsverarbeitungsprozess betrachtet werden. Individuelles Wissen wird aus generellem Wissen konstruiert; Propositionen werden aus Konzepten und Prädikaten gebildet, aufgrund von Schemawissen kommt es zu Inferenzen. Die Satzverarbeitung hängt nicht nur von der Zahl der Propositionen ab, sondern auch von deren Komplexität: Bei gleicher Wortzahl sind beispielsweise Propositionen mit dreistelligen Prädikaten schwerer zu lernen als Propositionen mit zweistelligen Prädikaten.
HÖRMANN hält es für das Wichtigste, zu verstehen, was ein Sprecher meint. Das Ziel des Verstehens ist, daß die Äußerung einen Sinn ergibt. Wenn sie keinen Sinn ergibt, vesucht der Hörer sie als Metapher, Ironie etc zu interpretieren. So wird verstanden, was der Sprecher meint. Die Sprache regt also das Verstehen an, determiniert es aber nicht.
Generative Semantik:
Die Bedeutung eines Satzes besteht aus (einer oder mehreren) Propositionen, die aus einem logischen Prädikat und einem (einstelliges Prädikat) oder mehreren Argumenten (mehrstelliges Prädikat) des Prädikats bestehen. Komplexere Sätze entstehen dadurch, daß ganze Propositionen als Argumente verwendet werden (Einbettungen) oder daß Propositionen miteinander verknüpft werden.
Auf diese Weise kommt man mit sehr wenigen Einsetzungsregeln aus. Die mit Hilfe der semantischen Eezeugungsregeln und des Lexikons erzeuten Propositionen müssen anschließend in die Oberflächenstruktur übergeführt werden. Diese Regeln betreffen die Wortstellung im Satz, die Endungen der Wörter usw.
Die semantischen Merkmale eines Begriffs sind Prädikate (der Begriff ist das Argument). Die Liste der semantischen Merkmale eines Objekts entspricht einer Liste von verknüpften Aussaggen über dieses Objekt.
KINTSCH konnte folgende Hypothesen nachweisen:
- Bei konstanter Wortzahl braucht man um so mehr Zeit, um einen Satz zu verstehen, je mehr Propositionen er enthält.
- Übergeordnete Propositioenn werden besser erinnert als uuntergeordnete.
- In je mehr Propositionen ein Wort vorkommt, desto besser wird es behalten.
Textverständnis hängt entscheidend von der Fähigkeit des Rezipienten ab, die hierarchisch höherstehenden, den Text organisierenden Strukturen zu erkennen.
Kasusgrammatik und strukturelle Netze:
FILLMORE entwickelte die Kasusgrammatik: Das Prädikat hat in jeder Proposition eine entscheidende steuernde Funktion, denn das Prädikat bestimmt, wie viele und welche Arten von Argumenten notwendig sind. Die verschiedenen Arten von Argumenten nennt FILLMORE Kasus. Es gibt nur eine kleiine Zahl von Kasus (Argumenttypen): Agent, Patient, Instrument, Ursprung, Ziel, Ort und Zeit sind die häufigsten.
In einem Versuch von HÖRMANN, LAZARUS & LAZARUS sollten die Vps gehörte Sätze nachsprechen, die gleichzeitig mit Rauschen präsentiert wurden. Das Verbum, das häufig dem Prädikat der Proposition entspricht, war am schwierigsten zu erkennen; wenn es jedoch erkannt worden war, dann war die Wahrscheinlichkeit hoch, daß auch Subjekt und Objekt (also die Argumente) erkannt wurden.
RUMELHART, LINDSAY & NORMAN entwickelten ein Modell des Langzeitgedächtnisses, in dem Propositionen eine zentrale Rolle spielen. Inhalte jeder art werden in Form von Relationen zwischen Kognitionen gespeichert. Eine kognition ist jeder gedächtnisinhalt (Knoten). Jede Relation ist gerichtet (nicht symmetrisch) und sie hat einen Namen (is a; has; can...). In der Regel gehen von einem Begriff mehrere Relationen aus, die zu verschiedenen anderen Begriffen führen, von denen wieder Relationen ausgehen usw. Auf diese Art entsteht ein Netz von Verbindungen zwischen den Kognitionen (strukturelles Netz), das auch Prozesse der Informationsverarbeitung ermöglicht.
Die psychologische Realität solcher Prozesse läßt sich z.B. durch click-migration innerhalb einer Phrase (FODOR & BEVER) oder durch erhöhte Fehlerübergangswahrscheinlichkeiten an Phrasengrenzen (JOHNSON) zeigen.
Konversationsmaximen:
Nach dem Kooperationsprinzip von GRICE müssen Sprecher und Hörer kooperieren, wenn ihre Kommunikation errfolgreich verlaufen soll. Dazu muß der Sprecher mindestens vier Konversationsmaximen einhalten:
- Quantitätsmaxime (Sei so informativ wie erforderlich, aber nicht informativer als nötig);
- Qualitätsmaxime (Sei wahrhaftig);
- Relevanzmaxime (Sage nur, was für das Gespräch wesentlich ist);
- Ausdrucksmaxime (Sei deutlich);
In den meisten Sätzen spiegelt sich der Versuch wider, ohne Umschweife die beiden Funktionen der Vorannahme und der Behauptung zu erfüllen - also Verbindungen zu Kozepten im Hörergedächtnis zu knüpfen und den Zustand der Strukturen im Umfeld dieser Konzepte zu verändern.
Spracherwerb:
Sprache als System und als Handlung:
Man kann die Sprachentwicklung unter der strukturellen Betrachtungsweise untersuchen; dabei wird die Sprache beschrieben und erklärt, aber auf ihre Verwendung wird nicht eingegangen. Die funktionale Berachtungsweise dagegen geht davon aus, daß der Mensch die Sprache intentional und zweckgerichtet verwendet, um sich mit anderen Menschen in konkreten Situationen zu verständigen; man betrachtet also die kommunikative Kompetenz des Sprechers. Die Funktion und die Struktur der Sprache sind aber nicht zu trennen, beide bedingen sich gegenseitig und machen zusammen die Sprache aus.
Biologische Grundlagen des Spracherwerbs:
Nach CHOMSKY ist dem Kind ein Spracherwerbsmechanismus (LAD) angeboren, aber kein konkretes grammatisches Konzept. Über die angeborenen Mechanismen und Erfahrungen mit der Umwelt wird die Grammatik aufgebaut. Dies soll die Leichtigkeit erklären, mit der Kinder jede beliebige Sprache erlernen.
LENNEBERG glaubt, daß beim Menschen die beiden Gehirnhälften verschieden arbeiten. Bei fast allen Rechtshändern und vielen Linkshändern ist die linke Hemisphäre für das Sprachvermögen ausschlaggebend. Er glaubt, daß Spracherwerb nur so lange möglich ist, wie das Gehirn Plastizität besitzt, also etwa bis zur Pubertät.
KONDONS stellte fest, daß Säuglinge schon am ersten Tag nach der Geburt auf die menschliche Stimme mit synchronen Bewegungen reagieren; dies sei eine Voraussetzung für den Spracherwerb.
Phasen des Spracherwerbs:
In den ersten Monaten differenziert sich das Weinen. Bis zum Ende des ersten Lebensjahres lernt das Kind, bestimmte Handlungsmuster zu erkennen und unterscheidet so zwischen Handelnden, Objekt, Zeit etc. Dies ist nach BRUNER eine Voraussetzung für den Spracherwerb. Langsam entwickelt das Kind durch Lallen auch die Phoneme seiner Muttersprache; anfänglich produziert es mehr Phoneme.
Etwa mit einem Jahr äußert das Kind sein erstes Wort. In der Einwortphase wird das Wort zusammen mit dem entsprechenden Kontext verwendet, um zu kommunizieren. Es folgt die Zweiwortstufe, auf der sich erste syntaktische Regelmäßigkeiten zeigen; man spricht hier vom sog. Telegrammstil. Es kommt zu einer "Explosion" des Wortschatzes.
Fortschritte der Sprachfähigkeit:
Es erfolgt ein zunehmender Ausbau der Grammatik; kontextspezifische Formen des sprachlichen Handelns differentieren sich. Die phonologische Entwicklung führt zu der Fähigkeit, Wörter richtig zu verwenden und zu verstehen. Grammatische Morpheme werden erlernt und verwendet. Das subjektive Lexikon beginnt, sich zu differentieren; dabei kommt es zu Übergeneralisierungen und -diskriminierungen, die so nicht in der Erwachsenensprache auftreten (also keine Nachahmung!). Schließlich erkennen die Kinder die fundamentale Leistung der Sprache, eine gleichbleibende inhaltliche Information unterschiedlich auszudrücken.
Theorien des Spracherwerbs:
A) Nachahmung: Kinder erwerben Sprache dadurch, daß sie das, was sie in bestimmten Situationen von Erwachsenen hören, nachahmen und es dann bei ähnlichen Gelegenheiten wiedergeben. So lassen sich weder die Produktivität der Sprache noch das Phänomen der Übergeneralisierung erklären.
B) Verstärkung: Kinder erlernen Sprache durch ein Zusammenspiel von positiver Verstärkung und Korrektur. Aber die Sprache ist zu umfangreich, um einen Spracherwerb nur durch diesen Weg erklären zu können. Außerdem sprechen Kinder auch, wenn niemand anwesend ist, der sie dafür verstärken könnte. Die von den Erwachsenen gegebene Verstärkung ist auch nicht systematisch.
C) Hypothesen-Testen: Es wird angenommen, daß die angeborene Sprachfähigkeit darin besteht, daß Kinder mit der Möglichkeit ausgestattet sind, beim Verstehen sprachlicher Äußerungen bestimmte Strukturen zu erkennen; diese Strukturen bilden die Grundlage für die Ausformung von grammatischen Regeln. Aus dem Gehörten werden also sprachliche Strukturen extrahiert. Diese Regeln haben zunächst die Form einer Hypothese, die im Ablauf der Zeit getestet wird. So kann es zu Übergeneralisierungen kommen (das Kind hat eine generelle Regel aufgestellt, ohne die Ausnahmen zu berücksichtigen). Die entsprechenden Regeln werden auch gegen neue sprachliche Äußerungen getestet, was zu Fehlinterpretationen des Gesagten führen kann, wenn die Regeln falsch sind.
Erwerb von Form-Funktions-Beziehungen:
Menschliche Sprache ist ein Zeichensystem. Ein Zeichen ist eine Einheit (visuell oder akustisch), die für etwas anderes steht; aus dieser Zuordnung erfährt die Lautkette ihre Bedeutung. Ein Zeichen ist somit immer die Einheit von visueller/akustischer Gestalt (Bezeichnendes) und Bedeutung (Bezeichnetes).
Es besteht aber keine eins-zu-eins-Beziehung zwischen Form und Bedeutung: Die gleiche Bedeutung kann durch verschiedene Formen ausgedrückt werden und die gleiche Form kann verschiedene Bedeutungen haben. Die richtige Zuordnung wird deshalb urch Hypothesentesten gelernt; beim Sprracherwerb treten einzelne Merkmale für einen bestimmten Zeitraum in den Vordergrund. Über diese Merkmale werden dann Hypothesen gebildet, die getestet und ggegebenenfalls verändert werden.
Sofern sich eine der Hypothesen als angemessen für die Produktion und das Verstehen von Äußerungen erwiesen hat, wird sie (vorläufig) in dieser Form in dem Regelsystem der bestimmten Sprache festgeschrieben.
Durch den LAD sind bestimmte Parameter zum Erkennen sprachlicher Strukturen vorgegeben; er ist so ausgelegt, daß die Parameter flexibel genug sind, um den Aufbau der Regelsysteme der unterschiedlichsten Sprachen zu ermöglichen. Er ist aber auch begrenzt genug, nicht jede denkbare Kombination von sprachlichen Zeichen zu erlauben. Der Spracherwerb wird letztlich durch die Festschreibung der Form-Funktions-Beziehungen, die durch die biologischen Parameter vorgegeben sind, bestimmt.
Vom Laut zum Sprachsystem:
Sprache wird als kontinuierlicher Strom von Lauten wahrgenommen; solche Elemente, die durch Betonung besonders herausgehoben sind, werden erkannt (also Wörter, die für sich genommen hinweisenden Zeichencharakter haben: Nomina, verben, Adjektive).
Das Kind lernt zuerst, bestimmte Objekte und Sachverhalte in der Außenwelt mit Wörtern zu bezeichnen. Bald werden aber auch andere Elemente im Sprachsystem erkannt, die häufig auftreten und eine bestimmte grammatische Funktion besitzen: Artikel, Konjunktionen, Flektionsendungen, ... Die Bedeutung dieser Elemente muß nun für die Struktur eines Satzes festgestellt werden: Der Vorgang des syntaktischen Hypothesentestens, also des Erforschens der grammatischen Strukturen, wird durchgeführt.
Wenn alle Form-Funktions-Beziehungen festgeschrieben sind, ist der Erwerbsprozeß abgschlossen. Die Festschreibung dieser Beziehung ist Grundvoraussetzung für eine schnelle und automatische Verarbeitung sprachlicher Elemente im ausgereiften System.
Sprache und soziale Situation:
Generative Grammatik vs. situationsabhängige Sprachpsychologie:
CHOMSKY unterscheidet vor allem zwischen syntaktisch richtigen und falschen Sätzen; mittels seiner generativen Grammatik lassen sich grammatisch korrekte von falschen Sätzen unterscheiden. Er unterscheidet die Kompetenz (des idealen Sprechers) von der Performanz (des realen Sprechers). Die einem Satz zugrundeliegende Bedeutung ist in seiner Tiefenstruktur formuliert; der ausformulierte Satz dagegen stellt die Oberflächenstruktur dar. Ähnlichen Oberflächenstrukturen können unterschiedliche Tiefenstrukturen zugrundeliegen und die selbe Tiefenstruktur kann durch verschiedene Oberflächenstrukturen ausgedrückt werden.
