Einführung in die

Pädagogische Psychologie

 

 

 

Exzerpt zu

 

Gage, N.L. & Berliner, D.C. (1986).

Pädagogische Psychologie,

 

4. Auflage. Weinheim und München, Psychologische Verlags Union, Beltz.

 

 

Rainer Zwisler, 1994

 

rainer@zwisler.de


 

 

Inhalt

 

1. Pädagogische Psychologie als Hilfe für den Lehrer *

1. Unterrichtsziele *

2. Schülermerkmale *

3. Die Natur des Lernprozesses *

4. Lehrmethoden *

5. Bewertung des Lernerfolgs *

2. Inhalte und Methoden der Pädagogischen Psychologie *

Konzepte in der Pädagogischen Psychologie *

Prinzipien in der Pädagogischen Psychologie *

Anwendung von Konzepten und Prinzipien: Verstehen, Vorhersage und Kontrolle *

Methoden zur Analyse der Beziehungen von Variablen *

3. Die Formulierung von Unterrichtszielen und ihre Begründung *

Kriterien für die Formulierung von Unterrichtszielen *

Appellative Ziele im pädagogischen Bereich *

4. Verschiedene Arten von Unterrichtszielen und ihr Zusammenhang *

Der kognitive Bereich *

Eine Taxonomie von Lernaufgaben *

5. Definition, Messung und Struktur von Intelligenz *

Die Messung von Intelligenz *

Stabilität und Reliabilität von Intelligenztestwerten *

Struktur von Intelligenz *

Gegenwärtige Praxis der Intelligenzmessung und Zweifel an ihrem Nutzen *

Unterscheidung von Intelligenz und Schulleistung *

Einwände gegen den Einsatz von Intelligenztests in der Schule *

6. Intelligenz: Vererbung, Umwelteinflüsse und gruppenspezifische Unterschiede *

Vererbung und Umwelt *

Ethnisch bedingte Intelligenzunterschiede *

Schichtspezifische Unterschiede und Stadt-Land-Gefälle *

Ursachen für gruppenspezifische Intelligenzunterschiede *

Elternhaus und Intelligenz *

Kann die Schule Intelligenz steigern? *

Ansätze zur Steigerung von Intelligenz *

7. Die Entwicklung von kognitiven Funktionen und von Sprache *

Piagets Modell *

1. Die sensomotorische Stufe (1-2 Jahre) *

2. Die präoperationale Stufe (3-5 Jahre) *

2a. Die intuitive Phase (5-8 Jahre) *

3. Die Stufe der konkreten Operationen (8-12 Jahre) *

4. Die Stufe der formalen Operationen (11-14 Jahre) *

Kritik an Piagets Modell *

Bruners Theorie der kognitiven Entwicklung *

Implikationen der Theorien Piagets und Bruners für den Unterricht *

Die Sprachentwicklung *

Die Funktion des Lehrers bei der Sprachentwicklung *

8. Die Entwicklung der Persönlichkeit *

Persönlichkeit und Eigenschaften *

Ehrlichkeit *

Kreativität *

Selbstbild *

Angst *

Der Lehrer und die Eigenschaftstheorie *

9. Die Entwicklung von Geschlechts-Unterschieden *

Intelligenzunterschiede *

Persönlichkeitsunterschiede *

Androgynie *

Die Entwicklung von Geschlechtsrollen in Familie und Schule *

10. Ausnahmekinder und Sonderpädagogik - Förderung der Hochbegabten *

Der behinderte Schüler *

Kategorisierung der Behinderungsarten *

Hochbegabung *

Aptitude-Treatment Interaction (ATI) *

11. Definition von Lernen und verschiedene Lernformen *

Definition von Lernen *

Respondentes Lernen (Klassisches Konditionieren) *

Kontiguitätslernen (Verknüpfungslernen) *

Operantes Lernen (Lernen durch Verstärkung) *

Beobachtungslernen *

Kognitives Lernen *

12. Operantes Konditionieren: praktische Anwendungsmöglichkeiten *

Verstärkung *

Stimuluskontrolle *

Die Eliminierung von unerwünschtem Verhalten *

Ethische Probleme *

13. Die kognitive Verarbeitung von Informationen *

Informationsaufnahme und -verarbeitung *

Kurzzeitgedächtnis und Vergessen *

Langzeitgedächtnis *

Aktives Lernen *

Sinnerzeugendes Lernen *

14. Soziale Lerntheorie *

Beobachtungslernen: *

Selbststeuerung des Verhaltens *

15. Verbesserung des Lerntransfers *

Heutige Sichtweisen *

Transfer im Unterricht *

16. Der Einfluß der Motivation auf das Lernen *

Motivation und Schulleistung *

Motivationsformen *

17. Persönlichkeitsfaktoren und Motivation *

Messung der Motivstärke *

Beziehung zwischen Leistungsbedürfnis und tatsächlicher Leistung *

Hoffnung auf Erfolg (ME) und Furcht vor Mißerfolg (MMV) *

Kausale Zuschreibungen von Erfolg und Mißerfolg *

Ort der Steuerung *

Andere Motive *

18. Umweltfaktoren und Motivation *

Intrinsische und extrinsische Motivation *

Operantes Konditionieren und Motivation *

Motivierungssysteme *

Motivierungstechniken im Unterricht *

19. Frontalunterricht: Unterrichtsvortrag und erklärende Darstellung *

Lehrmethoden allgemein *

Vor- und Nachteile des Frontalunterrichts *

Vorbereitung des Vortrags *

Die Einleitung des Vortrags *

Der Hauptteil des Vortrags *

Weitere Techniken zur Darstellung des logischen Aufbaus: *

Der Schlußteil des Vortrags *

20. Unterricht in kleinen Gruppen *

Ziele des Unterrichts in kleinen Gruppen *

Die Diskussion im Unterricht: Vorbereitung *

Themenwahl *

Erstellung einer gemeinsamen Grundlage *

Präzisierung der Ziele für eine Diskussion *

Sitzordnung und Kommunikationsstruktur *

Die Diskussion im Unterricht: Durchführung *

Die Rolle des Lehrers *

Die Rolle des Schülers *

Die Diskussionsleitung *

Die Diskussion im Unterricht: Nachbereitung *

Intellektuelle Gefahren *

Sozialemotionale Gefahren *

Andere Kleingruppenmethoden *

Rollenspiel *

Kooperatives Lernen *

21. Individueller Unterricht *

Ziele des individuellen Unterrichts *

Lerngewohnheiten *

Selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen *

Der Keller-Plan und seine Varianten *

Zielerreichendes Lernen (Mastery Learning) *

Lernverhaltensverträge in der Primarstufe *

Einzelbetreuung *

Programmierter Unterricht *

Computer im Unterricht *

22. Offene und humanistische Ansätze im Unterricht *

Ziele der humanistischen Ansätze *

Prinzipien der humanistischen Erziehung *

Unterrichtsfunktionen und Methoden *

Offener Unterricht *

Affektiver Unterricht *

Analyse und Bewertung des offenen Unterrichts *

23. Der Unterricht in der Klasse: Planung und Organisation *

Ziele des Unterrichts in der Klasse *

Unterrichtsphasen mit und ohne Interaktionen *

Wie Lehrer ihren Unterricht planen *

Planungsstrategien für Disziplin und Unterrichtsorganisation *

Planungsstrategien zur Vorurteilskontrolle *

Planungsstrategien für Variabilität und Flexibilität *

24. Der Unterricht in der Klasse: Stillarbeit und Unterrichtsgespräch *

Die Stillarbeit *

Das Unterrichtsgespräch *

Strukturierungsverhalten des Lehrers *

Aufforderungsverhalten des Lehrers *

Reaktionsverhalten des Lehrers *

25. Grundlegende Konzepte der Messung und Bewertung *

Messen *

Reliabilität *

Validität *

Bewerten *

26. Der Lehrer und standardisierte Tests *

Vorteile und Anwendungsbereiche standardisierter Tests *

Typen der in der Schule verwendeten standardisierten Tests *

Die Auswahl standardisierter Tests *

Die Durchführung standardisierter Tests *

Die Interpretation standardisierter Tests *

27. Vom Lehrer selbst erstellte Tests *

Die Festlegung der Leistungsarten *

Die Entscheidung über die Art der Testfragen *

Aufsatzfragen *

Freie Fragen gegenüber gebundenen Fragen mit kurzer Antwort *

Die Formulierung von Testfragen *

Die Formulierung und Benotung von Aufsatzfragen *

Die Formulierung von Mehrfachwahlfragen *

Typen von Mehrfachwahlfragen *

Itemanalyse *

Die Zweckbestimmung von Leistungstests *

28. Noten und Zeugnisse *

Wozu Schüler bewerten? *

Die üblichen Fragen zum Testen und Benoten *

Bewertungsunterlagen *

Bezugsrahmen für Mitteilungssysteme *

Verschiedene Arten von Mitteilungssystemen *

 

 

 

 

1. Pädagogische Psychologie als Hilfe für den Lehrer

Die meisten Schüler hatten bis zu 100 Lehrer; nur 5 bis 10 % davon werden als wirklich gut bezeichnet. Die pädagogische Psychologie, als Grundlagendisziplin der Pädagogik, befaßt sich damit, was solche "guten" Lehrer auszeichnet. Der Lehrer muß die Erkenntnisse der pädagogischen Psychologie verbinden mit allgemeinen Wertfragen, soziologischen Überlegungen und seinem Wissen über politische Zusammenhänge, wenn er diese Erkenntnisse anwenden will. Pädagogische Psychologie umfaßt folgende Bereiche:

Einflüsse des Lernens in Familie, Geschäftswesen und Industrie;

Schulverwaltung, Curriculumentwicklung und Erziehungsberatung;

Lehr- und Lernprozesse im Schulunterricht.

Dabei lassen sich fünf Problemfelder unterscheiden:

1. Unterrichtsziele

Die Unterrichtsziele sollen zweierlei aussagen: welche Fähigkeit von den Schülern erreicht werden soll und was die Schüler voraussichtlich tun werden, wenn man sie in bestimmte Situationen stellt. Es wurden Klassifikationsschemata für die Unterrichtsziele entwickelt.

2. Schülermerkmale

Die Pädagogische Psychologie bietet Überlegungen und Methoden an, die es gestatten, die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Schüler zu berücksichtigen. Das Ausmaß, in dem verschiedene Eigenschaften in Verbindung miteinander auftreten (also korrellieren), bildet eine wichtige Leitlinie für die Erwartungen des Lehrers an die Schüler. Die Pädagogische Psychologie kann zu einem besseren Verständnis der individuellen Merkmale von Schülern beitragen und sie behandelt die Fragenkomplexe, wie Eigenschaften von Schülern festgestellt und nach ihrer Zusammengehörigkeit gruppiert werden können, inwieweit sie festgelegt oder veränderbar sind, und wie Lernprozesse durch sie beeinflußt werden.

3. Die Natur des Lernprozesses

Die verschiedenen psychologischen Lerntheorien machen Aussagen zur Natur des Lernprozesses; ein bekanntes Beispiel ist die Theorie vom operanten Konditionieren. Auch das Motivationskonzept muß bei der Betrachtung des Lernprozesses berücksichtigt werden.

4. Lehrmethoden

Lehrmethoden sind Verfahren, mit denen Schülern geholfen werden kann, von vorhandenen Verhaltensweisen zu solchen zu gelangen, die dem jeweiligen Unterrichtsziel entsprechen. Beispiele sind Gruppendiskussion, Vortrag oder selbstständiges Lernen, aber auch z.B. der programmierte Unterricht.

5. Bewertung des Lernerfolgs

Eine Bewertung des Lernerfolgs ist am genauesten, wenn bereits vor Beginn des Unterrichts eine Bewertung vorgenommen wurde, so daß das Ausgangsniveau abgeschätzt werden kann. Die Pädagogische Psychologie gibt Hinweise dazu, wie Bewertungen vor, während und nach dem Unterricht eingesetzt werden können und wie diese Erkenntnis nutzbringend angewandt werden kann. Bei den verwendeten Tests kann es sich um vom Lehrer selbst erstellte oder um standardisierte Tests handeln. Eine zentrale Frage bei der Bewertung ist, ob die Schüler untereinander verglichen werden sollen oder ob geprüft werden soll, wie gut ein Lernziel erreicht wurde.

2. Inhalte und Methoden der Pädagogischen Psychologie

CONANT (1963) betrachtet die Pädagogische Psychologie als eine Wissenschaft, die sich überwiegend Common-Sense-Verallgemeinerungen über die menschliche Natur zu eigen macht. Solche zum Teil sehr begrenzten und unsystematischen Verallgemeinerungen sind das alltäglich gebrauchte Handwerkzeug der "normalen" Leute. Solche Verallgemeinerungen auf der Basis des gesunden Menschenverstandes müssen aber sorgfältig empirisch belegt werden, denn sie können im völligen Gegensatz zu dem stehen, was Vertreter der Pädagogischen Psychologie tatsächlich herausgefunden haben.

BARATZ (1963) legte Studienanfänger die Ergebnisse von 16 sozialwissenschaftlichen Untersuchungen vor; die Hälfte war jeweils falsch. Einer zweiten Gruppe von VPn wurden die umgekehrten Aussagen vorgelegt. Aufgabe der VPn war es, anzugeben, ob sie das Ergebnis vorhergesagt hätten. Es zeigte sich, daß bei beiden Gruppen den meisten Aussagen zugestimmt wurde. Diese Resultate zeigen eindeutig, daß ein Ergebnis, das schwarz auf weiß vorliegt, als selbstverständlich angesehen wird. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, welches Ergebnis vorgelegt wurde: Die Testpersonen glaubten mehrheitlich, sie hätten es vorhersagen können.

Konzepte in der Pädagogischen Psychologie

Konzepte können die Gestalt von Variablen annehmen, die sich auf Veränderungen und Unterschiede entweder von Individuen oder von Ereignissen beziehen. Was wir mit dem Begriff Konzept meinen, ist teilweise eine Angelegenheit der Definition und teilweise der Methoden, mit denen wir die Konzepte untersuchen oder mit denen wir die korrespondierenden Variablen messen.

Qualitative Forschung versucht Ergebnisse zu beschreiben und bestimmten Kategorien zuzuordnen; quantitative Forschung will bestimmte Ereignismerkmale messen. Die Untersuchung einer einzige Klasse (Einzelfallstudien) kann zwar die Möglichkeit eines Ereignisses oder einer Beziehung demonstrieren; zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit müssen aber mehrere Situationen betrachtet werden und die Variablen quantitativ behandelt werden.

Die Pädagogische Psychologie beschäftigt sich vor allem mit veränderbaren Variablen; aber auch die Untersuchung von unveränderbaren Variablen kann dabei helfen, den Unterricht besser zu verstehen.

Prinzipien in der Pädagogischen Psychologie

Prinzipien betreffen die Beziehungen zwischen Variablen; wenn ein Prinzip sehr gut bestätigt ist und in zahlreichen Befunden fest verankert ist, spricht man auch von einem Gesetz. Eine empirische Wissenschaft wie die Pädagogische Psychologie akzeptiert eine Beziehung nur dann als Prinzip oder als Gesetz, wenn sie mit Erfahrungstatsachen in Einklang steht, die durch systematisch gesammelte Daten belegt sind.