Die Sprachpsychologie nach HERRMANN interessiert sich dafür, warum ein und derselbe Sachverhalt manchmal unterschiedlich ausgedrückt wird. Folgende Faktoren können eine Rolle spielen:
- Handlungsziele in einer bestimmten Situation sollen erreicht werden;
- Auffassung der Situation;
- Wissen und Erfahrung (deklarativ und prozedural);
- Informationsaspekt;
- Instrumentalität;
- Abhängigkeit der Benennung des Objekts von seinem Kontext;
- Sprachschichtniveau (soziale Distant und Objektbereichsdistanz);
- Handlungsaufforderung als Beispiel für sprachliche Äußerung (Können, kalkulierte Bereitschaft, Dringlichkeit oder Legitimation).
Sprachproduktion:
Im allgemeinen versteht man unter Sprechen die Produktion von Lauten und Lautfolgen, die auch vom Partner gehört werden können. Die Bildung eiinzelner Laute fällt unterschiedlich aus, je nachdem, welcher Laut dem gerade produzierten folgt; der Sprecher muß also die später zu produzierenden Laute antizipieren. Jede Sprache verwendet unterschiedliche Phoneme; jede Sprache ist gegenüber bestimmten Lautvariationen tolerant, gegenüber anderen nicht.
Der physikalisch gleiche Laut kann verschiedenen Phonemen zugeordnet werden (Ähre vs. Ehre); andererseits können aber auch unterschiedliche Laute der selben Lautklasse zugeordnet werden (ch). Die Phoneme selbst tragen aber noch keine Bedeutung; diese findet sich erst in den Morphemen.
Beim Sprechen werden grammatisch geregelte Morphemfolgen erzeugt. Die Regeln der Grammatik beschränken die erlaubten kombinationen von Morphemen. Grammatik ist also ein System von Restriktionsregeln. Allerding sind auch Sätze verständlich, die etwas von den grammatischen Regeln abweichen.
Es existieren auch semantische Regeln, die angeben, ob eine Kombination erlaubt ist (z.B. kann ein Mensch nicht troopfen). Man kann aber für alle semantischen Regeln Regelverletzungen aufweisen, die dennoch zu sinnvollen und verständlichen Äußerungen führen; es kommt nur auf die sprachliche Gesamtsituation an, in der diese Äußerungen erfolgen. Eine Metapher kann bei entsprechendem Situationskontext für den Sprrecher und seinen Partner völlig sinnvoll sein, obwohl eine semantische Regel verletzt wurde.
In bestimmten sprachlichen Kontexten können auch formal betrachtet unvollständige Sätze (Ellipsen) als eine sinnvolle, situationsspezifisch angemessene und insofern auch vollständige Äußerung betrachtet werden.
Das, was ausgesprochen wird ist nur ein Teil dessen, was gemeint ist; hinter einer sprachlichen Äußerung stehen Einstellungen, Vermutungen, Wissen und Emotionen. Das Gesagte hat auch ein Ziel: es sollen beim Partner bestimmte Einstellungen, Emotionen oder Verhaltensweisen hervorgerufen werden (instrumentelle Funktion). Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Partner die Situation genauso auffaßt wie der Sprecher; dazu müsen beide über ein ähnliches Wissen verfügen.
--> Das Sprechen soll informativ und instrumentell sein.
Sprechen informiert über das Gemeinte, löst beim Partner etwas aus und ist insofern instrumentell, und es sagt etwas über den Sprecher aus. Das Gesagte vermittelt so zwischen Sprecher, dem Hörer und dem Gemeinten (entspricht dem Orgganon-Modell von BÜHLER). Wie sich der Sprecher ausdrückt, also die Lautstärke, die Mimik etc., dient nicht nur dem Ausdruck des Sprechers: Z.B. wird bei Fragesätzen anders betont. Man drückt sich im Sprechen nicht nur mehr oder minder ungewollt aus, sondern man kann sich auch kalkuliert darstellen.
Damit der Sprecher sein Ziel erreeichen kann, muß etwas, was der Sprecher sprachlich verschlüsselt, vom Partner verstanden werden, und dieses etwas muß so verstanden werden, daß der Sprecher sein Ziel erreicht.
Eine Äußerung hat eine informative Funktion (Was ist gemeint) und eine instrumentelle Funktion (Wie ist es gemeint; ergibt sich aus der Situation). Man kann das, was man sagen will, auf unterschiedliche Weise ausdrücken; man wählt eine solche Form des Ausdrucks, die möglichst angemessen ist.
Die proportionale Basis:
Alles, was dem Sprecher vor einer Äußerung im Kopf herumgeht, nennt man die propositionale Basis (PB; entspricht etwa den Vorstellungen von NORMAN & RUMELHART); dazu gehört, was er erkennt, erinnert, ausgedacht hat, erschlossen hat, vermutet, was er will usw. Für eine Äußerung muß der Sprecher auf seine deklarative Wissensbasis zurückgreifen. Die Komponenten der propositionalen Basis lassen sich zum Beispiel als Prädikat-Argument-Propositionen (KINTSCH) darstellen. Die propositionale Basis von Äußerungen ist selbst nicht sprachlicher, sondern kognitiver bzw. konzeptueller Art. Was gemeint ist, ist immer mehr als das, was gesagt wird.
Dem hier vorgestellten Ansatz zufolge aktiviert der Sprecher im jeweils vorliegenden Situationskontext und angesichts seines Handlungsziels Teile seines erlernten und im Gedächtnis gespeicherten Wissens, soweit dieses Wissen zur Erreichung seines situationsspezifischen Handlungsziels erforderlich scheint; es ist vom Partner allenfalls in Annäherung rekonstruierbar. Das vom Sprecher Gemeinte ist mehr als das Gesagte, aber weniger als alles, was er wieß, glaubt und wahrnimmt. Der Sprecher selbst muß wissen, was er meint und was der Partner als Gemeintes verstehen soll: Er muß die propositionale Basis seiner Äußerung als Wissen zur Verfügung haben.
Die zugrundeliegenden Propositionen können auf verschiedene Art zusammengestellt werden: additiv (UND), kausal (WEIL), durch Implikationen (WENN-DANN) usw. Die PB muß sich nicht auf Wissensbestände des Sprechers beschränken: Wahrnehmungsprozesse selbst können aus Verarbeitungen von perzeptiven Informationen auf der Basis von bestehenden Wissesvoraussetzungen verstanden werden.
Die propositionale Basis der Äußerung ist also sehr komplex. Ein Teil davon geht als semantischer Input in die Sprachproduktion ein; diese wird dann zur eigentlichen Äußerung encodiert. Das Entstehen der Äußerungn ist also ein kognitiver Prozeß. Dazu sucht der Sprecher für die Proposition eine für die deutsche Sprache angemessene syntaktische Struktur, die richtigen Wörter und den geeigneten Stimmhöhen- und Betonungsverlauf. Die Proposition wird also unter syntaktischen, lexikalischen und prosodishen Gesichtspunkten encodiert.
Es wird also ein bestimmtes Wissen aktiviert, welches zur Erreichung eines situationsspezifischen Handlungsziels erforderlich ist. Die vom Sprecher aktivierte propositionale Basis von Äußerungen (also das damit Gemeinte) ist deklaratives Wissen, das durch die Verwendung von prozeduralen Wissen (Anwendung von Regeln) zum Zwecke der Erreichung situationsspezifischer Handlungsziele aktiviert wird. Dieser Vorrgang läuft schnell ab; man kann schon während des Sprechens den nächsten Satz bilden. Der Sprecher wählt zur Repräsentation der Pb genau einen bestimmten semantischen Input, weil er unterstellt, daß genau dieser SI informativ und instrumentell ist.
Der Sprachproduktion entspricht beim Hörer das Sprachverstehen; der Sprecher berücksichtigt dies: Er versucht, bei seiner Sprachproduktion die Bedingungen des partnerseitigen Sprachverstehens gedanklich zu antizipieren. Der Empfänger rekonstruiert aus dem Gesagten, was der Sprecher meint, wenn er die PB versteht, indem er seine Erfahrungen und sein Situationsverständnis mobilisiert.
Absicht, etwas zu kommunizieren --> PB --> Selektion einer oder mehrerer Komponenten --> lexikalische, syntaktische und prosodische Encodierung des semantischen Inputs --> phonetische Realisierung.
Das Pars-pro-toto-Prinzip:
Der semantische Input ist ein ausgewählter Teil der propositionalen Basis. Meint der Sprecher etwas, so sagt er etwas, was Teil des Gemeinten ist: Er verbalisiert pars-pro-toto. Es handelt sich hierbei um eine Löschung der redundanten Komponenten oder um eine Selektion der wichtigsten Komponenten der PB. Welcher Teil der PB ausgewählt wird, hängt von der sprachlichen Gesamtsituation ab, d.h. die Äußerung muß informativ und instrumentell (in bezug auf das Handlungsziel) sein.
Das Pars-pro-toto-Prinzip ist also eine Zentrierungshilfe, damit nicht die gesamte Pb geäußert werden muß, was unökonomisch, zeitaufwendig und verwirrend wäre. Die tatsächlich ausgewählten Teile der PB sind die Zentrierungskerne, um die herum der Partner das jeweilige Rekonstrukt von PB strukturiert. Je nach der unterschiedlichen Zentrierung führt der Partner verschiedene Rekonstruktionsprozesse durch (und kann zu anderen Schlüssen kommen).
Versteht der Partner das vom Sprecher Gemeinte, so hat er zunächst den semantischen Input der betreffenden Äußerung decodiert, und er rekonstruiert dann aufgrund des decodierten semantischen Inputs - totum ex parte - in Annäherung die propositionale Basis der Sprechäußerung: Der Partner ergänzt in Annäherung das Ganze aus dem Teil, den der Sprecher verbalisiert hat. Damit dies auch klappt, sollte
* der Partner über einen Wissensbestand verfügen, der der sprecherseitigen PB hinreichend ähnlich ist und
* der Sprecher muß den semantischen Input so auswählen, daß der Partner von diesem Input aus den Wissensbestand, der der PB des Sprechers entspricht, "ansteuern" kann.
Der Prozeß des Sprachverstehens besteht nicht nur in Rekonstruktionen, sondern der Partner nimmt auch zu dem Verstandenen Stellung: Er vergleicht das Gesagte mit dem Gemeinten und der sprachlichen Gesamtsituation und zieht daraus Schlüsse, die sich in der Verhaltensreaktion des Partners auf das Gesagte niederschlagen können (Verstehen ist also auch Reflexion; die Reaktion des Partners ist Resultat dieser Reflexion).
Merkmale der Sprachproduktion nach den Pars-pro-toto-Prinzip:
* Rekonstruktivität;
* Ökonomie (nur Komponenten der PB sagen);
* Konventionalität (nicht mehr als notwendig sagen);
* Zentrierung (Partner kann Rekonstrukt in einer vom Sprecher gewünschten Weise zentrieren = ordnen);
* Zusatzinformation (auch das Nichtgesagte kann informativ sein, indem der Partner beurteilt, was diese Wahl bedeutet).
Situation:
Es ist schwierig, abzugrenzen, wann eine Situation beginnt und wann sie genau endet. Nach Dorsch ist eine Situation eine Gesamtsachlage, aus der ein bestimmtes Verhalten des Menschen folgert. Hier versteht man unter einer Situation episodenhafte, zeiterstreckte Sachverhalte; Situationen sind deskriptiv in Phasen dekomponierbar. Die einzelnen Situationen ergeben sich aus den Handlungseinheiten und Handlungsauffassungen der Akteure. Im Einzelfall kann ein Beobachter aus dem kontinuierlichen Ereignisstrom bestimmte Sachverhalten als Situation herausheben. Normalerweise lassen sich aber Anfang und/oder Ende einer Situation nicht genau angeben. Das Verhalten einer Person ergibt sich aus der Person, der Situation und der Interaktion zwischen Situation und Person (LEWIN).
Teile eines Gesprächs, die einen Inhalt betreffen, kann man als (Gesprächs-)Episode bezeichnen.
=> Hier werden Situationen als objektive Umgebungsbedingungen konzeptualisiert, unter denen Menschen agieren. (Situation + Akteur --> subjektives Situationsverständnis des Akteurs und dessen Verhalten). In bezug auf das Sprechen gibt es folgende Situationseinflüsse, die die Sprachproduktion betreffen:
* nichtpersonenbezogene Situationseinflüssse (Objektkontext);
* sprecherseitige Situationseinflüsse (z.B. was der Sprecher bereits vorher sagte) und
* hörerseitige Situationseinflüsse (z.B. Fragen).
Was jemand sagt, kann man als Ergebnis dieser drei Arten von Situationseinflüssen betrachten.
Beispiele: In einer bestimmten Bedingungskonstellation kann eine Feststellung als Aufforderung gemeint sein (Heiß hier!). Je nach Situation (sozialer Stellung) wird eine andere Wortwahl getroffen. Bei australischen Ureinwohnern gibt es eine "Schwiegermuttersprache", die der Sprecher in der Gegenwart bestimmter Tabu-Verwandter verwendet, und eine Alltagssprache. Die Grammatik der beiden "Sprachen" ist gleich, nur das Vokabular unterscheidet sich. Partnerseitige Situationseinflüsse betreffen hier die lexikalische Encodierung.
Unterschiedliche sprecherseitige Situationseinflüsse können zu verschiedenen Äußerungen führen (Komm/Geh ins Wohnzimmer, je nachdem, wo sich der Sprecher befindet).
Auffällige (z.B. sehr große) Dinge treten beim Sprecher in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit (Topikalisierung), und es besteht die Tendenz, das Auffällige bei der Satzproduktion möglichst bald zu encodieren, d.h. es an den Satzanfang zu stellen (D'ARCAIS). Dies kann unter Umständen durch Passivsätze erreicht werden.
Je nachdem, ob der Empfänger der Botschaft schwerhörig ist oder nicht, wird sich die phonetische Realisation unterscheiden.
==> Diese Beispiele zeigen, daß man bei Wechsel bestimmter Situationsmerkmale und bei gleichzeitiger Konstanz der anderen Situationsmerkmale eindeutig bestimmen kann, um welche Variante des Siutuationseinflusses auf das Sprechen es sich jeweils handelt.
Situationseinflüsse auf die Selektion des semantischen Inputs: Nach dem oben dargestellten pars-pro-toto-Prinzip hängt es von Situationseinflüssen ab, welcher Teil der propositionalen Basis für den semantischen Input verwendet wird. Den zur Informationsübermittlung und Zielerreichung geeigneten Teil zu finden, gehört zur kommunikativen Kompetenz des Sprechers, die vor allem durch persönliche Erfahrung erworben wird. Dabei muß gelernt werden:
* situative Ereignisse zu klassifizieren,
* sprachliche Ereignisse zu klassifizieren und
* angesichts von Situationsmerkmalen Außerungsmerkmale zu produzieren (prozedurales Wissen).
Also: Wenn bestimmte Situation, dann bestimmte Äußerung.
Experimentelle Methode: Vp in bestimmter Situation, an der manche Merkmale konstant gehalten werden und andere systematisch variiert werden. Man erstellt ein Klassifikationssystem für die möglichen Äußerungen der Vp. Dann formuliert man eine Hypothese: Wenn Situationsbedingungen ..., dann ist mit Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Äußerung zu erwarten. Beispiel: Vp soll gegenüber einem Partner ein bestimmtes Objekt benennen. Hierbei handelt es sich um Annahmen über einen beobachtbaren Zusammenhang. Es können aber auch theoretische Voraussetzungen auf ihre Zweckmäßigkeit hin beurteilt werden: Eine theoretische Voraussetzung ist zweckmäßig, wenn sie
* die Entwicklung von hinreichend zuverlässigen und erschöpfenden Klassifikationssystemen für Situationen und Äußerungen erlaubt;
* wenn aus ihr prüfbare Hypothesen zwischen Situation und Äußerung ableitbar sind und
* wenn diese Hypothesen empirisch stützbar sind.
Benennung und Objektkontext:
Die Wahrnehmung von Dingen ist ein aktiver Vorgang, ein konstruktiver Prozeß. Die Wahrnehmung wird dabei von der physischen (Gestaltpsychologie) oder sozialen Umgebung (soziale Wahrnehmung) gesteuert.
In der PB einer Äußerung über ein wahrgenommenes Objekt steckt das kognitive Rekonstrukt des gemeinten Objekts. Ein Apfel ist z.B. zusammen mit verschiedenen Eigenschaften repräsentiert (rot, fruchtig, süß, saftig, ...); nach dem Pars-pro-toto-Prinzip wählt der Sprecher nur solche Komponenten für den semantischen Input aus, die den Apfel näher bestimmen.
Äußerungen enthalten Benennungen, wenn man aus ihnen schließen kann, daß ihr semantischer Input entsprechende Attribute der gemeinten Objekte enthält (-> Benennungen sind Äußerungsbestandteile).
Damit ein Sprechen etwas benennen kann, muß er dieses Etwas aus dem umgebenden Ereignisstrom abgrenzen; diese Wahrnehmung folgt den Gestaltgesetzen. Aus gleichen Gegebenheiten können verschiedene Etwasse erkannt werden (z.B. bei mehrdeutigen Figuren). So können Sprecher bei gleicher Beschaffenheit der objektiven Reizkonstellation Unterschiedliches meinen, wenn sie benennen; das Gemeinte kann wiederum durch einen unterschiedlichen semantischen Input repräsentiert werden.
Das selbe Objekt, das auf die selbe Weise wahrgenommen wird und als dasselbe Objekt gemeint ist, kann in verschiedenem Objektkontext auf vorhersagbar unterschiedliche Weise benannt werden. Mit wechselnem Objektkontext führen wechselnde Selektionen des semantischen Inputs zu informativen und instrumentellen Benennungen. Sprecher haben gelernt, diejenige(n) Komponente(n) von PB zum Teil des semantischen Inputs zu machen, welche dem zu benennenden Objekt (verglichen mit den Objektkontexten) allein zugeschrieben werden können (man nennt also diejenigen Attribute, in denen sich das Objekt von den anderen Kontextobjekten unterscheidet; z.B. Der rote Block vs Der große Block vs Der große rote Block). Experimente von Herrman erbrachten, daß die Benennung meist informativ und nicht-redundant ist.
Das Parkplatzexperiment: Kinder spielen Parkplatzwächter; sie sollen ein bestimmtes Spielzeug-Auto benennen. Gleiche Fahrzeuge wurden in unterschiedlichen Objektkonstellationen auf vorhersagbare Weise verschieden benannt (Autos: rot/blau, groß/klein, Bagger/VW -> 8 Alternativen). Jedes Fahrzeug kann auf 7 verschiedene Weisen benannt werden. Informative Äußerungen sind hier gleichzeitig instrumentell (Das gemeinte Auto kann herausgefahren werden). Erfolgt die Benennung zu ungenau, ist sie nicht informativ; ist sie zu genau, ist sie redundant. Es ergab sich, daß bei 27 von 28 Objektkonstellationen die Auftretenshäufigkeit nichtredundanter diskriminativer Benennungen größer ist, als nach Zufall zu erwarten wäre.
==> Benennung ist informativ und nicht redundant.
Das Verwandtschaftsexperiment: In einer fiktiven Familie ist eine Person gleichzeitig Enkel, Sohn und Neffe, je nachdem, auf welche Person sich das Verwandtschaftsverhältnis bezieht. Ergebnis: Kinder in dem operatorischen Stadium der Intelligenzentwicklung können die Personen besser in ihrer Verwandtschaftsbezeichnung benennen als präoperatorische Kinder; Familienkinder können dies besser als Heimkinder.
==> Kontextadäquates Benennen ist auf Lernvorgänge zurückzuführen, die von der sozialen Lernumwelt und der kognitiven Entwicklung abhängen.
Redundante Benennung erleichteret das Verständnis beim Partner und erlaubt es dem Sprecher, das Objekt nicht so genau auf unterscheidende Merkmale hin zu untersuchen. Andererseits erfordern redundante Benennungen einen höheren Aufwand.
Kann ein Objekt durch verschiedene Merkmale jeweils so beschrieben werden (multiple Benennbarkeit), daß der Hörer weiß, was gemeint war, wird das Merkmal mit der maximalen Objektdistanz ausgewählt: Ist der Unterschie hinsichtlich der Farbe größer, wird diese zur Benennung verwendet; unterscheidet sich die Form deutlicher, verwendet man jene.
Tritt nun der Fall ein, daß sich weder Form noch Farbe besonders unterscheiden, wird nach der erlernten Attributprivilegierung benannt; d.h. im Laufe der Entwicklung lernen wir, bestimmte sensorische Modalitäten zu bevorzugen (z.B. Größe vor Helligkeit), aber nicht statisch, sondern flexibel.
Das Kerzenexperiment: Zwei Bilder von Kerzen, die sich in Höhe und Breite unterschieden; eine Kerze sollte benannt werden. Unterschieden sie sich mehr nach der Breite als nach der Höhe, wurde die Breite als Merkmal verwendet (und umgekehrt). Unterschieden sie sich in Breite und Höhe gleichermaßen, häuften sich auf die Breite bezogene Benennungen bei den Kindern, die zuvor die Breite zu priveligieren gelernt hatten (und umgekehrt).
==> Sprecher verfolgen keine attributzentrierte Strategie (dies zeigt sich darin, daß bei multipler Benennbarkeit nicht zuerst ein besonders auffälliges oder erlerntes Attribut verwendet wird); stattdessen wird das Objekt mit der maximalen Objektdistanz gewählt.
Das Sprachschichtniveau:
Sprechen findet in immer wechselnden sozialen Kontexten statt. Die verwendeten sprachlichen Codes hängen von der sozialen Schicht ab.
Kennzeichnend für die Unterschicht ist der restringierte Code (sprachliche Äußerungen wegen vieler Floskeln etc. leicht vorhersagbar), während die Mittelschicht sowohl über diesen als auch über den elaborierten Code (individuierte, abstrakte und nuancierte Äußerungen) verfügt. Der restringierte Code läßt sich gut vorhersagen, da einfache, feststehende Phrasen verwendet werden.
Die Verwendung eines bestimmten Sprachniveaus kann sowohl dispositional (durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht) als auch situational bestimmt sein (z.B. bei der Verwendung des th bei Angehörigen der New Yorker Unterschicht). Man verwendet unterschiedliche Redemodalitäten (verschiedene Codes), wenn man sich mit seinen Kommunikationspartnern in unterschiedlichen interpersonellen sozialen Beziehungen befindet oder wenn man über verschiedene Themen spricht (Wetter/Unfall). Dies wirkt sich aus auf die propositionale Basis, den semantischen Input, die prosodische (Intonation, Akzentuierung usw), syntaktische und lexikalische Encodierung sowie die Wortwahl.
Sprechvarianten diatopischer Art beziehen sich auf die Wahl einer von mehreren verfügbaren Sprachen (Standardsprache vs Dialekt); Sprachvarianten diaphasischer Art betreffen die Wahl der Sprachschichthöhe bzw. Stilebene (restringierter vs elaborierter Code). Die Verwendung einer situationsspezifisch adäquaten Sprachschichthöhe ist sozial geregelt.
Man kann sehr genau angeben, was in einer bestimmten Situation ein Übertreten der sozialen Regeln ist; die Verwendung einer situationsspezifischen adäquaten Sprachschichthöhe ist also sozial geregelt. Folgende Sachverhalte können einen Einfluß ausüben:
- Formalität (Offizialität, soziale Ritualisierung);
- Handlungsziel;
- Gesprächsgegenstand;
- soziale Distanz zum Partner (geringere Distanz -> Sprachniveau sinkt);
- Objektbereichsdistanz (verschiedene Sachverhalte können für ein Individuum unterschiedliche Bedeutung haben; auch die Kontaktdichte spielt hier eine Rolle).
Die Wahl der Sprachschicht beim Benennen von Objekten hängt von der Distanz des Sprechers zum Objektbereich ab (Ich-Nähe, z.B. Hobbies). Ein Objektbereich ist eine Menge benennbarer Objekte, die einem Sachverhaltsbereich zugehören; die Objektbereichsdistanz bezieht sich auf die emotional-motivationale Bedeutsamkeit des Sachverhaltsbereichs für die Person.
Beim Spracherwerb erlernt der Mensch auch soziolinguistische Regeln, z.B. die Alternationsregelung, nach der die Auswahl zwischen sprachlichen Alternativen von sozialen Merkmalen abhängt. So sprechen Zweijährige zu ihren Puppen im Baby-Talk. Fünfjährige können ihre Sprache in bezug auf Wortwahl und Dialekt schon an den Kontext anpassen (zuhause vs. im Kindergarten). Die Kinder müssen sich aber schon in der voroperationalen Phase befinden, um in flexibler Weise ihre Wortwahl partnerspezifisch einrichten zu können.
Beim Erlernen solcher Regeln wirken vermutlich Bekräftigung und Bestrafung. Dabei scheint fälschliche Verwendung von Wörtern aus einer zu hohen Sprachschicht weniger stark sanktioniert zu werden als Verwendung von Wörtern aus einer zu niedrigen Sprachschicht. Das Kind sollte also im Zweifelsfall lieber eine zu hohe Sprachschicht verwenden.
Die Verwendung niedriger Sprachschichten signalisiert dem Kommunikationspartner in der Regel soziale Nähe, emotionale Vertrautheit und oft auch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Sie kann aber auch zur Markierung von Statusüberlegenheit dienen. Es liegt die Annahme nahe, daß bei Kindern die verwendete Sprachschichthhöhe mit der konstatierten und/oder intendierten Partnernähe sinkt. Bei geringer Objektbereichsdistanz herrscht große Genauigkeit bei der Befolgung von diaphasischen Alternationsregelungen. Bei großer Objektbereichsdistanz wird im Zweifelsfalle eher eine zu hohe Sprachschicht verwendet. Gegenüber Partneren von großer sozialer Distanz werden Objekte unabhängig von der Objektbereichsdistanz auf einem relativ hohem Sprachschichtniveau benannt.
Bereits im Kindesalter lernt man durch soziale Regelungen, unterschiedlich mit der Sprache umzugehen: bei passender oder witziger Benennung erfolgt Bekräftigung (Erfolg, Anerkennung), bei unanständiger oder unerwünschter Wortwahl erfolgen dagegen Sanktionen (Strafe, Tadel). Falsche diaphasische Wortwahl aus einer zu niedrigen Sprachschicht wird sanktioniert; eine falsche Benennunng in einer hohen Sprachschicht dagegen weniger.
Sprechen im niedrigeren Sprachschichtniveau signalisiert soziale Nähe, Familiarität, Vertrautheit. Es kommt zu Sanktionen, wenn Statusregeln oder Machtverhältnisse nicht beachtet werden. Die diaphasische Wortwahl ergibt sich aus einer Kombination von Partnerdistanz und Objektbereichsdistanz. Die Theorie des Erlernens diaphasischer Alternationsregeln ist noch spekulativer Art.
Wahrscheinlich ist das Lexikon des Individuums in disparate sprachliche Codes bzw. Teilregister (z.B. Standardsprache, Umgangssprache, Jargon, Vulgärsprache, ...)aufgeteilt, zwischen denen gewechselt werden kann (code-switching). Bisher scheint es aber noch nicht möglich, allgemein verwendbare und hinreichend exekutable methodische Regeln für die zuordnung von einzelnen Wörtern zu disparaten Sprachschichten zu fixieren. Hier wird nur davon ausgegangen, daß kompetente Sprecher in der Lage sind, singulären Inhaltswörtern konkordant auf einer entsprechenden Schätzskala einen Wert zuzuordnen. Sprachschichthöhe ist dann die zentrale Tendenz hinreichend konkordanter Einschätzungen von Lexemen auf der genannten Skala durch kompetente Kenner unserer Sprache.
Das Puzzler-Experiment: Die Vp (10 - 13 Jahre alt) hatte ein Puzzle vor sich auf dem Tisch liegen, bei dem noch einige Stücke fehlten. Ein Partner (Kind vs. fremder Erwachsener) hinter einer Trennwand vefügte über diese und die Vp konnt ein fehlendes Stück durch Benennung erhalten. Wenn der Partner ein Erwachsener war, wurden signifikant häufiger Benennungen auf einem höheren Sprachschichtniveau verwendet, als wenn der Partner ein gleichaltriges Kind war.