Anwendung von Konzepten und Prinzipien: Verstehen, Vorhersage und Kontrolle

Verstehen heißt, sich Rechenschaft über die logischen Beziehungen zwischen Variablen zu geben. Wesentlich ist die logische Beziehung.

Vorhersagen heißt, auf der Basis des gegebenen Wertes einer Variablen eine statistisch signifikant überzufällige Voraussage über den Wert einer anderen Variable zu geben. Die Beziehung zwischen diesen Variablen muß weder logisch erscheinen noch einen Kausalzusammenhang widerspiegeln. Beispiel wäre ein Test, der die zukünftige Uni-Leistung vorhersagen soll. Wesentlich ist die zeitliche Beziehung.

Kontrollieren heißt, eine unabhängige Variable so zu manipulieren, daß gewünschte Werte einer abhängigen Variable hervorgebracht werden. Die Kontrolle durch Manipulation einer Variablen bewirkt, daß sich die andere Variable, sei sie nun kausal oder funktional abhängig, ändert. Ein Effekt eines Unterrichtsexperiments kann aber nicht nur auf die verwendete Lehrmethode zurückzuführen sein, sondern auch alleine auf die Tatsache, daß ein Experiment durchgeführt wurde (Hawthorne-Effekt). Wesentlich ist die kausale bzw. funktionale Beziehung.

Methoden zur Analyse der Beziehungen von Variablen

Eine korrelative Beziehung zwischen A und B kann folgende Ursachen haben:

A verursacht B;

B verursacht A;

A und B verursachen sich gegenseitig;

C verursacht A und B;

C verursacht A, D verursacht B, und E verursacht C und D.

Eine kausale Beziehung liegt dann vor, wenn die Veränderung einer Variablen die Veränderung einer anderen Variable bewirkt; der beste Weg, dies festzustellen, besteht in der Durchführung eines Experiments: Die unabhängige Variable wird manipuliert und es wird der daraus resultierende Effekt auf die abhängige Variable gemessen. Wichtig ist die Verwendung einer randomisierten Stichprobe.

Die Unterscheidung zwischen kausalen oder nur korrelativen Beziehungen kann in der Praxis sehr wichtig sein, wie sich z.B. an der Diskussion des Zusammenhangs zwischen Rauchen und Lungenkrebs zeigt.

3. Die Formulierung von Unterrichtszielen und ihre Begründung

Für die Formulierung von Unterrichtszielen lassen sich folgende Gründe aufführen:

Grundlage der Erstellung von Leistungstests;

GAGNE (1964) zeigte, daß Techniker um so bessere Arbeit leisten, je klarer die Ziele formuliert waren;

Unterrichtsziele als Endverhalten im programmierten Unterricht;

Ohne Formulierung der Unterrichtsziele wird oft die (praktische) Relevanz des Unterrichtsstoffes außer Acht gelassen;

Orientierungs- und Strukturierungshilfe für den Schüler.

Kriterien für die Formulierung von Unterrichtszielen

Die Unterrichtsziele sollen klar und präzise formuliert werden; am besten in Form von beobachtbaren Verhaltensweisen der Schüler. Ein Unterrichtsziel ist somit das gewünschte Ergebnis einer Tätigkeit. Bei der präzisen Formulierung müssen folgende Punkte beachtet werden:

Es müssen nähere Angaben über die Rahmenbedingungen gemacht werden, unter deren Einfluß man das gewünschte Verhalten erwartet (z.B. die Verwendung/Benutzung von Hilfsmitteln oder das vorgegebene Ausgangsmaterial).

Auch das Erfolgskriterium für das Erreichen des Ziels muß deutlich genannt werden (wieviele Aufgaben von welchem Typ sollen in welchem Zeitraum gelöst werden können). Auf jeden Fall sollte ein unterstes Kriterium für die akzeptierte Leistung festgelegt werden.

Manche Pädagogen sehen in eher vage formulierten Unterrichtszielen einen Vorteil, da die Schüler dann eher eigene Mittel zur Erreichung einsetzen; es soll also kreatives Verhalten gefördert werden. Der Lehrer soll deshalb eine vernünftig eingegrenzte Anzahl von Grobzielen für eine Unterrichtseinheit formulieren (etwa 8 bis 12), die als Leitlinie für die Planung der einzelnen Unterrichtsschritte dienen sollen.

Die Unterrichtsziele können in einer Verhaltens-Inhalts-Matrix formuliert werden: Die senkrechten Spalten beziehen sich auf die Verhaltensweisen (z.B. erinnern, anwenden, interpretieren und beurteilen); die waagerechten Zeilen beziehen sich auf Inhaltskategorien (z.B. Geschichtsperioden, politische Kategorien, Themen aus den Naturwissenschaften usw.). So läßt sich auch leicht ein repräsentativer Test für das erworbene Wissen erstellen, indem zu jeder Zelle der Verhaltens-Inhalts-Matrix eine vorher festgelegte Anzahl von Aufgaben gestellt wird. Die Verhaltens-Inhalts-Matrix kann außerdem als Leitfaden für den Unterrichtsablauf, für die Lernaktivitäten der Schüler und für die anschließende Leistungsbewertung eingesetzt werden.

Folgende Argumente wurden gegen die Erstellung der Unterrichtsziele auf einer verhaltensbezogenen Ebene geltend gemacht:

Gute Lehrer verwenden keine verhaltensbezogenen Lernziele im Unterricht (sie könnten aber noch bessere Lehrer sein, wenn sie es täten).

Nur triviale Ziele können durch Verhaltensbegriffe erfaßt werden (mit etwas Einfallsreichtum lassen sich aber auch wichtige Unterrichtsziele, wie Einsicht in den Wert eines Konzepts, in Verhaltensbegriffen ausdrücken),

Bestimmte Unterrichtsfächer und Stoffgebiete sind für verhaltensbezogene Lernzielformulierungen unzugänglich (in der Praxis werden dann aber doch häufig solche verhaltensbezogenen Kriterien verwendet).

Verhaltensbezogene Unterrichtsziele sind menschenunwürdig und mechanistisch (es ist aber dennoch menschenwürdiger, den Schülern zu sagen, was sie lernen sollen).

Unvorhergesehene Unterrichtsergebnisse sind unter Umständen die wichtigsten (auch unvorhergesehene Ergebnisse sollen in den Unterricht integriert werden; aber dennoch sollten bestimmte Ziele aufgestellt werden).

Appellative Ziele im pädagogischen Bereich

Appellative Ziele beschreiben eine pädagogische Begegnung (z.B. eine Situation, in der Kinder etwas tun sollen), ein Problem, das bewältigt werden soll, oder eine Aktivität, an der sie sich beteiligen sollen. Der Aufforderungscharakter des Ziels legt aber noch nicht fest, was die Schüler aus einer solchen Begegnung lernen sollen. Es wird nur die Aufforderung vermittelt, etwas zu entdecken, anzupacken oder zu versuchen. Beispiele für ein solches schwer planbares Verhalten sind die Aufforderungen, eine Blockhütte zu bauen oder einen Limerick auf englisch zu schreiben.

Von folgenden Faktoren hängt es unter anderem ab, ob Unterrichtsziele in Hinblick auf eine Leistungserhöhung bzw. Zufallslernen effektiv sind:

Bewußtsein für und Interesse an den formulierten Zielen bei den Schülern;

Eindeutigkeitsgrad, Schwierigkeit und Anzahl der Ziele;

Integration (Einfügemodus) in das Unterrichtsmaterial;

Einfügungen am Ende des Materials sind sowohl für direktes als auch für zufälliges Lernen effektiver;

Häufigkeit, mit der solche Einfügungen auftreten.

4. Verschiedene Arten von Unterrichtszielen und ihr Zusammenhang

Grundsätzlich lassen sich folgende Arten von Lernzielen unterscheiden, die allerdings immer zusammen auftreten, wenn auch unterschiedliche Komponenten im Vordergrund stehen:

Kognitive Lernziele handeln von Prozessen wie Wissen, Wahrnehmen, Erkennen, Denken, Auffassen, Begründen und Beurteilen.

Affektive Lernziele haben etwas mit Gefühl, Wertschätzung, Einstellung, Anerkennung oder Emotion zu tun.

Psychomotorische Lernziele handeln von Bewegungsfertigkeiten (z.B. Maschineschreiben, Musikinstrument spielen oder tanzen).

Der kognitive Bereich

Der wichtigste Bereich der Lernziele ist der kognitive. Dabei lassen sich 6 Ebenen unterscheiden, wobei heute oft noch zu viel Wert auf die reinen Wissensziele gelegt wird, ohne sich auf die höheren Ebenen zu konzentrieren. Wissen, Verständnis, Anwendung und Analyse bilden dabei eine Ordnung, d.h. sie hängen jeweils von der Erfüllung der vorangegangenen Ebenen ab.

Wissen: Die Fähigkeit, Vorstellungen, Tatsachen usw. zu erinnern, sie aus dem Gedächtnis zu reproduzieren, sie in einer anderen Situation wieder zu erkennnen usw.

Verständnis: Die Fähigkeit, das, was kommunikativ vermittelt wird, aufzunehmen und zu verarbeiten, ohne es notwendigerweise auf andere Bereiche zu übertragen oder ohne seine Implikationen zu erkennen.

Anwendung: Die Fähigkeit, in festgelegten konkreten Situationen Abstraktionen, Regeln, Prinzipien, Ideen oder Methoden anzuwenden.

Analyse: Die Fähigkeit, eine Mitteilung in ihre konstituierenden Bestandteile aufzugliedern.

Synthese: Die Fähigkeit, mit Bausteinen, Elementen, Teilen usw. umzugehen und sie so zusammen zu fügen, daß ein Ganzes geformt oder eine neue Struktur gebildet wird.

Beurteilung: Die Fähigkeit, quantitative und qualitative Urteile abzugeben über das Ausmaß, in dem Materialien und Methoden bestimmte Kriterien erfüllen.

Eine Taxonomie von Lernaufgaben

Von GAGNE (1977) wurde eine Hierarchie von sieben Lerntypen aufgestellt, die von einfachem bis sehr komplexem Lernen reicht:

Signallernen (allgemeine emotionale Reaktionen auf einen Stimulus werden gelernt);

Reizreaktionslernen (auf bestimmte Reize wird mit spezifischen muskulären Bewegungen reagiert);

Chaining (Lernen durch Verkettung von S-R-Verbindungen);

Lernen durch verbale Assoziation (Verkettung von verbalem Material);

Unterscheidungslernen (Gruppen von Stimuli können unterschiedliche Reaktionen hervorrufen);

Konzepzuelles Lernen (verschiedene konkrete Objekte oder Ereignisse können unter einem abstraktem Begriff zusammengefaßt werden);

Regellernen (auf bestimmte klassifizierbare Reizsituationen wird mit bestimmten klassifizierten Regeln geantwortet).

Auf jeder der dargestellten Stufen können bestimmte Begriffe Voraussetzungen für andere Begriffe sein bzw. können bestimmte Regeln Voraussetzungen für andere Regeln sein. Manche Lernziele sind dabei Vorbedingungen für andere; unterschiedliche Lernbereiche können auch einen unterschiedlichen hierarchischen Aufbau von Lernzielen haben. So läßt sich beispielsweise der Erwerb bestimmter mathematischer Regeln als eine Sequenz von Lernschritten in hierarchischer Form darstellen (zuerst Ziffern lernen, dann Zahlen (= Verketttung von Ziffern), dann Verbalassoziationen (=Bestimmung gedruckter Zahlen), dann Diskriminationen, dann müssen Konnzepte wie Addieren, Menge usw. erworben werden und schließlich können die Rechenregeln erlernt werden).

Der Lehrer kann seine Unterrichtsziele dabei so in ihrer Abfolge strukturieren, daß den Schülern das Lernen leichter fällt. Beim strukturierten Lernen werden die einzelnen Teilschritte von Lernaufgaben auch als Ganzes gesehen und dadurch wird eher ein Verständnis ihres Zusammenhanges erworben. Die Lehrer sollten deshalb ihren Schülern dabei helfen, Lernmaterial in strukturierter Form zu erfassen und zu verarbeiten; dadurch wird nicht nur eine größere Ökonomie (nach BRUNER Fähigkeit, einen Wissensbereich mit nur weniger Information darzustellen) von Wissen erreicht, sondern auch der potentielle Anwendungsbereich ("Macht") vergrößert.

Das Wissen kann nach BRUNER in drei Erscheinungsformen auftreten:

enaktiv (Wissen aus handelndem Ursprung);

ikonisch (Wissen aus anschaulicher, gegenständlicher Erfahrung);

symbolisch (Wissen aus Begriffen und Symbolen ihrer Klassifikation).

5. Definition, Messung und Struktur von Intelligenz

James McKeen CATTELLL versuchte Intelligenz anhand folgender Indikatoren zu messen: Dynamometerdruck; Geschwindigkeit der Handbewegung; Unterschiedsschwellen der Sinneswahrnehmung; Schmerzempfindlichkeitsschwelle; Reaktionszeiten usw. Henri SIMON und Alfred BINET versuchten, durch Versuch und Irrtum Items zu finden, die zwischen von ihren Lehrern als intelligent beurteilten und als dumm beurteilten Schülern unterschieden. Intelligenz war deshalb vor allem das, was Intelligenztests messen.

Die Tests wurden anstelle des Lehrerurteils verwendet, da bei der Beurteilung durch den Lehrer (ob ein Kind zur Teilnahme am normalen Unterricht geeignet sei) möglicherweise Faktoren eine wichtige Rolle spielten, die nichts mit der Intelligenz zu tun hatten, wie z.B. Benehmen, äußere Erscheinung, Aufgewecktheit, Gelehrsamkeit. Das Urteil der Lehrer war all zu sehr von irrelevanten Nebenerscheinungen geprägt.

Die heutige Definition von Intelligenz umfaßt folgende Bereiche:

Fähigkeit, mit Abstraktionen umzugehen;

Fähigkeit, zu lernen (Abstraktionen, Wörter und andere Symbole);

Fähigkeit, Probleme zu lösen.

Von ESTES (1982) stammt folgende Definition von Intelligenz: Intelligenz ist "das adaptive Verhalten des einzelnen, gewöhnlich charakterisiert durch ein bestimmtes Problemlösungselement und gesteuert von kognitiven Prozessen und Operationen." STERNBERG (1972) versuchte, das Testantwortverhalten in einzelne Sequenzen der Informationsverarbeitung zu zerlegen, um dann die Wechselbeziehungen aufzudecken, die zwischen den einzelnen Elementen bestehen, die zum Gelingen der intelligenten Leistung beitragen. Dabei spielen auch logisches Denken und Problemlösen eine wichtige Rolle. Aber auch nichtintellektuelle Komponenten der Intelligenz wurden ausfindig gemacht:

Fähigkeit, Streß und Ablenkungen zu widerstehen;

Selbstvertrauen und emotionale Stabilität;

spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten (musische, sportliche, soziale, ...).

Zum alltäglichen Verständnis von Intelligenz gehören vor allem Problemlösefähigkeiten, Sprachbeherrschung und Sozialkompetenz, aber auch Charakter, Wissensdurst und Interesse an Kultur.

Zeigen sich in bestimmten Bereichen der Intelligenz Defizite, kann man entweder versuchen, sie durch ein gezieltes Treatment (z.B. spezielles Training) zu beheben, oder man kann zusätzlich die schulischen Bedingungen so verändern, daß sie auch für Kinder mit den speziellen Defiziten effektiv werden (ATI-Ansatz).