Das Kontextexperiment: Kinder spielten ein Spiel, bei dem es darum ging, Objekte zu benennen, die der Partner einem von mehreren Objektkontexten zuordnen mußte (richtige Zuordnung -> 1 Punkt). Je eines der Objekte und ein Kontextobjekt gehörten sachlich zusammen (z.B. Klosettschüssel & Installationsgeschäft). Die Kontextobjekte wirkten unterschiedlich emotional provokativ auf die Kinder (Installationsgeschäft vs. Polizeiauto). Davon abhängig benannten die Kinder das Objekt unterschiedlich: War das Objekt einem neutralen Objektkontext zugeordnet, wurde ein signifikant höheres Sprachschichtniveau verwendet, als wenn es zu einem emotional geladenen Objektkontext gehörte. Bei geringer sozialer Partnerdistanz sinkt die Sprachhöhe mit der Verringerung der Objektbereichsdistanz.
Das Quizexperiment: Es wurden 13jährige Jugendliche, die sich für Fußball, nicht aber für Tanzen interessierten (FI-Gruppe), mit 17jährigen Jugendlichen verglichen, die sich für Tanzen, nicht aber für Fußball (TI-Gruppe) interessierten (Variierung der Objektbereichsdistanz). Der Partner im Spiel war entweder ein gleichaltriger Jugendelicher (geringe soziale Partnerdistanz) oder ein fremder Erwachsener (hohe soziale Partnerdistanz). Die Vp hatte 14 Fotos (7 fußballspezifische, 5 tanzspezifische und 2 neutrale Objekte), die sie so benennen sollte, daß der Partner eine entsprechende stilisierte Strichzeichnung identifizieren konnte.
Fußballobjekte wurden von der FI-Gruppe auf einer niedrigeren Sprachschicht benannt als vohn der TI-GRuppe (und umgekehrt). Bei geringer sozialer Partnerdistanz waren diese unterschiede ssehr ausgeprägt; bei hoher sozialer Parnerdistanz nivellierten sie sich. => Sprachschichtniveau von Objektbereichsdistanz abhängig; dieser Effekt schwächt sich unter großer sozialer Distanz ab. Zwischen den 13- und 17jährigen zewigten sich keine systematischen Unterschiede.
Wortwahl: Unterschiedliche Wörter, die das gleiche Konzept bezeichnen (z.B. Bulle/Polizist), klingen unterschiedlich, sie akzentuieren bestimmte Merkmale des benannten Objekts und stellen so Zusatzinformation bereit. Bei der diapasischhen Wortwahl handelt es sich vor allem um eine Variation der lexikalischen Encodierung. Wörter während eines Dialoges werden oft aus der selben Sprachschicht genommen.
Angesichts bestimmer Situationsmerkmale stellt sich der Sprecher auf eine bestimmte Sprachschicht ein und wählt dann, wenn mehrere Synonyme vorliegen, das geeignetste. Man kann aber auch anderherum annehmen, daß der Sprecher mit den unterschiedlichen Wörtern auch etwas anderes meint. Die Situationsmerkmale kodeterminieren die Objektauffassung; die unterschiedlich kognizierten Objekte werden dann verschieden benannt. Außerdem können die Situationsmerkmale den semantischen Input beeinflussen.
Es besteht auch die Möglichkeit, daß Menschen, die bestimmte Codes (z.B. die Standardsprache) nicht gelernt haben, bestimte Komponenten der PB nicht oder mit verminderter Wahrscheinlichkeit selektieren (dann können sie es natürlich auch nicht aussprechen). Diese Sachverhalte können dann auch nicht gemeint sein (da sie nicht Teil der PB sind). ==> Determiniert die Sprrache doch das Denken (WHORF)?
Aufforderungen:
Aufforderunngen müssen nicht direkt als Befehl oder Bitte formuliert werden; man kann sie auch als Frage stellen oder durch eine Feststellung (hier is' kalt) ausdrücken. Die kontextfreie Betrachtung von Äußerungen läßt keine generell zuverlässige Entscheidung darüber zu, ob es sich um eine Aufforderung handelt oder nicht. Aufforderungen kann man dann daran erkennen,
- wenn der Partner sie als Aufforderung verstanden hat und dementsprechend reagiert (Problem: Konzeptualisierung von Mißverständnissen) oder
- wie der Sprecher, nachdem er eine Äußerung von sich gegeben hat, auf die Partnerreaktion reagiert (Aufforderungen sind also solche Äußerungen, bei denen sich der Sprecher anschließend so verhält, als habe er eine Aufforderung manifestiert).
- Arbeitsdefinition: Eine Teilmenge von Äußerungen wird dann als Aufforderung interpretiert, wenn sich der Sprecher bei seiner Sprachproduktion in einem spezifischen mentalen Zustand (Konstellation K mit Merkmalssatz M) befindet.
Um von Aufforderungen sprechen zu können, müssen nach der Sprechakttheorie folgende Konversationsmaximen erfüllt sein:
- Dringlichkeit (S will, daß P die Handlung ausführt);
- Können (S unterstellt P, die Handlung ausführen zu können);
- Bereitschaft (S unterstellt P die Bereitschaft zur Ausführung der Handlung);
- Notwendigkeit (S unterstellt P, daß er die Handlung ohne die Aufforderung nicht ausführen würde);
- Legitimation (S unterstellt P, daß er das Recht zu der Aufforderung hat);
Das Auffordern hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn S tatsächlich will, daß die Handlung ausgeführt wird(primäres Handlungsziel). Das Ziel des Sprechers, daß der Partner diese Handlung ausführen möge, ist sein sekundäres Handlungsziel. Besitzt S die nötige Legitimation und will er ein bestimmtes Ergebnis, kann er P auch auffordern, zur Erreichung seines Wunsches bestimmte Mittel zu verwenden. Durch die Aufforderung gibt der Sprecher auch seine Legitimation zu vestehen.
==> Verbales Auffordern als spezielle Art, den Partner zu Handlungen zu verpflichten.
GORDON & LAKOFF haben drei Arten der Aufforderung herausgestellt:
- Explizite Aufforderung (Stell den Fernseher leiser);
- Frage nach dem Vorliegen partnerseitiger Bedingungen (Kannst du den Fernseher leiser stellen?);
- Aussage des Vorliegens von sprecherseitigen Bedingungen (Ich möchte, daß du den Fernseher leiser stellst).
Es existieren aber noch andere indirekte Varianten (Bei diesem Krach kann ich nicht arbeiten). Aber alle diese Varianten haben etwas mit der Konstellation zu tun, in der sich der Sprecher befindet.
Im einzelnen läüßt sich die KOnstellation K mit dem Merkmalssatz M als eine Implikationsstruktur aus Einzelkomponenten beschreiben:
I) Primäre Zielsetzung:
- Der Sprecher S präferiert eine Ereignis E;
- Der Sprecher unterstellt, daß Non-E vorliegt;
- Demzufolge will der Sprecher E.
II) Sekundäre Zielsetzung:
- S unterstellt, daß sein Partner P die Handlung A ausführen kann;
- S unterstellt, daß sein Partner P die Handlung A ausführen will;
- Demzufolge will S, daß P die Hamdlung ausführt.
III) Mittellegitimation:
- S unterstellt die soziale Regelung (Konvention, Maxime, Norm), die die Verpflichtung von P regelt;
- S unterstellt, daß er die Verpflichterrolle der Regel übernimmt;
- S unterstellt, daß P die Adressatenrolle der Regel übernimmt.
IV) Mittelwahl (Konsequenz):
- Der Sprecher wählt ein geeignetes Mittel zur Zielerreichung mit dem er den Partner zur Handlung verpflichten kann;
- S will P zu der Handlung verpflichten.
--> Man interpretiert eine Äußerung dann als eine Aufforderung, wenn sie eine Verpflichtung des Partners zu einer Handlung ist, die ihrerseits mit den dargestellten Zielsetzungn und Unterstellungen verbunden ist. Diese beschriebene Struktur kann man als einenWissenskomplex - das Aufforderungswissen -, den der Sprecher aktualisiert hat, auffassen, wenn er eine verbale Handlungsaufforderung meint und als Äußerung manifestiert. Dies kann man auch im Rahmen der Schhematheorie darstellen: Sprecher verfügen über ein kognitives, implikativ strukturiertes Aufforderungsschema. Angesichts des ziels und beim Vorliegen einiger situativer Hinweisreize aktualisieren Sprecher dieses Schema, das ihnen dann u.a. zur Situationsinterpretation dient. Es genügt das Vorliegen des Handlungsziels und die Kognition einiger situativer Hinweireize (die als Instanzen von Schemakomponenten aufgefaßt werden können), um das Aufforderungsschema als Ganzes zu aktivieren. Der Sprecher verwendet das Wissen des Aufforderungschemas auch als PB seiner Äußerung.
Verbales Auffordern bedeutet in jedem Fall die verhaltensmäßige Realisierung einer gewollten Verpflichtung des Partners zu einer Handlung. Wenn der Partner das vom Sprecher Gesagte als Aufforderung versteht, so hat er aus dem Gesagten in Annäherung die Struktur des Aufforderungsschemas rekonstruiert.
Der Sprecher verbalisiert nicht, daß er P zur Handlung verpflichten will, sondern er realisiert dieses Verpflichten selbst mit den ihm dafür zur Verfügung stehenden einzelnen sprachlichen Mitteln.
Situationsspezifische Selektion von Aufforderungsvarianten:
Um mit seinen Aufforderungen erfolgreich zu sein, muß der Sprecher erwägen, unter welchen Bedingungen die Handlungsaufforderung zum ziel kommt und er muß eine möglichst zielführende Variante der Handlungsaufforderung wählen. Folgende charakteristische Aufforderungsfehler können dem Sprecher unterlaufen:
- Durch die Art der Aufforderung wird Widerstand provoziert (Reaktanz);
- Wegen der Art des Auffordern versteht der Partner das Gesagte nicht als Aufforderung (tatsächliches Mißverständnis) oder er gibt vor, es nicht verstanden zu haben (vorgebliches Mißverständnis).
Bei Mißverständnissen kann der Sprecher seine Äußerung in anderer Form wiederholen; er kann metakommunizieren; er kann das Mißverständnis als Aggression kognizieren und mit Gegenaggresion reagieren.
Aufforderungsvarianten:
- Wahl der E-Variante, d.h. das primäre Handlungsziel wird angesprochen (Ich möchte mich jetzt konzentrieren.). Hierbei kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, es wird aber kaum Reaktanz hervorgerufen.
- Wahl der I-Variante, d.h. man spricht die Wahl der Mittel an (Stell den Fernseher leiser!). Hier kann es kaum zu Mißverständnissen kommen, aber es wird leicht Reaktanz provoziert.
- Wahl der A-Variante, d.h. das sekundäre Handlungsziel wird angesprochen (Kannst Du mir bitte ein Bier holen?). Mißverstehen wird erschwert und es kommt zu keiner expliziten Verpflichtung; die Reaktion des Partners kann ablehnend sein (ihm bleibt ein Entscheidungsspielraum), aber auf keinen Fall aversiv. Der Sprecher kann ohne sein Gesicht zu verlieren von der Aufforderung abrücken. Diese Variante wird am häufigsten verwendet (Standardaufforderung).
Es gibt aber kein Monopol für dei A-Variante, da die genannten Fehlermöglichkeiten nicht in allen Situationen gleich drohen und da in bestimmten Situationen andere Varianten zielführender sein können. Die den Partner betreffenden Unterstellungen (Bereitschaft, Können) sind für den Sprecher mit variabler subjektiver Unsicherheit belastet und die ihn selbst betreffenden Unterstellungen (Dringlichkeit und Legitimation) beziehen sich auf Sachverhalte von unterschiedlicher Intensität bzw. Bedeutung. Die Variantenwahl (aus den Strukturen primäre und sekundäre Zielsetzung, Mittellegitimation und Mittelwahl) erfolgt danach, ob die Situationsmerkmale (Dringlichkeit, Legitimation, Können und Bereitschaft) für den Sprecher unproblematisch bzw. gravierend oder problematisch bzw. wenig erheblich sind.
Anders gesagt: Sprecher selektieren nach dem pars-pro-toto-Prinzip solche Komponenten als semantischen Input ihrer Aufforderungsäußerung aus der PB, die möglichst nicht mißverstanden werden und die mit höchster Wahrscheinlichkeit vom Partner akzeptiert und befolgt werden (und die möglichst nicht zu einer aversiven Reaktion des Partners führen). Um welche Komponenten der PB es sich dabei handelt, richtet sich danach, wie problematisch bzw. unerheblich vs. unproblematisch bzw. gravierend die vom Sprecher als gegeben unterstellten Situationsaspekte sind:
- I-Varianten werden gewählt, wenn aversive Partnerreaktionen nicht zu befürchten sind und wenn nachdrückliches Auffordern geboten ist, um die Wahrscheinlichkeit der Befolgung der Aufforderung zu erhöhen (also Bereitschaft problematisch und Legitimation gut fundiert).
- A-Varianten fehlt es an Nachdrücklichkeit, aber das Risiko von Mißverständnissen oder Reaktanz ist minimiert. Sie werden verwendet, wenn Mißverständnisse und Reaktanz drohen (Bereitschaft und Legitimation problematisch). Außerdem werden sie verwendet, wenn kein Anlaß besteht, eine andere Variante zu wählen.
- E-Varianten werden in hoch ritualisierten Aufforderungssituationen verwendet, in denen die Bereitschaft sicher ist (z.B. Fahrkarte kaufen). Außerdem treten sie bei besonders starker Dringlichkeit mit gleichzeitig hoher Legitimation uund fragwürdiger Bereitschaft auf.
Die Suche nach der geeigneten Aufforderungsvariante könnte folgendermaßen ablaufen: Der Sprecher hat ein Handlungsziel und muß zu seiner Erreichung den Partner entsprechend auffordern; nach Bereitstellung der PB für Aufforderungen muß die richtige Variante ausgesucht werden, die dann lexikalisch, syntaktisch uund prosodisch encodiert wird; es erfolgt nun eine kognitive Kontrolle der Encodierung und anschließend die phonetische Realisierung; zuletzt wird die erfolgte Äußerung im Lichte der Akzeptierung und Befolgung der Aufforderung durch den Partner bewertet.
Detektiv-Experiment: Im Verlauf des Spiels sollte die Vp vom Partner die Herausgabe einer Pistole verlangen. In der Bedingung der fragwürdigen Bereitschaft brauchte sie dieser selbst. Die Legitimation des Sprechers Variierte: LEG+ (Pistole gehört Sprecher, P hat sie geliehen); LEG? (Pistole gehört P). Gehörte dem Sprecher die Pistole, dominierten E- und I-Varianten; gehörte sie dem Partner, wurden v.a. A-Varianten verwendet. Wurde die Pistole von P nicht benötigt (BER+), wurden in beiden Bedingungen E- und I-Varianten bevorzugt. Alle Ergebnisse waren natürlich icht deterministischer Art.