Die Messung von Intelligenz

Die meisten Intelligenztests bestehen aus verschiedenen Subtests, z.B. Gedächtnistests (Zahlen rückwärts nachsprechen), Wortschatztests (Definitionen), Tests der numerischen und räumlichen Fähigkeiten usw. Der dabei erhaltene Rohwert (meist die Anzahl der richtig gelöseten Items) wird dann in einen Standardwert umgewandelt (Mittelwert 100, Standardabweichung 15) und kann so im Lichte von Testnormen interpretiert werden, z.B. in Form von Prozenträngen.

Die Anwendung von Intelligenztests ergibt meist eine Verteilung der Werte entsprechend der Normalverteilung. Dies läßt sich folgendermaßen erklären: Die Höhe des Wertes, den jemand in einem Intelligenztest erreicht, ist von den Antworten auf viele Items abhängig, und die richtige Beantwortung der einzelnen Items ist relativ unabhängig voneinander (sie sollen wenig untereinander korrellieren). Genau dies sind jedoch die Voraussetzungen für das Auftreten einer Normalverteilung.

Stabilität und Reliabilität von Intelligenztestwerten

HOPKINS und BRACHT (1975) fanden, daß bei den meisten Menschen eine Intelligenzstabilisierung im Alter von 5 bis 7 Jahren eintritt; richtige Stabilität trete aber erst ab einem Alter von 12 Jahren auf. Auf den weiteren Altersstufen bleibt der Rangplatz einer Person in einer Verteilung von IQ-Werten ziemlich gleich.

Struktur von Intelligenz

Alle Tests über kognitive Fähigkeiten tendieren zu einer positiven Korrelation untereinander. Neben der generellen intellektuellen Fähigkeit gibt es noch Gruppenfaktoren, die zur Einteilung von intellektuellen Fähigkeiten herangezogen werden können: die verbalen, mathematischen und räumlichen Faktoren. Für den Pädagogen ist es wichtig, nicht von der Existenz einer generellen intellektuellen Fähigkeit auszugehen, die sich durchgängig in den verschiedenen Bereichen zeigt; man sucht dann eher bei jedem einzelnen Schüler nach spezifischen Begabungen und besonderen Fähigkeiten, die sich bei jeder neuen Aufgabe zeigen können.

Gegenwärtige Praxis der Intelligenzmessung und Zweifel an ihrem Nutzen

Inntelligenztests werden bei der Beratung, Auswahl, Einstufung, Aufnahme und Zulassung von Schülern eingesetzt. Korreliert man Intelligenztests mit einem Maß für den Schulerfolg (z.B. einzelnen Noten oder Durchschnittsnoten), erhält man für allgemeine Inteligenztests etwa eben so hohe Korrelationskoeffizienten (ca. 0.50) wie für Tests spezifischer intellektueller Fähigkeiten. McNEMAR (1964) stellte beispielsweise fest, daß sich mit einer Kombination aus dem "Verbal Reasoning Test" und dem "Numerical Ability Test" - einer Kombination, mit der im wesentlichen allgemeine Intelligenz erfaßt wird - mindestens genauso gute Vorhersagen für einzelne Schulfächer treffen lassen, wie mit jedem der einzelnen Tests spezifischer intellektueller Fähigkeiten allein.

Wenn es um die Vorhersage von beruflichen Leistungen oder beruflicher Kompetenz geht, sind die einzelnen Tests weniger zuverlässig - ungefähr Korrelationen von 0.3 im Durchschnitt für eine breite Palette von Berufen. Dafür können folgende Gründe verantwortlich sein:

Die Beurteilungen des Berufserfolgs sind relativ subjektiv;

Durch die Vorauswahl von beruflich erfolgreichen Menschen wird die Variablität in dieser Gruppe eingeschränkt, was auch zu geringeren Korrelationen führt.

In vielen Berufen werden nicht allgemeine Fähigkeiten, sondern Spezialkenntnisse gefordert.

Manche Tests weisen tatsächlich eine Korrelation mit Berufserfolg auf, aber dies sind die Tests, die spezifische Fähigkeiten messen.

Unterscheidung von Intelligenz und Schulleistung

Früher wurde die Ansicht vertreten, daß sich Intelligenz nur nach einem vorherbestimmten Muster entwickelt (eine "normale" Umwelt vorausgesetzt) und daß man nicht viel tun kann, um diese Entwicklung zu beeinflussen. Leistung in Schule und Beruf auf der anderen Seite sei das Resultat eines aktiven Lernprozesses, der durch Ausbildung und schulischen Unterricht gelenkt wird.

Intelligenztestitems unterscheiden sich graduell darin, inwieweit sie dem entsprechen, was bei der schulischen Leistung angestrebt wird. Intelligenztests unterscheiden sich von Prüfungen und Tests schulischer Leistung nur graduell, d.h. insoweit, als sie das, was in der Schule gelehrt wird, messen. In gewissen Sinne sind Intelligenztests also Leistungstests, die etwas Erworbenes messen.

CATTELL (1963) unterschied zwischen fluider (hilft beim Anpassen an neue Situationen; hat wenig mit schulischem Unterricht zu tun, z.B. das Erkennen von Zahlenfolgen, Symbolen, Formen usw.) und kristalliner (Anwendung allgemeiner intellektueller Fähigkeiten auf bestimmte Stoffbereiche oder Unterrichtsfächer; fachspezifisch) Intellligenz. Tests, die nur in relativ geringem Ausmaß schulische Fähigkeiten voraussetzen, sind zur Entdeckung von angelegten, aber noch nicht ausgebildeten Fähigeiten geeignet.

Die Inhalte von Intelligenztests werden weit weniger explizit vermittelt als die Inhalte von Schulleistungstests. Zwischen Intelligenztests und Tests allgemeiner schulischer Leistung treten hohe Korrelationen auf; d.h. ein Test der allgemeinen Schulleistung und ein Intelligenztest werden überwiegend zum gleichen Urteil über die Erfolgswahrscheinlichkeit kommen. Im Falle von ethnischen Minderheiten kann ein Intelligenztest, dessen Inhalt wenig schulische Leistung voraussetzt, zu Ergebnissen führen, die anders sind und einen wesentlich höheren Aussagewert besitzen als einne Batterie von Tests allgemeiner schulischer Leistung.

Für die meisten Schüler bringt der Intelligenztest einen gewissen Vorteil, weil er weniger Zeit in Anspruch nimmt. Der Leistungstest hat andererseits den Vorteil, daß er weniger wahrscheinlich zu vererbungstheoretischen, fatalistischen, da-kann-mann-nichts-mehr-machen-Interpretationen führt.

Einwände gegen den Einsatz von Intelligenztests in der Schule

In New York und Californien wurde per Gerichtsurteil die Durchführung von individuellen IQ-Tests als Grundlage zur Überweisung in eine Sonderschule blockiert, da frühere Testergebnisse zu einer Überrepräsentation von Kindern ethnischer und sozialer Minderheiten in diesen Schulen geführt hätten (Diskriminierungstendenzen).

Das Ergebnis eines Intelligenztests kann auch als Self-fulfilling prophecy wirken: Weiß man erst einmal den IQ eines Kindes, neigt man dazu, es durch die IQ-Brille zu sehen, und man paßt seinen Unterricht der Fähigkeit bzw. dem Intelligenzniveau des Kindes an, wie aus dem Test ersichtlich.

COPPER und GOOD (1983) teilten mit, daß Auswirkungen von Lehrererwartungen,wenn auch nicht auf den IQ, so doch auf Lehrerverhalten, Schülerverhalten im Unterricht und auf Schülerleistung regelmäßig nachgewiesen werden konnten.

Anstatt sich ganz von den Tests loszusagen, sollte man sie mit anderen Informationen verbinden, die bei der Entscheidungsfindung über die Zukunft des Menschen ein ebenso starkes Gewicht haben wie die Tests.