Film-Experiment: Hier erfolgte keine direkte Aufforderung, sondern die Vp mußte angeben, welche Aufforderung eine Person iin einem Film verwenden würde (Vp sollte bei Drehbuch helfen). Folgende Episoden wurden verwendet:
- Sprecher wird durch P mit Fahrrad belästigt; LEG+ (Verkehrsregeln wurden verletzt) -> es dominieren I- und E-Varianten / LEG? (keine Regelverletzung) -> es dominieren A-Varianten.
- Aufforderung zu einem Gesellschaftsspiel (BER+) -> 90% A-Äußerungen.
- Aufforderung zu Hilfeleistung (BER? & LEG?) -> 80% A-Äußerungen.
- Aufforderung zu Hilfeleistung (LEG? und BER+ oder BER?) -> in beiden Fällen fast 90% A-Aufforderungen
Wie-wahrscheinlich-würdest-du-es-sagen-Experiment: Vp erhielt eine schriftliche Situationsbeschreibung; die subjektive Wahrscheinlichkeit für A-Äußerungen ist unter der Bedingung BER+ wesentlich höher als uunter der Bedingung BER?. Die subjektive Wahrscheinlichkeit für A-Äußerungen ist unter der Bedingung LEG? wesentlich höher als uunter der Bedingung LEG+. Zwischen LEG und BER fand sich keine signifikante Interaktion.
-> Aufforderungen sind Phänomene, die zu ihrer theoretischen Bestimmung eine Bezugnahme auf die Merkmale des Sprechers und eine Bezugnahme auf Merkmale der Verhaltensprodukte bzw. Outputs fordern.
Zusammenfassung:
Zur hinreichend vollständigen theoretischen Rekonstruktion der Sprachproduktion werden mindestens drei Ebenen benötigt:
- Bedeutungskomplexe als Wissensvoraussetzungen;
- Bedeutuungsstrukturen als aktueller, nichtsprachlicher Input der Encodierung;
- beobachtbare Äußerung als sprachliches Resultat der Produktionsvorgänge.
Die Inputselektion aus der PB ist kein Codewechsel oder keine Recodierung; PB und der semantische Input werden in der selben propositionalen Schreibweise beschrieben. Mit der gleichen Äußerungn kann man Unterschiedliches meinen; das gleiche Gemeinte kann man durch verschiedene semantische Inputs ausdrücken. Das hier vorgestellt Modell geht von einem Sprecher/Akteur aus, der sich äußert, weil er Situationen in bestimmter Weise auffaßt und bestimmte Handlungsziele verfolgt. Für die Inputselektion entscheidend sind:
- die PB der Äußerung und
- die kognizierten Situationsmerkmale (Merkmale des Objektkontexts, die kognizierte soziale Distanz zum Partner, die kalkulierte Bereitschaft des Partners, die Handlung auszuführen, ...).
Das sprachliche Encodieren des semantischen Inputs erfolgt durch spezielle Encodierungsprogramme; so entsteht dann zuletzt die beobachtbare Äußerung. Auch auf die Selektion der Reihenfolge des semantischen Inputs sollten die Prinzipien von Information und Instrumentalität angewendet werden: Der Sprecher erreicht sein Ziel in der Regel nur, wenn der Partner das Gemeinte versteht; das Gemeinte ist aber oft nur verständlich, wenn es in einer bestimmten Reihenfolge geäußert wird. Dies gilt z.B. für das Berichten über zeiterstreckte Sachverhalte. Akteure erlernen bestimmte Sequenzierungsmuster für die Äußerung über Sachverhalte als adäquates Mittel zur Situationsbewältigung.
Die Auswahl von Selektionsprogrammen ist durch das jeweilige Handlungsziel und durch die Bereitstellung propositionaler Basen restringiert. Man kann zwar unterschiedliche PB's mittels desselben Selektionsprogramms bearbeiten, doch kann man dieselbe PB nur sehr begrenzt mittels verschiedener Selektionsprogramme kognitiv verarbeiten (wenn man also das selbe meint).
==> Konzeption des Sprachproduzenten als informationsverarbeitendes System, das aus Subsystemen besteht, in dem Prozesse ablaufen, die durch Programme gesteuert werden, bei dem Eingangs- und Ausgangsdaten vorkommen usw.
Geschlechtsspezifische Aspekte der Sprachbenutzung:
Ausspracheunterschiede:
Männer neigen eher dazu, laute auszulassen als Frauen; GFrauen verwenden eher die Standardsprache. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß die Frauen der Standardsprache wegen des höheren Prestiges einen größeren Wert beimessen.
Unterschiede in der grammatischen Form:
Auch hier bevorzugen Frauen eher hochsprachliche Formen; es kommt also zu unterschiedlichen Präferenzen.
Unterschiede im Vokabular bzw. Sprechstil:
Die Verwendung eines bestimmten Vokabulars oder Sprechstils hängt vor allem von der Situation ab. Frauen verwenden weniger Flüche und obszöne Füllwörter, eventuell, weil diese bei ihnen stärker sanktioniert werden. Frauen neigen dazu, mehr Redewendungen zu verwenden. Es existieren bestimmte Adjektive mit speziell weiblichen Konnotatinen (süß).
Verwendung von Codes und Dialekten:
Männer übernehmen eher fremdsprachliche Einflüsse. Frauen, die mehr als eine Fremdsprache beherrschhen, verwenden mehr Fremdwörter als Männer.
Nicht-segmentale Unterschiede:
Frauen sprechen mit höherer Frequenz und Tonhöhenvariabilität. Dies läßt sich schon bei Kindern feststellen, bei denen bezüglich der Sprachproduktion noch keine physiologishen Untzerschiede bestehen; man kann dennoch auch bei Tonvandaufnahmen das Geschlecht des sprechenden Kindes identifizieren.
Frauen verwenden mehr ansteigende Töne; sie sprechen bei Hintergrundgeräuschen lauter; sie verwenden komplexere Sätze und eine "bessere" Grammatik; sie sprechen meist schneller.
Männer bestimmen öfter über das Thema und den Verlauf eines Gesprächs; sie verwenden eher einen aggressiven Sprechstil und unterbrechen öfter. Die Gesprächsthematik unter Männern bzw. unter Frauen unterscheidet sich ebenfalls.
Sprache und soziale Schicht:
Sie Soziolinguistik untersucht die wechselseitige Abhängigkeit von Sprach- und Sozialstruktur; in neuerer Zeit beschäftigt man sich vor allem mit dem Zusammenhang zwischen Sprache und sozialer Schicht (BERNSTEIN).
Vorläufer Bernstein's Theorie:
HUMBOLDT sah einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken; er glaubte, die subjektive Wahrnehmung sei von der Sprache determiniert, wobei Sprache als Ausdruck des Volksgeists verstanden wird. Sprache ist das einzige Mittel zum höheren Denken.
SAPIR ging von einem wechselseitigem Einwirken von Sprache, Denken und Kultur aus, Sprache sei die Gußform des Denkens, die der Erfahrung erst Bedeutung abringt. Der Mensch trägt die Sprache schon in sich und ohne sie wäre selbst die allerprimitivste Zivilisation nicht möglich.
WHORF radikalisierte die These von SAPIR durch das linguistische Relativitätsprinzip: Jedes Denken ist durch die zugrundeliegende Sprache vollständig deteminiert. Daß die modernen Naturwissenschaften eine übereinstimmende Weltansicht haben, ist nach WHORFE darauf zurückzuführen, daß die indogermanischen Sprachen eine gemeinsame Grammatik besitzen.
Der Anthropologe MALINOWSKY formulierte eine eigene Variante des linguistischen Relativitätsprinzips: Er betonte die Kontextgebundenheit primitiver Sprachen; es werden kaum nicht konkret vorhandene Sachverhalte ausgesprochen.
Ältere empirische Evidenzen zu Sprache und Schicht:
BOSSARD stellte anhand von Tischgesprächen schichtspezifische Unterschiede im Gebrauch bildlicher Sprache fest. Die Sprache der Unterschicht erweist sich im Vergleich zu derjenigen der Mittelschicht als bildhafter, aber weniger logisch.
IRWIN und TEMPLIN fanden, daß Unterschicht-Kinder bezüglich der Lautentwicklung und der Artikulationsfähigkeit den Mittelschicht-Kindern nachstehen. Dies ist für den Erwerb eines reichen Wortschatzes sowie syntaktischer Komplexität hinderlich. Sie entwickeln deshalb eine einfache Grammatik und einen nicht-hochsprachlichen Wortschatz.
SCHATZMANN & STRAUSS glauben, daß Vertreter verschiedener Schichten unterschiedliche Kommunikationsstile pflegen. Im Gegensatz zu den Sprechern der Mittelschicht finden sich bei denen der Unterschicht beim Erzählen von Erlebnissen folgende Merkmale:
- Beschränkung auf die eigene Perspektive;
- geringe Fähigkeit, sich in die Rolle des Hörers hineinzuversetzen;
- Denken in partikularistischen und konkreten BBegriffen;
- geringe Textstrukturierung.
BERNSTEIN's Theorie des linguistischen Codes:
Die Grundthese ist, daß der Sprecher der Mittelschicht über einen elaborierten Code verfügt, während die Sprache in der Unterschicht auf den restringierten Code beschränkt ist. Grundsätzlich ist die Sprache der Unterschicht defizitär: sie verhindert komplexes und differenziertes Denken und führt letztlich dazu, daß die Angehörigen der Unterschicht niederen gesellschaftlichen Positionen verhaftet bleiben. Im einzelnen ergeben sich folgende schichtspezifische Unterschiede:
Inhaltstyp vs Strukturtyp:
In der Unterschicht erfolgt eine Wahrnehmung von Inhaltstyp: Die Wahrnehmung ist auf die Inhalte von Objekten gerichtet.
Die Mittelschicht ist dagegen durch den Strukturtyp gekennzeichnet: Die Wahrnehmung ist auf Beziehungen zwischen Objekten gerichtet. Diese Unterscheidung entspricht derjenigen zwischen öffentlicher und formaler Sprache (ältere Begriffe).
Vorstrukturierte vs sich laufend strukturierende Äußerungen:
Die Äußerungen in der Unterschicht sind in hohem Maße vorstrukturiert: es werden häufig Redewendungen und starre Wortfolgen verwendet.
Die Äußerungen in der Mittelschicht strukturieren sich laufend und sie besitzen eine geringe Vorhersagbarkeit.
Restringierter vs elaborierter Code:
Diese beiden Begriffe umfassen das ganze Feld schichtenspezifischen Sprachgebrauchs. Entscheidend ist dabei der Begriff der verbalen Planung. Sie läuft in drei Schritten ab: Orientierung --> Assoziation --> Organisierung. Dieser Prozeß erweist sich bei den Sprechern der Unterschicht als vorstrukturiert, bei denjenigen der Mittelschicht als sich laufend strukturierend (d.h. die möglichen sprachlichen Alternativen werden genützt.
Statusorientierte vs personenorientierte Rollenbeziehungen:
In der Unterschicht erzeugen statusorientierte Rollenbeziehungen einen restringierten Code (normale, rigide Rollenbeziehungen).
Personenorientierte Rollenbeziehungen, in denen ein elaborierter Code entsteht, kennzeichnen die Mittelschicht: Die Rollenbeziehungen werden erst durch Äußerung der jeweiligen verschiedenen Bedürfnissse aufgebaut.
Kollektionscode vs Integrationscode:
Die Chancen eines Kindes, im elaborierten Code zu reden und zu lernen, hängen davon ab, in welchem pädagogischen Code in der Schule gelehrt wird. Bei einem Kollektionscode wird das Wissen in streng voneinander getrennten Unterrichtseinheiten vermittelt; die soziale Ordnung erwächst aus hierarchischen Autoritätsbeziehungen. Mittels eines Integrationscodes soll primär die Einsicht gefördert werden, wie Wissen un Erkenntnisse zustande kommen.
Mechanische vs organische Solidarität:
Diese Begriffe bezeichnen den unterschiedlichen sozialen Ursprung der Sozialisationsagenturen Familie und Schule. In der Unterschicht herrscht mechanische Solidarität: Es leigt ein gemeinsames, hierarchisch ausgerichtetes Normensystem vor; bei den kollektiven Idealen herrscht geringe Individualität.
In der Mittelschicht liegt organische Solidarität vor: Das gemeinsame Normen- und Wertesystem ist nur als lockerer Rahmen vorgegeben. Das Individuum ist flexibel, soziale Positionen sind nach Sachkriterien aufgeteilt.
Empirische Studien BERNSTEIN's:
- Language and Social Class (1969): Angehörige der Arbeiterschicht schneiden im sprachlichen Intelligenztest schlechter ab als Angehörige der Mittelschicht.
- Social Class, linguistic Codes and Grammatical Elements (1962): Bei den Angehörigen der Unterschicht liegen ein geringerer Grad von Subordination durch Nebensätze, eine geringere Zahl von ungewöhnlichen Adjektiven und Adverbien (also wenig individuelle Sprache) und viele Präpositionen lokaler oder temporaler Art (weniger solche, die logische Verhältnisse artikulieren) vor.
- Untersuchung des Sprachverhaltens von Müttern (1965): Mütter aus der Mittelschicht weichen seltener Fragen aus, geben genaue, syntaktisch geordnete Antworten und bevorzugen Erklärungen durch Analogien und Kausal- und Finalerklärungen von Sachverhalten. Mütter aus der Unterschicht dagegen leugnen oft die Berechtigung von Fragen, berufen sich auf die Regelhaftigkeit eines Vorgangs oder auf die elterliche Macht bzw den elterlichen Willen.
Die Folgen von BERNSTEIN's Theorie:
Durch den Glauben an den schichtenspezifischen Code wurden kompensatorische Sprachprogramme für die Unterschicht gestartet; sie sollten für einen besseren Start in die Gesellschaft sorgen, was aber mißlang. Bestenfalls hielt die Wirkung zwei Jahre lang an.
An den Untersuchungen BERNSTEIN's wurden die zu kleinen Stichproben und deren Auswahl (Extremgruppen) kritisiert. Aufgrund der Sprechstile alleine gibt es keine klare Trennung zwischen Mittelschicht und Unterschicht.
Aus den komplexen Denkstrukturen erwächst eine komplexe Sprache. Daraus folgt aber nicht zwingend, daß eiine einfache Denkstruktur auch zu einfacher Sprache führen muß.
Einstellungsänderung durch Kommunikation:
Einstellung:
Eine Einstellung einer Person zu einem Objekt ist seine sozial vermittelte Stellungnahme diesem Objekt gegenüber, durch die in systematischer Weise Prozesse im Bereich des Erkennens, Erlebens und Handelns ausgelöst werden.
Einstellungen umfassen eine kognitive Komponente (Gedanken, Meinungen und Ideen gegenüber dem Objekt), eine affektive Komponente (Gefühle gegenüber dem Objekt) und eine verhaltensmäßige (konative) Komponente (wie man sich gegenüber dem Objekt verhält). Einstellungen können Ökonomie-, Identitäts oder Abwehrfunktionen übernehmen.
Einstellungänderungen:
Der lerntheoretische Ansatz, z.B. das Einstellung-Verstärker-Diskriminations-System nach STAATS, sieht Einstellungsänderungen im Rahmen von Reiz-Reaktions-Verknüpfungen. Die Einstellung zu einem Objekt kann durch klassische/operante Konditionierung von Assoziationen veränert werden.
Aus der Wahrnehmungsforschung stammt die Assimilations-Kontrast-Theorie von SHEFFIELD. Für jede Vp gibt es einen Bereich, in dem Aussagen über ein psychologisches Objekt fallen, die sie akzeptieren können (Akzeptanzbereich), die weder positiv noch negativ bewertet werden können (Indifferenzbereich) und die abgelehnt werden (Ablehnungsbereich). Die Ich-Beteiligung sagt aus, für wie relevant ein Objekt gehalten wird. Die Einstellungsänderung ist dann am größten, wenn die Information von der ursprünglichen Position abweicht, aber noch im Akzeptanzbereich ist. Einstellungsänderung erfolgt in Richtung auf die akzeptierte Information; es kommt so zu einem Assimilations-Effekt. Kontrast tritt dann auf, wenn Informationen aus dem Ablehnungsbereich gegeben werden und eine Einstellungsänderung entgegengesetzt zum Inhalt der Information eintritt.
FESTINGER's kognitive Dissonanztheorie spricht dann von einer Einstellungsänderung, wenn bestimmte kognitive Elemente von einer oder verschiedenen Einstellungen einer Person nicht in Einklang zu gringen sind, also in Dissonanz zueinander stehen. Dissonanz kann durch Änderung der Meinung oder des Verhaltens reduziert werden.
Der attributionstheoretische Ansatz (BEM) beobachtet eine Person in ihren Verhaltensweisen und unterlegt ihnen Einstellungen als Ursache. Sie möchte also das gezeigte Verhalten auf Einstellungen zurückführen. Einstellungsänderungen sind dadurch möglich, daß die Person veranlaßt wird, andere Verhaltensweisen zu zeigen als üblich und somit ihre bisherigen Einstellungen zu modifizieren.
Einstellungsänderung durch Kommunikation:
Nach McGUIRE vollzieht sich die Einstellungsänderung in folgenden Schritten:
- Erregung der Aufmerksamkeit;
- Aufnahme (Verstehen) der Kommunikation;
- Bewertung der Kommunikation an einer gerichteten Aussage und gegebenenfalls Zustimmung;
- Behalten der veränderten Einstellung im Gedächtnis;
- Handlung entsprechend der neuen Einstellung.
Bedingungen von Einstellungsänderung im Kommunikationsprozeß:
Folgende Situationsbedingungen können vorliegen: Suggestions-Situationen; Konformitätssituationen; Kleingruppendiskussionen; Überredungssituationen oder Behandlungssituationen. Die wichtigsten Situationsfaktoren sind die Wahrnehmung und Bewertung des Senders durch den Empfänger, die Wahrnehmung und Verarbeitung der Mitteilung durch den Empfänger und die Beziehung des Empfängers zum Einstellungsobjekt.
Bedingungen des Kommunikators: Folgende Komponenten führen nach KELMAN über unterschiedliche psychologische Prozesse zu Einstellungsänderungen: Glaubwürdigkeit, Attraktivität (Ähnlichkeit, Bekanntheit, Sympathie) und Macht des Kommunikators. Jede der drei Charakteristika beeinflußt den Empfänger über einen spezifischen psychologischen Prozeß. Außerdem können noch drei weitere psychologische Prozesse an der Einstellungsänderung beteiligt sein: Internalisation beruht auf Glaubwürdigkeit des Kommunikators; Identifikation steht eng in Zusammenhang mit der Attraktivität des Sprechers; Nachgiebigkeit ist mit der Macht des Kommunikators verknüpft, es kommt nicht zu dauerhaften Änderungen.
HOVLAND & WEISS ließen ihre Vpn kurze Artikel über 4 Einstellungsobjekte lesen. Einem Teil der Vpn wurde gesagt, daß die Mitteilung von einem glaubwürdigem Sender käme (Fachzeitschrift), für die anderen Vpn wurde die selbe Mitteilung einer weniger glaubwürdigen Quelle zugeschrieben (z.B. einer Illustrierten). Es zeigte sich, daß die selben Argumente wirksamer sind, wenn sie scheinbar von einem positiv bewerteten (glaubwürdigen) Sender kommen.
Bedingungen des Empfängers (Persönlichkeitsmerkmale): Die Erwartungen in einer Kommunikationssituation spielen eine wichtige Rolle; dies bedeutet, daß die Persönlichkeit des Beurteilers eine wichtige Rolle spielt. Das Verständnis der dargebotenen Argumente hängt von Empfängervariablen wie Intelligenz ab. SHERIF & HOVLAND konnten Assimilations- und Kontraseffekte zeigen: Dem eigenen Standpunkt ähnliche Argumente werden so verstanden, als wären sie mit dem eigenen Standpunkt identisch (sie werden assimiliert); einigermaßen verschiedene Meinungen werden andererseits oft als entfernter vom eigenen Standpunkt aufgefaßt, als sie es wirklich sind (Kontrast).
Außerdem scheinen sich Menschen grundsätzlich in uhrer Beeinflußbarkeit zu unterscheiden (JANIS & FIELD)
Bedingungen der Mitteilung: Einer der am häufigsten untersuchten Aspekte der Mitteilung ist die Bezugnahme auf negative Konsequenzen, die bei Nicht-Änderung der Einstellung drohen. Erzeugung von Angst oder Furcht können eine wichtige Rolle spielen (z.B. Rauchen). Manche Autoren fanden einen linearen Zusammenhang zwischen Intensität der erzeugten Angst und der dadurch erzielten Einstellungsänderungn; andere Autoren fanden eine umgekehrt U-förmige Relation. In einer Untersuchung von JANIS & FESHBACH wurde Schülern ein Vortrag über die Auswirkungen mangelnder Zahnhygiene gehalten; Version A war stark angstauslösend, Version B war mäßig angstauslösend und in Version C fehlte das angstauslösende Moment fast ganz. Je stärker die ausgelöste Anst war, bei desto mehr Schülern wurde Besorgnis ausgelöst. Die meisten Verhaltensänderungen (mehr Zähneputzen) nach zwei Monaten waren aber in der Gruppe, bei der die wenigste Angst erzeugt worden war, zu finden.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Reihenfolge, in der die Argumente dargeboten werden (Positionseffekte). Es tritt ein um so stärkerer End-Effekt auf, je größer der zeitliche Abstand zwischen den beiden gegensätzlichen Mitteilungen ist und dieser End-Effekt nimmt mit der Zeit wieder ab. Ein Anfangs-Effekt ist um so eher zu erwarten, je kleiner die zeitliche Distanz zwischen den Mitteilungen ist.
Nach MÜLLER & THOMAS ist die Methode der zweiseitigen - also ausgewogenen - Kommunikation sehr wirkungsvoll, um gegen die Einflüsse nachfolgender Gegenkommunikation zu "impfen". Zweiseitige Mitteilungen sind bei gebildeten Personen wirksamer; bei weniger intelligenten Personen ist es umgekehrt (HOVLAND et al). LUMSDAINE & JANIS zeigten, daß Einstellungsänderung durch zweiseitige Mitteilungen widerstandsfähiger gegenüber späterer Gegenpropaganda ist als Einstellungsänderungen durch einseitige Mitteilungen.
Überzeugung durch aktive Beteiligung:
Aktive Beteiligung bedeutet, daß eine Person veranlaßt wird, in einer Kommunikation das Gesagte als eigene meinung zu vertreten. So wurde z.B. das Rollenspiel in der Erwachsenenerziehung eingeführt: Eine Situation aus dem Leben wird simuliert (bei fest verteilten Rollen).
Der Einfluß des Rollenspiels auf die Annahme von Meinungen (JANIS & KING): Die gebotene Kommunikation wurde konstant gehalten; es wurde die Meinungsänderung bei zwei Gruppen von Vpn untersucht: Die aktiv Beteiligten sollten eine Rolle spielen, in der sie andere überreden sollten; die passive Kontrollgruppe las oder hörte diese Kommunikation nur. Die durch Rollenspiel herbeigeführte aktive Beteiligung förderte die Wirkung der überredenden Kommunikation. Ein diesen Phänomen zugrunde liegender wichtiger Faktor für Größe und Richtung der Wirkung ist die Zufriedenheit mit der eigenen Leistung.
Improvisation und Zufriedenheit (JANIS & KING): Frage war, ob im Rahmen eines Rollenspiels ein vertrauteres Thema mit größerer Ich-Beteiligung einhergeht und welcher Aspekt für die Wirkung der aktiven Beteiligung ausschlaggebend ist. Es zeigte sich, daß die Selbsteinschätzung bzw. Zufriedenheit durch den Schwierigkeitsgrad der zu haltenden Rede beeinflußt wurde; die Fremdeinschätzung beeinflußt ebenfalls die Selbsteinschätzung. Improvisation führt also zu Meinungsänderung. Der Bezug Zufriedenheit <-> Meinungsänderung konnte nicht hergestellt werden, da die Vpn, deren Reden vom Vl günstig beurteilt wurden (Fremdeinschätzung) einen höheren Grad der Zufriedenheit (Selbsteinschätzung) zeigten, aber etwa die gleiche Meinungsänderung zur Folge hatte, wie diejenigen, die nicht günstig beurteilt wurden.
Öffentliches Sprechen und Meinungsänderung (KELMAN): Das Hervorrufen offener Verbalisierung, also Anreizbietung, unterstützt im allgemeinen die Meinungsänderung, wenn das aktive Einstudieren überzeugender Argumente angeregt wird.
Andere Aspekte der Meinungsänderung:
Äußere Belohnungen: Von außen kommende Bestätigungen haben Einfluß auf die Umwandlung äußerer und innerer Konformität. Anerkennung und Gutheißen einer Darbietung fördern das eigene Selbstgefühl. Aufgrund dieser Akzeptanz von außen wird der Sprechende wahrscheinlich selbst glauben, was er sagt, obwohl er vielleicht vorher Vorbehalte hatte.
Auswirkungen der Aufmerksamkeit: Erhöhte Aufmerksamkeit der Zuhörer bewirkt eine höhere Lernfähigkeit von Ihalten. Allein schon die Tatsache, daß man eine Mitteilung anderen vorträgt, impliziert, daß eine Ich-Beteiligung vorhanden ist und somit der Grad der Aufmerksamkeit erhöht wird (scheint aber beim Rollenspiel nicht so wichtig zu sein).
Auswirkungen selektiver Erinnerungen: Lautes Sprechen verbessert die spätere Erinnerung an den gesprochenen Inhalt erheblich. KURTZ & HOVLAND fanden sogar, daß bei Schulkindern die Verbalisierungsmethode der bildhaften Lernmethode überlegen war. Wenn jemand später Argumente aus einer überredenden Kommunikation, an die er sich selektiv erinnert, wiederholt, verstärkt er somit diesen herausgegriffenen Aspekt und kann damit die Kommunikation beeinflussen.
Paralinguistische Aspekte der Komunikation:
Kommunikation:
Kommunikation erfordert die Anpassung von Sender und Empfänger aneinander. Meist übt dabei der Sender mehr Kontrolle aus als der Empfänger, da der Hörer nicht einfach seine Sinnesorgane abschalten kann.
Paralinguistik:
Die Paralinguistik befaßt sich mit der Analyse von vokalen Phänomenen, die die Sprache begleiten, jedoch keine Funktion im phonologischen-linguistischen Code haben. Dazu gehören:
- Stimmqualitäten (Stimmlage, Lautstärke, Rhythmus, Tempo, ..);
- Intonation (melodisches Ablaufmuster bei der Sprachproduktion durch Tonhöhenunterschiede);
- Prosodie (suprasegmentale Bestandteile des lautlichen Ablaufmusters bei der Sprachproduktion wie Akzentuierung, Tonhöhen, Grenzsignale, Pausen, ...);
- Stimmanalyse;
- Vokalisationen wie Gähnen, Lachen, Schreien, Stöhnen, ...;
- Sprechpausen (Länge der Pausen; bestimmt das Sprechtempo);
- Vertauschungen von Phonemen, Silben oder Worten und
- Stottern.
Diese Phänomene fallen in den Bereich der Kommunikation, die WATZKAWICK et al als analoge Kommunikation bezeichnen.
Signalrepertoire:
Das Signalrepertoire läßt sich durch die Ortbarkeit, das Signal-Rausch-Verhältnis und durch die verwendete Modalität (optisch, akustisch oder haptisch) beschreiben. Oft treten Komponenten aus mehreren Kanälen gleichzeitug auf.
Unter einem Display versteht man ein ganzes Bündel von Verhaltensweisen, das einem anderen Tier, meist einem Artgenossen, die Bereitschaft zur Ausführung einer bestimmten Handlung signalisieren soll. Die Neuroethologie geht davon aus, daß die für das Überleben wichtigen Verhaltensweisen angeboren sind; die Kommunikationsmöglichkeiten nehmen mit der Höherentwicklung der Art zu.