6. Intelligenz: Vererbung, Umwelteinflüsse und gruppenspezifische Unterschiede

Vererbung und Umwelt

Zwillingsforschung wird dazu eingesetzt, zu bestimmen, welches relative Gewicht Vererbungs- und Umweltfaktoren bei der unterschiedlichen Ausprägung einer Eigenschaft haben. Bei gleichen Erbanlagen - wie es bei EEZ der Fall ist, sind alle auftretenden Intelligenzunterschiede ein Resultat unterschiedlicher Umwelteinflüsse. Nur insoweit als geringere Intelligenz durch ungünstige Umweltfaktoren verursacht ist, können die Umweltbedingungen so beeinflußt werden, daß die Intelligenz erhöht wird und damit auch die Fähigkeit, die materiellen und kulturellen Vorteile, die die Gesellschaft bietet, zu erlangen.

Interessanterweise konnte von PASTORE (1949) festgestellt werden, daß die politische Wertorientierung eines Wissenschaftlers (konservativ oder liberal) stark damit korreliert, ob er eher Vererbungs- oder Umwelttheoretiker ist.

Folgende Stufen genetischer Ähnlichkeit können unterschieden werden; es zeigen sich jeweils unterschiedliche Korrelationen zwischen den IQs:

EEZ, gemeinsam aufgewachsen: .87

EEZ, getrennt aufgewachsen: .68

ZEZ gleichen Geschlechts, gemeinsam aufgewachsen: .55

ZEZ verschiedenen Geschlechts, gemeinsam aufgewachsen: .49

Normale Geschwister, zusammen aufgewachsen: .55

Normale Geschwister, getrennt aufgewachsen: .26

Pflegeeltern und Pflegekinder: .20

Nichtverwandte Personen etwa gleichen Alters, die gemeinsam in der selben Pflegefamilie oder in dem selben Pflegeheim aufwachsen: .24

Nichtverwandte Personen, die getrennt aufwachsen: -.01

SKODAK und SKEELS (1949) fanden keine Korrelation zwischen dem IQ des Kindes und der Bildung des Pflegevaters bzw. der Pflegemutter; aber die Korrelationen mit dem IQ oder der Bildung der biologischen Eltern rangieren zwischen .32 und .44.

Man kam zu Schätzungen, daß 80% des Einflusses auf IQ-Unterschiede von genetischen Bedingungen herrühren; diese Zahl gilt nur bei homogenen Gruppen. Der den Umweltunterschieden zugeordnete Einfluß wäre größer gewesen, wenn die Umweltbedingungen für die getrennt erzogenen EEZ noch unterschiedlicher gewesen wäre. Er hätte geringer sein können, wenn die getrennten Familien, in denen die Zwillinge aufwuchsen, weniger Unterschiede aufgewiesen hätten (Þ selektive Placement).

Die Untersuchung von NEWMAN, FREEMAN & HOLZINGER (1937) zeigt bei den Zwillingen größere IQ-Unterschiede, bei denen auch die geschätzen Bildungsvorteile größere Unterschiede aufwiesen. Die Korrelation zwischen den umweltbedingten (soziokulturellen) Bildungsunterschieden und den schulischen Leistungsunterschieden war bei den Zwillingen sehr hoch, etwa .90. Unterschiede in Bildungsvorteilen und kulturellen Niveaus des Elternhauses rufen Unterschiede im IQ und in der schulischen Leistung hervor.

Vererbungstheoretiker sehen in den Untersuchungsergebnissen, die Umwelteinflüsse bestätigen, ein Zeichen für Mängel in den Intelligenztests, weil nach ihrer Definition Intelligenz einen allgemeinen, angeborenen, kognitiven Faktor bedeutet. Nach der Meinung von Umwelttheoretikern werden größere IQ-Unterschiede gefunden, wenn von einem breiterem Bereich an Umweltvariationen ausgegangen wird.

Ethnisch bedingte Intelligenzunterschiede

Schwarze erreichen in den USA im Durchschnitt 10 bis 20 IQ-Punkte weniger in Intelligenztests. Bei den meisten derartigen Untersuchungen wurde aber nicht versucht, die umweltbedingten Unterschiede zu kontrollieren: Motivation, Selbstvertrauen, Gelegenheit zum Erfahrungsammeln usw. sind bei den Schwarzen ungünstiger. Bei den Schwarzen aus den Nordstaaten wurden höhere IQs und Durchschnittsleistungen festgestellt als bei denen aus den Südstaaten; das selbe gilt für den Stadt-Land-Vergleich. Diese Befunde gelten aber auch bei Weißen. Diese Ergebnis kann entweder mit selektiver Abwanderung oder mit unterschiedlichen Bildungschancen erklärt werden.

LEE (1951) untersuchte Kinder, die aus dem Süden nach Philadelphia gezogen waren. Der IQ dieser Kinder verbesserte sich in jedem Jahr und war um so höher, je länger die Kinder in dieser Stadt lebten. Der IQ der in Philadelphia geborenen Kinder änderte sich dagegen nicht (Þ ceiling effect).

Zwischen der Verteilung der Intelligenzwerte bei Weißen und bei Schwarzen zeigt sich eine deutliche Überlappung. Man sollte sich deshalb davor hüten, aufgrund der Hauptfarbe Vorurteile über die Intelligenz der betreffenden Person zu haben.

Schichtspezifische Unterschiede und Stadt-Land-Gefälle

Die Schichtzugehörigkeit wird folgendermaßen gemessen: Beruf des Vaters, Wohngegend und Bildungsgrad der Eltern. Dabei zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zu den IQ-Werten. Ein bestimmtes Intelligenzniveau ist für bestimmte Berufe charakteristisch und tritt bei anderen Berufen gar nicht auf. Es scheint so, als würden bestimmte Berufe Menschen mit einem bestimmten IQ anziehen oder deren Fähigkeitsniveau voraussetzen. Andererseits kann die Korrelation zwischen Berufserfolg und IQ auch als Beweis dafür gesehen werden, daß Intelligenz eine Rolle spielt, wenn es um beruflichen Erfolg geht.

Manche Pädagogen sind der Auffassung, daß man durch die schulische Ausbildung versuchen sollte, die Perpetuierung starrer Klassenschranken zu durchbrechen: Der dabei unterstellte Armutskreislauf sieht folgendermaßen aus: Die Kinder sind während ihrer gesamten Entwicklung solchen Umwelteinflüssen ausgesetzt, die den Verbleib auf einem niedrigen Fähigkeitsniveau begünstigen; wenn sie später selbst Eltern werden, schaffen sie ihren eigenen Kindern wieder ähnliche Bedingungen. Diese Kinder sind dann nur wieder für Berufe geeignet, die am unteren Ende der Lohn-, Prestige- und intellektuellen Anforderungsskala liegen.

COLEMAN (1966) stellte fest, daß Schüler innerhalb von großstädtischen Gebieten höhere Leistungen erbringen als Kinder außerhalb dieser Gebiete; dies gilt auf allen Klassenstufen und für alle Leistungstests. In einem Förderprogramm (die Infrastruktur wurde verbessert) konnte WHEELER (1942) in einem Zeitraum von 10 Jahren jährlich eine Verbesserung um einen IQ-Punkt feststellen.

Ursachen für gruppenspezifische Intelligenzunterschiede

Die Theorie der selektiven Abwanderung besagt, daß Menschen, die von Anfang an ein hohes Intelligenzniveau besitzen, in priveligierte Stände aufsteigen und in Gebiete abwandern, die günstige Ausbildungsbedingungen und positive Umwelteinflüsse für die Intelligenzentwicklung bereitstellen; die Intelligenzunterschiede bestehen also schon vor der Abwanderung. ANASTASI (1958) berichtet, daß diejenigen Personen, die aus ländlichen Gebieten abwandern, einen intelligenzmäßig überlegenen Teil der Landbevölkerung darstellen (aber: In der Weltwirtschaftskrise wanderten vor allem einfache Landarbeiter in die Städte).