Die menschliche Sprache zeichnet sich auch durch ihre Offenheit aus: In ihr können unbeschränkt viele und neue Inhalte ausgedrückt werden.
Funktionen der Kommunikation:
Die Kommunikation dient dazu, die Identität, vor allem die soziale, des Senders zu kennzeichnen. Sie will beim Empfänger oft etwas bewirken, hat also eine Appellfunktion; die konnative Funktion (Aufforderung) kann durch Warnrufe oder Befehle übernommen werden. Schließlich soll auch der innere Zustand des Sprechers mit übermittelt werden. Die durch die Kommunikation ermöglichte Wissensvermittlung ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung jeder Kultur. Die Sprache kann auch eine dialogische Funktion bei der Regulation von Beziehungen, z.B. bei der Bildung von Gruppen, übernehmen.
Nonverbale Kommunikation:
Definition von Kommunikation:
Kommunikation ist eine Form der Informationsübertragung von einem Sender zu einem Empfänger, die unter einem für beide Teile positiven Selektionsdruck entstanden ist. Der Selektionsdruck besteht darin, daß der Sender die Signale so aussenden muß, daß sie vom Empfänger verstanden werden können. Sender und Empfänger müssen also einen Vorteil haben. Das Zustandekommen der Kommunikation ist durch Feedback geregelt. Der Sender hat in einem höherem Maße Kontrolle über die Kommunikation.
Signalrepertoire und Code:
Die physikalischen Eigenschaften der Signale und deren Übertragungsmedien erfordern verschiedene Übertragungskanäle. Dies ist vom jeweiligen Lebensraum abhängig. Signale bestehen aus mehreren Verhaltenskomponenten (= Display = Code).
Kommunikationssysteme:
Verhaltensweisen der Kommunikation sind oft angeboren. Daraus folgt, daß bestimmte stereotypische, spezifizierte Bewegungsmuster entstehen, die die Grundlage für auffällige und leicht wiedererkennbare Signale sind.
In ökonomisch angelegten Kommunikationssystemen führt eine verhältnismäßig geringe Komplexität des Signalmusters mit hoher Wahrscheinlichkeit zur "richtigen" Wirkung.
Im Tierreich findet visuelle, olfaktorische und akustische Kommunikation statt. Die nonverbale Kommunikation des Menschen unterliegt ähnlichen Beschränkungen wie die der Tiere; daraus ergibt sich, daß viele Teile aus tierischen Signalmustern abgeleitet werden können.
Verschiedene Kommunikationssysteme:
Bei der Massenkommunikation findet eine unpersönliche Übermittlung von Nachrichten an ein großes Publikum statt; der Sender gibt Signale ab, ohne den Empfänger zu kennen.
Bei der interaktionalen Kommunikation dagegen herrscht eine wechselseitige Kontingenz; die Kommunikation ist also bidirektional: Der Sender gibt die Signale an einen bestimmten Empfänger ab.
In der direkten Kommunikation spielt nur die unmittelbare Bedeutung des Signalkomplexes eine Rolle.
Metakommunikation findet dann statt, wenn bestimmte Eigenschaften, Zustände und Mitteilungsintentionen des Senders den Inhalt der Botschaft ändern. Ein Kommunikationsverhältnis als solches wird zum Gegenstand eines Informationsaustausches gemacht.
Funktionen der Kommunikation:
- Kennzeichnung der Identität des Senders (wichtig zur richtigen Interpretation der Botschaft und Zuordnung des sozialen Ranges).
- Aufmerksamkeit und Orientierung des Senders.
- Herstellung einer kontingenten Interaktion (Reaktionen des Partners werden beachtet und das eigene Verhalten wird darauf abgestimmt).
- Aufforderung (zum Zeigen bestimmter Verhaltensweisen; konnative Funktion).
- Wissensvermittlung (Übermittlung "kognitiver" Information).
- Regulation von Beziehungen (dialogische Funktion der Regulation der Interaktion).
Entstehung von Kommunikationssystemen:
Geht der Start vom Sender aus, gibt es ein Präsignal und einen Selektionsdruck, der einem Empfänger einen Vorteil verschafft. Geht der Start vom Empfänger aus, wird ein Empfängersystem aus einem anderen Funktionsbereich übernommen und für ein anderes Kommunikationssystem neu verwendet.
Nonverbale Kommunikation im Kontext des kommunikativen Verhaltens des Menschen:
Der Empfänger registriert verschiedene nonverbale Verhaltensweisen: optisch-visuelle (Mimik, Gestik, räumliche Distanz, ...), akustisch-auditive (Sprache und Paralinguistik), chemisch-olfaktorische (Duftstoffe), kinetisch-taktile und thermische. Die nonverbalen Verhaltensweisen können dabei folgende Funktionen übernehmen:
- Information über den Zustand des Senders;
- Information über die Identität des Senders;
- Verdeutlichung der Situation;
- Mitteilungen über Einstellungen dem Empfänger oder Gesprächsgegenstand gegenüber;
- Sprachunterstützung;
- Verdeutlichung der Beziehung Sender - Empfänger;
- Sprachähnlichkeit.
Meinungsbildung aufgrund nonverbaler Kommunikation:
SCHLOSSBERG fand, daß die auf Photos von Schauspielern dargestellten Emotionen durch drei Dimensionen beschrieben werden können:
- angenehem - unangenehm (Freude und Glück vs Angst und Grauen)
- Aktivierung (Zorn, Ekel, Spott vs Langeweile, Trauer, Bewunderung)
- Kontrolle (Überraschung, Entzückung vs Zorn, Verachtung).
Es spricht einiges dafür, daß sowohl die Darstellung von Gefühlen im Gesichtsausdruck wie auch das Ablesen von Gefühlen aus der Mimik angeborene Komponenten enthalten. Diese These wird vor allem durch den Vergleich verschiedener Kulturen gestützt (EKMAN).
Ein höherer Status oder eine andere Form der Überlegenheit oder Macht des Senders drücken sich in einer betont entspannten Körperhaltung aus: Zurücklehnen, seitliche Neigung des Rumpfs, asymmetrische Position der Extremitäten, entspannte Hände.
Aus einer Gruppe von Hinweisreizen, die häufig gemeinsam auftreten, schließt der Empfänger auf eine positive Einstellung des Senders zu ihm: Blickkontakt, physische Nähe, gelegentliche Berührung, vorwärts gelehnte und dem Empfänger zugewandte Körperhaltung.
MEHRABIAN & FERRIS stellten folgende Gleichung zur Eindrucksbildung auf:
Gesamteindruck = 0.07 (Inhalt) + 0.38 (Tonfall) + 0.55 (Mimik).
Kinesik:
Die Kinesik versucht eine wissenschaftliche Untersuchung der Körperbewegungen; die Körpersprache ist das Ziel der Untersuchungen. Hierzu gehören Blickverhalten, Mimik, Gestik, Grobkörperbewegung, Körperkontakt oder Ähnliches.
Körperbewegungen werden dabei als erlerntes kommunikatives System gesehen, das analog der Sprache aufgebaut ist. Alle Mitglieder einer Gesellschaft müssen es beherrschen, um erfolgreich interagieren zu können. Es wird nach Basisbausteinen gesucht (Kineme, z.B. Augenbrauen heben oder Nicken).
Proxemik:
Die Proxemik ist die Wissenschaft von den körperlichen Distanzen, der Raumsprache. Als Beispiele für Distanzzonen nennt man die öffentliche Zone (ca. 4 Meter): Auf diese Distanz sprechen Redner das Publikum an, Personen im öffentlichen Leben begrüßen ihre Anhänger auf diese Entfernung. Im Bereich der sozialen Distanz (ca. 1.20 Meter) findet unpersönliche alltägliche Kommunikation statt. Die perönliche Distanz beträgt 0,5 bis 1 Meter und die intime Distanz ist kleiner als 0,5 Meter.
In einer Untersuchung von FELIPR & SOMMER wurde der persönliche Raum eines Menschen ansichtlich verletzt: Der Experimentator ging in einen Lesesaal und setzte sich zu einer Person, obwohl noch andere Plätze frei waren. Die betroffenen Personen versuchten, wegzurücken; wenn dies nicht möglich war, versuchten sie physikaliche Barrieren aus Büchern o.ä. zu errichten.
FISHER & BYRNE stellten geschlechtsspezifische Unterschiede fest: Sitzt der Eindringling gegenüber, wird die von Männern eher als unangenehm empfunden als von Frauen. Setzt sich der Eindringling neben die Person, errichten Frauen eher Barrieren als Männner.
Objektsprache:
Auch Kleidung und äußerer Habitus sagen etwas darüber aus, wie wir gesehen werden wollen: sie können etwas ausdrücken über unseren Status, unsere Rolle, Einstellung zur Sexualität usw.
Die Benützung bestimmter Statussymbole und die Art, in der man Büro und Wohning einrichtet, sagen ebenfalls etwas darüber aus, wie man sich präsentieren will.
Sprache, Wahrnehmung und Denken:
"Allgemeine Meinung":
Jeder Mensch kann sprechen, ob zivilisiert oder unzivilisiert, und ein jeder hat sein Leben lang eine gewisse Auffassung von Sprechen und seinem Verhältnis zum Denken. Der "gesunde Menschenverstand" bringt uns zu dem Ergebnis, daß Denken nicht von der Grammatik abhängt, sondern von den Gesetzen der Logik und Vernunft, die für alle gleich sind.
Die Argumentation WHORFE's:
Sprache beeinflußt unsere Denkweise; wenn sich die Sprache ändert, ändern sich auch die Denkweise und unser Bewußtsein. So würde z.B. eine menschliche Rasse, die nur die Farbe Blau sehen könnte, nicht in der Lage sein, dies als einen natürlichen Zustand zu sehen; der Terminus Blau hätte für sie keinen Sinn.
Daraus ergibt sich die Frage, wieviel Bewußtsein uns aufgrund unserer mangelnden Sprachweise fehlt bzw inwieweit wir durch unser Sprachsystem in unseren Gedankengängen fehlgeleitet werden.
Nach dem neuen Relativitätsprinzip ist das linguistische System nicht nur ein reproduktives Instrument zum Ausdruck der Gedanken, sondern es formt diese Gedanken selbst (Filterfunktion durch Interpretationsweisen).
Der Sprachaufbau und die Strukturen der verschiedenen Sprachen:
WHORFE unterscheidet zwei große Sprachgruppen. Die Standard Average European (SAE) Sprachen, wie Englich, Deutsch oder Französisch, weisen folgende Merkmale auf:
- Aufbau: mechanische Verknüpfung der einzelnen Wortbestandteile.
- Merkmale: Die Natur wird nicht ihrem Wesen nach beschrieben und interpretiert, d.h. als Ganzes, sondern in ihre verfremdeten Bestandteile zerlegt, die isoliert gesehen werden können.
- Die Logik unterscheidet streng zwischen Substantiv (Täter) und Verb (Tat).
- Es existiert ein imaginärer Plural ("Zehn Tage" ist kein Gegenstand der Erfahrung, da nur ein Tag erfahrbar ist).
- Zyklische Phasen, wie Sommer, Morgen, etc werden wie physische Objekte behandelt und haben Qualitäten in Form von "Zeit".
Die andere große Sprachgruppe umfaßt die polysynthetischen Sprachen, z.B. der Hopi, Shawnee oder Nootha. Sie sind folgendermaßen gekennzeichnet:
- Aufbau: ist vergleichbar einer chemischen Verknüpfung, die harmonische Verbindungen zuläßt.
- Merkmal: Die Natur wird bis auf ein Grundvokabular analysiert, das "vielfältige be-deutende und an-deutende Verbindungen zuläßt."
- Die Situation entscheidet über die Wortbedeutung.
- Es gibt keinen Zeitbegriff in unserem Sinn; für Wörter, die sich auf Zeit beziehen, gibt es keinen Plural (Statt "Fünf Tage" sagen sie "Am fünften Tag").
- Alle Substantive haben ihre eigene Ausprägung und müssen nicht erst individualisiert werden.
- Phasenbegriffe.
Unterschiede in der Denkart:
WHORFE glaubt, daß das, was wir wissenschaftliches Denken nennen, eine spezielle Entwicklung des westlich-indoeuropäischen Sprachtypus ist. Das Denken geschiehht in einer Sprache und ist durch eindeutige Strukturgesetze festgelegt, die dem Denkenden nicht bewußt sind.
Wir sehen und hören und machen unsere Erfahrungen in Abhängigkeit von den Sprachgewöhnheiten unserer Gesellschaft, die und gewisse Interpretationen vorweg nahelegt. Sprache und Kultur entwickeln sich parallel. In den SAE-Sprachen herrscht eine Vorstellung von der Zeit als Reihe; diese fördert die Historizität (Zeitpläne, Routine im Leben, ...). Bei den Hopi gibt es dagegen nur einen Tag, der immer wieder neu erscheint; deshalb muß amn sich jeden Tag auf's neue um ihn bemühen und muß so stetige, langandauernde Vorbereitungen treffen.
FISHMAN's Einteilung der WHORF'schen Thesen:
1) Die Wirkung des Vokabulars auf die Weltsicht: Eskimos verwenden viele verschiedene Begriffe für Schnee; dadurch sollte eine präzisere Kommunikation darüber möglich sein.
2) Die Wirkung des Vokabulars auf nicht-sprachliche Bereiche: BROWN & LENNEBERG zeigten, daß Farben durch ihre Genennungen erinnert werden und daß sie um so besser behalten weredn, je zuverlässiger der Name ist. LENNEBERG & ROBERTS zeigten, daß die Zuni-Indianer, die nur ein Wort für orange und gelb haben, diese Farben öfter verwechseln als englisch sprechende Vpn.
3) Die Wirkung der Grammatik auf die Weltsicht: Die Sprache der Navaho trifft keine für das Englische typische Subjekt-Verb-Objekt-Unterscheidung. Dies soll auf unterschiedliche Ansichten betreffs Aktivitäten und Verhaltenskontrolle hinweisen.