Günstige Umweltbedingungen setzen das Kind mehr den visuellen und auditiven Einflüssen, den Ideen und Worten, den Problemen und Lösungen aus, die jene Fähigkeiten und jenes Wissen begünstigen, die von Intelligenztests gemessen werden. Außerdem kann eine bessere Vertrautheit mit der Testsituation Einflüsse auf das Ergebnis haben (bei langsamer Eingewöhnung in die Testsituation verschwindet nach JENSEN (1969) die Hälfte des IQ-Unterschiedes zwischen weißen und schwarzen Kindern) (Þ Fernsehen als Weg zur sozialen Gleichberechtigung).

Die Unterschiede können auch durch einen Testbias erklärt werden: Die in den Tests verwendeten Wörter, Vorstellungen und Probleme sind vor allem von Situationen abgeleitet, denen Kinder der Mittelschicht oder aus städtischen Regionen eher begegnen. Andererseits sollen diese Tests ja auch dazu dienen, die Belange der hochindustrialisierten Gesellschaft (und damit der Mittelschicht) zu fördern.

Elternhaus und Intelligenz

In einer Untersuchung von SCARR & WEINBERG (1976) wurden 130 schwarze oder "gemischte" Kinder getestet, die von weißen Mittelschichteltern adoptiert wurden. Ihr durchschnittlicher IQ lag bei 105; sehr früh adoptierte Kinder schnitten sogar noch besser ab. Auch bei Arbeiterkinder, die von Mittelschichteltern adoptiert wurden, ließen sich Intelligenzsteigerungen finden (SCHIFF et al., 1982, in Frankreich).

BURK (1928) stellte beim Elernhaus häusliche Bedürfnisse, Sauberkeit, Größe, elterliche geistige Gesundheit und elterliche Beaufsichtigung des Kindes fest; außerdem wurden der elterliche sprachliche Ausdruck, Bildung, Interessen und die häusliche Bibliothek und der Kunstgeschmack eingestuft. Die Elternhausskala und die Kulturskala korrelierten .21 und .25 mit den IQs der Pflegekinder. Die höheren Korrelationen bei den Kindern, die bei ihren Eltern aufwachsen, von .42 und .44 zeigen Einflüsse sowohl von Vererbung als auch von Umwelt darin, daß sich die IQs der Eltern sowohl auf die häusliche Umgebung als auch auf die IQs der Kinder auswirken.

WOLF (1964) stellte folgende besonders wichtigen Variablen des Elternhauses heraus:

Elterlicher Ehrgeiz nach Leistungsmotivation;

Elterlicher Ehrgeiz nach Sprachentwicklung;

Elterliche Vorsorge, Lerngelegenheiten innerhalb und außerhalb der häuslichen Umgebung zu schaffen.

Er untersuchte außerdem, wie sich die Eltern direkt zu ihren Kindern verhalten. Durch eine geeignete Gewichtung der einzelnen Prädiktoren ließ sich eine Korrelation der Schüler-IQs von .76 errechnen.

Die elterlichen Verhaltensweisen, die mit der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Kinder in Verbindung gebracht werden, können auch dazu verwendet werden, eine schulische Umwelt zu schaffen, in der das intellektuelle Wachstum der Schüler gefördert wird.

Kann die Schule Intelligenz steigern?

Versuche, die Intelligenz zu steigern, sind um so erfolgreicher, je früher sie beginnen (und je länger sie beibehalten werden). Ursache für einen geringeren IQ kann kulturelle Deprivation sein:

Beengte Wohnverhältnisse;

Eltern können beim Spracherwerb nur bedingt als Vorbild dienen;

Eltern schränken Fragen und Neugierverhalten der Kinder ein.

Die kompensatorische Vorschulerziehung sollte das Kind anregen, mit der Sprache umzugehen, Informationen auszuwerten, mit wenigen Lernhilfen auszukommen und allgemeine Prinzipien und Methoden der Auseinandersetzung mit der Umwelt zu erkennen und anzuwenden.

Es ist möglich, daß die sprachliche Kompetenz eine wichtige Rolle für die Intelligenzunterschiede spielt. Nach BERNSTEIN (1960) zeichnet sich der Sprachgebrauch in der Unterschicht durch den restringierten Code aus. SAPIR meint, daß die Sprachgewohnheiten auch das Denken beeinflussen; d.h. eine schlechte Sprache produziert schlechtes Denken.

HESS & SHIPMAN (1965) fanden heraus, daß schwarze Mütter aus der Unterschicht ihren Kindern Dinge nicht so gut erklären können, wie Mütter aus der Mittelschicht. Das kognitive Verhalten der Kinder korrelierte höher mit einem guten Lehrverhalten der Mütter in den beiden sozialen Schichten als der IQ des Kindes mit dem der Mutter.

Die Defizite der ethnischen Minderheiten in den USA beruhen deshalb möglicherweise auf sprachlicher Deprivation, die durch geeignete Vorbildwirkung der Lehrer eingeschränkt werden könnte. OGBU (1982) meint dagegen, daß das black english kein Defizit, sondern eine eigenständige Variante des Standardenglisch wäre. Die Wahrnehmung der eigenen Diskriminierung und die vermeintliche Aussichtslosigkeit von Anstrengungen wäre eher dafür verantwortlich, daß die Schwarzen weniger Anstrengungen unternehmen würden, um Erfolge zu haben. OGBU empfiehlt deshalb, die schwarzen Kinder mehr zu bestärken, daß sich Anstrengung in der Schule lohnt.

Ansätze zur Steigerung von Intelligenz

Es ließen sich gewisse Verbesserungen durch Frühförderungsprogramme für Unterschicht-Kinder nachweisen (z.B. Head-Start):

weniger Einweisungen in Sonderschulen;

weniger Sitzenbleiben;

besseres Erfüllen der Anforderungen der Schule;

Nennung leistungsbezogener Gründe, auf sich selbst stolz zu sein;

keine subjektive bessere Leistungseinschätzung;

objektiv bessere Leistung in fast allen intellektuellen Bereichen.

Diese Daten sind zwar ermutigend, aber der Einfluß der Frühförderungsprogramme ist nicht überdauernd, wenn die Förderung beendet wird. Insgesamt lassen sich aber dennoch Überlegenheiten der geförderten Kinder nachweisen.

Nach FEUERSTEN resultiert kognitives Wachstum aus umweltbedingtem Zufallslernen und aus gezieltem Vermittlungslernen (Lernen unter Anleitung eines beratenden Erwachsenen). Intelligenzmessung sollte dynamisch erfolgen: Test Þ Behebung der gefundenen Defizite Þ erneutes Testen). Soziokulturell benachteiligte Jugendliche sollten ihre Wahrnehmungs- und kognitiven Fähigkeiten üben. Durch Instrumental Enrichment soll vor allem Selbstkontrolle und Selbstregulation gelernt werden: Der Lehrer versucht, im Schüler ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, was die Lernaktivitäten bedeuten und daß er die kognitive Überwachung und Einteilung seiner Arbeit selbst durchführen muß.

7. Die Entwicklung von kognitiven Funktionen und von Sprache

Piagets Modell

Die intellektuelle Entwicklung wird von dem Streben nach Gleichgewicht geleitet. Reichen die gegenwärtig vorhandenen Bedingungen nicht aus,mit einer neuen Situation fertig zu werden, dann kann das Gleichgewicht auf folgende Art wieder hergestellt werden: Assimilation ist der Prozeß, der das Wahrgenommene so verändert (interpretiert), daß es in die schon vorhandenen kognitiven Strukturen paßt. Akkomodation ist dagegen der Prozeß, über den die kognitiven Strukturen so verändert werden, daß das Wahrgenommene zu ihnen paßt.