4) Die Wirkung der Grammatik auf nichtsprachliches Verhalten: CARROLL & CASAGRANDE untersuchten Navaho-Kinder, deren Sprache unterschiedliche Verbformen für Objekte von unterschiedlicher Gestalt und Festigkeit verwendet. Es wurde ein Objekt A präsentiert, das einem anderen in der Farbe (B) oder in der Form (C) ähnlich war. Da die Verbformen bezüglich Form unterscheiden, dominierte diese erwartungsgemäß die Klassifizierungen. Der starke Einfluß von Begriffen auf Gedächtnisinhalte konnte auch von CARMICAEL, HOGAN & WALTER demonstriert werden.
Die Wahrnehmung von Farben:
LENNEBERG & ROBERTS fanden, daß bestimmte Indianerstämme, die für bestimmte Farben keine Namen haben, diese Farben in einem Wiedererkennungstest nicht so gut erinnern wie die englisch-sprechenden Vpn.
BERLIN & KAY fanden, daß alle Sprachen ihre grundlegenden Farbennamen aus einer Menge von 11 auswählen. Unabhängig davon, wie viele dieser Grund-Farbennamen eine Kultur verwendet, zeigt sich eine beachtenswerte Übereinstimmung, wenn es darum geht, das beste Beispiel für eine Farbe aus einer Reihe von Farbplättchen herauszusuchen. Sie konnten außerdem zeigen, daß die Farbennamen in einer Sprache immer in einer bestimmten Reihenfolge auftauchen: [schwarz und weiß] - [rot] - [grün und gelb] - [blau] - [braun] - [violett, rosa, orange und grau].
ROSCH stellte zuerst fest, welches die fokalen Farben waren, also die Farben, die am ehesten einem Farbennamen zugeordnet wurden. Sie verglich dann Mitglieder des Stammes der Dani, die nur zwei Farbennamen verwenden, mit U.S.-Vps. Sie kam zu der Folgerung, daß es perzeptuell saliente Farben gibt, die als natürliche Prototypen zum Erlernen der Farbennamen wirken; diese fokalen Farben sind diejenigen, deren Namen während des Spracherwerbs am schnellsten und besten gelernt wird. Wahrscheinlich handelt es sich um "eingebaute" Prototypen, die eher biologisch als umweltbedingt determiniert sind. ROSCH fand auch ähnliche Effekte von natürlichen, wahrnehmungsmäßig salienten Prototypen bei geometrischen Figuren.
Die These CHOMSKY's:
Die Struktur der Sprache läßt Rückschlüsse auf die menschliche Intelligenz und Kultur zu. Das Wissen ist auf biologische Weise strukturiert, da die Wahrnehmung biologisch strrukturiert ist. Die Sprache entwickelt sich wie ein Körperorgan.
Es kommt also zur Hypothese, daß bestimmte Strukturen dem Menschen bereits angeboren sind. Dadurch kann ein Mensch auch aus einer dürftigen Datenbasis ein komplexes Sprachsystem entwickeln; er besitzt gewissermaßen eine kognitive Kompetenz.
Die Grammatik als System von Regeln und Prinzipien kommt in der Interaktion mit verschiedenen anderen kognitiven Bereichen zustande. Die universale Grammatik ist ein spezieller Ausdruck des Wesens der menschlichen Sprache; es existieren bei allen natürlichen Sprachen gewisse Invarianten und nicht-erlernte Teile der Sprache.
Die Theorie von SEEBASS:
SEEBASS untersuchte an Taubstummen, wie sich das Aufwachsen in einer sprachfreien Umgebung auswirkt. Es ist aber schwer, Symptome auf ihre Ursachen zurückzuführen: Denken und Sprache sind neurologische Nachbarn (sie sind angeblich in benachbarten Gehirnregionen repräsentiert); so kann ein Defekt in einem Bereich auch den anderen Bereich betreffen, obwohl keine funktionale Abhängigkeit vorliegt.
Sprache und Gehirn:
Das Gehirn:
Die zwei Hemisphären des Gehirns sind über den Balken verbunden. Bei den sogenannten Split-Brain-Patienten wurde der Balken zur Eindämmung von Epileptischen Anfällen durchtrennt; diese Menschen nehmen mit jeder Hemisphäre getrennt wahr. Daraus ließen sich einige Folgerungen für die Funktionen der beiden Hälften folgern:
- Die lilnke Hälfte ist für sprachliche Leistungen besonders wichtig; nur sie kann sich über Reize zusammenhängend äußern. Außerdem scheint indieser sogenannten dominanten Hälfte das Bewußtsein lokalisiert zu sein. Hier findet die phonologische und syntaktische Analyse statt, das verbale Lernen und Gedächtnis und symbolisches und schlußfolgerndes Denken sind hier zu finden (DIMOND & BEAUMONT).
- Die rechte Hälfte ist eher für räumliche Wahrnehmungen ausgestattet. Nach ZAIDEL ist dort das Lexikon lokalisiert. Nach DIMOND & BEAUMONT sind hier das bildliche Lernen und Gedächtnis ebenso wie das konkrete Denken lokalisiert; hier finden die perzeptuelle Synthese und parallele Verarbeitung statt.
Aphasien:
Unter einer Aphasie versteht man eine zentral bedingte (nicht angeborene) Störung im Umgang mit Sprache, der ein organischer Hirnschaden zugrundeliegt.
Die Broca-Aphasie wird auch motorische oder expressive Aphasie genannnt. Sie ist gekennzeichnet durch verlangsamtes, mit vielen Pausen und großer Anstrengung verbundenes Sprechen. Die produzierten Sätze sind meist kurz und in ihrer synatktischen Struktur verarmt. Es entsteht ein Telegrammstil: Die Sätze sind agrammatisch, werden von Gesetzen der Ökonomie geregelt und in den gesprochenen Sätzen werden alle redundanten Elemente ausgelassen. Der Wortschatz ist in seiner Gesamtheit eingeschränkt. Im Vergleich zu den starken Störungen in der Sprachproduktion ist das Sprachverständnis relativ unbeeinträchtigt; die Kommunikationsfähigkeit ist aber stark eingeschränkt.
Die Wernicke-Aphasie wird auch sensorische oder rezeptive Aphasie genannt. Die Artikulationsfähigkeit ist meist gut, die Äußerungen sind jedoch oft paraphrasischer Natur (Buchstaben, Silben und Wörter werden verwechselt). Es werden oft Neologisen nerwendet; bei der Jargon-Aphasie treten paraphrasische und neologistische Äußerungen so oft auf, daß der Kommunikationspartner die Äußerungen nicht mehr verstehen kann. Der Paragrammatismus ist dadurch gekennzeichnet, daß falsche Endungen und nicht zutreffende Präpositionen und Pronomina verwendet werden; Wörter und Konstituenten werden umgestellt. Das Sprachverständnis und die Kommunikationsfähigkeit sind also stark eingeschränkt.
Amnesische Aphasie nennt man Wortfindungsstörungen bei gut erhaltenem Sprachfluß und intaktem Satzbau. Das Sprachverständnis ist in normalen Gesprächssituationen nur geringfügig beeinträchtigt; es ist also gute Kommunikation möglich.
Globale (oder totale) Aphasie getrifft Sprachproduktion und Sprachverständnis gleichermaßen. Kommunikation wird dadurch nahezu unmöglich.
Aphasieformen nach WEPMAN:
WEPMAN identifiziert die Formen der Aphasie nach der Funktion des sprachlichen Zeichens:
- pragmatische Aphasie (Äußerungen erscheinen unangemessen, desorganisiert und zu Phrasen degeneriert);
- semantische Aphasie (starke Wortfindungsstörungen);
- syntaktische Aphasie (Patienten können vollständige Mitteilungen machen, jedoch nur in unverbundenem, telegraphischen Sprechstil).
WEPMAN glaubt, daß sich die Progression des aphasischen Sprachabbaus spiegelbildlich zu den Etappen des Erwerbs der Sprache in der Kindheit verhält.
Sprachverständnis, Sprachfähigkeit und Spracherwerb:
Nach BAY handelt es sich bei der Aphasie nicht um eine partikulare Störung der verbalen Funktionen, sondern um eine grundlegende Beeinträchtigung der Symbolfähigkeit insgesamt. Die Beobachtung, daß Aphasiker mit ihrer Sprache auch den symbolhaften Gebärdenausdruck verlieren, spricht dafür. In einem Versuch sollten Aphasiker bekannte Gegenstände aus dem Gedächtnis modellieren; sie waren dazu ansatzweise in der Lage, aber es traten dabei charakteristische Verschiebungen auf, die auch in der Sprache zu finden sind.
Nach dem Verarbeitungsmodell von PICK findet das Sprachverständnis auf vier verschiedenen Ebenen statt:
- völliges Fehlen des Sprachverständnisses;
- Perzeption der unverstandenen Wörter und das Nachsprechen derselben;
- fehlendes Wortverständnis bei richtiger Perzeption;
- Sprachverständnis.
Lateralisation und Sprache:
LENNEBERG und BASSER führen an, daß Kinder eher Sprachstörungen davontragen als Erwachsene, wenn sie rechtshirnige Verletzungen erleiden. Die Sprachleistungen scheinen also von beiden Hemisphären gesteuert zu sein.
Nach KRASHEN fällt die Vollendung der Lateralisation mit dem Vorschulstadium zusammen. GESCHWIND et al glauben sogar, daß die Lateralisation schon bei der Geburt festliegt. Man kann deshalb vermuten, daß die Lateralisation nicht nur eine allmähliche Funktionstrennung von rechter und linker Hemisphäre ist, sondern auch in einer fortschreitenden Ausdifferenzierung innerhalb der dominanten Hemisphäre selbst besteht.
Lateralisation und kritische Periode: Beim Menschen arbeiten die beiden Gehirnhälften funktionell verschieden. Für Rechtshänder gilt, daß die linke Hemisphäre auf analytische und die rechte Hemisphäre auf holistische Prozesse spezialisiert ist. In jedem Fall gilt, daß die Sprache ein lokalisierbares biologisches Substrat hat (vor allem in der linken Hälfte: Brocca'sche und Wernike'sche Region). Nach LENNEBERG entsteht diese
Linkslateralisation erst allmählich. Der Beginn und das Ende dieser Hirnreifung sollen die Grenzen bilden, innerhalb derer der Spracherwerb biologisch gesteuert erfolgen kann (kritische Periode). Lenneberg geht davon aus, daß beim kleinen Kind noch vollständige Flexibilität besteht; erleiden Neugeborene oder Säuglinge Schädigungen der linken Hemisphäre, so kann sich Sprache normalerweise mit der rechten Hemisphäre entwickeln. Mit fortschreitendem Alter soll die zerebrale Organisation jedoch ihre Flexibilität verlieren und mit Erreichung der Pubertät fixiert und irreversibel sein.
- Starke These: Eine Sprache (gemeinhin als Muttersprache bezeichnet) kann nach der Pubertät nicht mehr im natürlichen Lernkontext erworben werden.
- Schwache These: Ein normaler Spracherwerb ist nach der Pubertät nicht mehr im natürlichen Lernkontext möglich. Beispiel Genie: Gewisse Sprachfertigkeiten wurden erworben, obwohl erst nach der Pubertät damit begonnen wurde.
MOLFESE et al. fanden, daß schon bei Säuglingen sprachliche Reize links und nichtsprachliche auditive Reize rechts verarbeitet werden. Dieser systematische Effekt veranlaßte die Autoren zu der Folgerung, daß verschiedene Gehirnzonen offensichtlich vorprogrammiert sind, um zu einem sehr frühen Zeitpunkt, wahrscheinlich schon bei oder vor der Geburt, zwischen bestimmten Reizen zu differenzieren. HÖRMANN wertet dies als Beleg für die Existenz des LAD.
LENNEBERG nahm an, daß nach der kritischen Periode, wie sie durch den oberen Grenzwert der Pubertät erreicht wird, die linke Hemisphäre den Spracherwerb und den Erwerb anderer kognitiver Fähigkeiten nicht mehr kontrollieren kann.
Die Biologie der Sprache:
Der Artikulationsapparat: Die Gesichtsmuskeln des Menschen sind relativ gesehen größer, spezialisierter und zahlreicher als die anderer Hominiden; dies gilt insbesondere für die Lippen und die Mundwinkel. Außerdem verfügen Menschen über eine sehr mobile Zunge, die vom Boden des Mundes teilweise losgelöst ist. Dies verbessert die Fähigkeit des Menschen zur Artikulation.
Die Lungen, die Luftröhre und der Schädel können zusammen als eine Art Musikinstrument betrachtet werden. Nachdem die Luft aus der Lunge ausgestoßen wurde, kann ihre Energie an verschiedenen Orten verändert werden. Die Position und Struktur der Zähne, Zunge, Epiglottis und der Stimmbänder bestimmen die Qualität und Vielseitigkeit des menschlichen Artikulationsapparats.
Neurale Strukturen im Cortex: Offensichtlich artspezifisches Verhalten wie Sprache hat keine eigenen neuroanatomischen Korrelate, sondern scheint eine Neuorganisation von Prozessen überall im ZNS zu beinhalten. Klassischerweise wurden zwei Areale des Cortex für den Gebrauch von Sprache verantwortlich gemacht: Das Brocca'sche Sprachzentrum liegt im Frontallappen und ist für die motorische Kontrolle (also die Produktion) der Sprache zuständig. Das Wernicke'sche Sprachzentrum liegt im temporalen und okzipitalen Lappen; es dient der Wahrnehmung und Decodierung der Sprache. Elektrische Stimulation der Sprachzentern bewirkt oft Äußerung einzelner Sprachstücke (Silben o.ä.) oder interferiert mit gerade ablaufender Sprache; dies ist aber nicht immer der Fall.
Aphasie, der Verlust der Sprache, kann aber auch aus der Zerstörung anderer Gebiete als der Brocca'schen Region resultieren (LENNEBERG). PENFIELD & ROBERTS berichten, daß auch viele Operationen der Wernike'schen Region keine Sprachstörungen bewirkten. Die Lokalisation der Sprache im Cortex ist also nicht sehr deutlich.
Subcortikale Strukturen: PENFIELD hat die Existenz eines Zentrums im Hirnstamm vorgeschlagen, das vom Thalamus aus die Sprache koordiniert; er begründet die mit den zu Thalamuskernen absteigenden Bahnen aus den cortikalen Spracharealen und mit der Tatsache, daß Störungen im Thalamus zu permanenten und schweren Störungen der Sprache führen (Störugen des Cortex sind eher vorübergehend).
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