1. Die sensomotorische Stufe (1-2 Jahre)

Das Kind wird zunehmend fähig, einfache Wahrnehmungs- und motorische Fertigkeiten durchzuführen. Das Wissen besteht in einem Repertoire an Einwirkungsmöglichkeiten auf Objekte; Ziel ist, die Welt kennenzulernen. Es lernt insbesondere:

sich selbst als von den Objektten seiner Umwelt getrennt wahrzunehmen;

sich der Stimulation durch Licht oder Geräusche zuzuwenden;

den Versuch zu machen, interessante Erfahrungen auszudehnen;

Dinge durch Manipulation zu bestimmen;

ein Objekt trotz Veränderunge des Ortes oder des Blickwinkels als konstant zu betrachten.

2. Die präoperationale Stufe (3-5 Jahre)

Der Sprachgebrauch führt zur Entwicklung von Konzepten, die häufig falsch sind und an der Realität überprüft werden müssen. Für das Erlernen sprachlicher Formen ist Erfahrung entscheidend. Folgende Merkmale sind für diese Stufe charakteristisch:

Das Kind ist selbstbezogen und kann nicht den Standpunkt anderer Menschen einnehmen.

Objekte werden auf der Grundlage einzelner und deutlich sichtbarer Merkmale klassifiziert.

Das Kind ist nicht imstande festzustellen, daß sich Objekte, die in einer Hinsicht ähnlich sind, in einer anderen Hinsicht unterscheiden können.

Dinge können nach einem Kriterium (auch Veränderung) zugeordnet werden.

Dinge können in eine Reihenfolge gebracht werden (jedoch noch kein Verständnis für Transitivität).

2a. Die intuitive Phase (5-8 Jahre)

Schlußfolgerungen gehen von vagen Eindrücken und Beurteilungen aus, die sich eng an der Wahrnehmung orientieren und nicht in Worte gefaßt werden; langsam entwickelt sich jedoch ein logisches und rationales Verständnis. Mit der zunehmenden Bedeutung der Sprache findet auch immer mehr symbolische Vermittlung statt: Mit sieben Jahren lernt das Kind allmählich, auf Symbolsysteme in immer gleicher Weise zu reagieren und sich nicht mehr auf seine Wahrnehmungseindrücke zu verlassen. Es können symbolische Transformationen mit den Denkinhalten durchgeführt werden. Folgende Fähigkeiten werden auf dieser Stufe erworben:

Fähigkeit zur Klassifikation, jedoch unbewußt;

Fähigkeit, logische Beziehungen zunehmender Komplexität zu verstehen;

Umgang mit Zahlenbegriffen;

Das Prinzip der Erhaltung wird erworben: Die Erhaltung der Masse wird mit fünf Jahren, die des Gewichts mit sechs Jahren und die des Volumens mit sieben Jahren erreicht. Diese Reihenfolge scheint in allen Kulturen gleich zu sein. Es ist möglich, die Erhaltung schon in früherem Alter zu trainieren; dieses Verständnis ist jedoch dann nicht dauerhaft.

3. Die Stufe der konkreten Operationen (8-12 Jahre)

Es wird die Fähigkeit erworben, logische Operationen mit konkreten Dingen durchzuführen. Objekte oder interne Repräsentationen von Objekten können manipuliert werden; dadurch wird Versuch und Irrtum unnötig. Schlußfolgerungen bestehen aus einer Reihe kleiner, reversibler Schritte, von denen jeder als vernünftig oder unvernünftig beurteilt werden kann. Das Kind braucht aber noch konkrete Darstellungen, mit denen es seine Denkabläufe verknüpfen kann. Das 7-10 Jahre alte Kind hat noch Probleme mit hochabstraktem Denken. Folgende Einsichten in bezug auf Klassifikationsschemata werden möglich:

Komposition (aus der Kombination zweier Elemente eines Systems kann ein neues Element resultieren);

Austauschbarkeit (die Summe ist unabhängig von der Reihenfolge, in der die Dinge addiert werden);

Reversibilität (die Anwendung von Operatoren kann rückgängig gemacht werden: A + B = C Þ B = C - A).

4. Die Stufe der formalen Operationen (11-14 Jahre)

Der Schüler erwirbt die Fähigkeit, logisches Denken mit Abstraktionen durchzuführen; wissenschaftliches Denken des hypothetisch-deduktiven Typs steht ihm zur Verfügung. Bei der Aufgabe, eine gelbliche Flüssigkeit herzustellen (Mischung von 1 + 3 + g) veranlassen seine Denkprozesse gleich zu Beginn dazu, alle Elemente miteinander zu kombinieren. Eine Methode zur Bestimmung kausaler Beziehungen wird angewandt; seine Sprache ist deutlich hypothetisch-deduktiv. Er kann:

alle logischen Möglichkeiten erarbeiten (unabhängig von den tatsächlich auftretenden Realisierungen);

eine Kombinationsanalyse von Möglichkeiten durchführen;

in logischen Sätzen denken;

von Sätzen, die sich inhaltlich auf bestimmte Objekte beziehen, auf viele andere Inhalte generalisieren.

Kritik an Piagets Modell

BRAINARD (1978) hat das Stufenmodell von Piaget als rein deskriptiv bezeichnet.

BODEN (1980) weist darauf hin, daß Piaget die Komplexität der Leistungen von Kindern in einem bestimmten Alter oft unterschätzt hat.

Für Piaget sind frühe motorische Erfahrungen Voraussetzung für den Erwerb kognitiver Fertigkeiten; aber auch motorisch stark behinderte Kinder können ein normale kognitive Entwicklung durchmachen.

Die von Piaget verwendeten Aufgaben waren zu abstrakt; nur ein kleiner Teil der erwachsenen Bevölkerung könnte sie lösen. Sie sollten in eine realistischere Cover-Story eingekleidet werden.

Trainingsprogramme zeigten, daß konkretes oder formal-operationales Denken viel früher als angenommen auftreten kann.

Die Theorie Piagets betont die inneren mentalen Strukturen des Kindes mehr als die Bedingungen, die von den Aufgaben ausgehen (im Gegensatz zu den Informationsverarbeitungs-Theorien).

Bruners Theorie der kognitiven Entwicklung

Nach BRUNER (1966) sollten bei Entwicklungstheorien folgende Punkte berücksichtigt werden:

Das Verhalten des Kindes wird immer weniger von Außenreizen abhängig; im Zusammenhang mit dem Spracherwerb stellt ein innerer Vermittlungsprozeß die Beziehung zwischen Reiz und Reizantwortverhalten her.

Voraussetzung der kognitiven Entwicklung ist ein inneres Speicherungs- und Informationsverarbeitungs-System; die Welt wird in einem Symbolsystem repräsentiert, das über unmittelbare Sinneseindrücke und Erfahrungen hinausgeht.

Die sich entwickelnde Fähigkeit zur Selbstbewußtheit beruht auf der Fähigkeit, vergangene und zukünftige Aktionen zu beschreiben.

Für die kognitive Entwicklung sind systematische Interaktionen zwischen einem Betreuer und dem Lernenden notwendig.

Sprache ist der Schlüssel zur kognitiven Entwicklung, da sie eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Ereignissen der Welt herstellen kann.

Mit zunehmender kognitiver Entwicklung kann man mit mehreren Alternativen simultan umgehen, gleichzeitig mehrere Handlungen durchführen und die Aufmerksamkeit nacheinander verschiedenen Situationen widmen.

Die Entwicklung erfolgt nach BRUNER in drei Stufen, wobei mit zunehmenden Alter und mit zunehmender Erfahrung das symbolische System die Vorherrschaft gewinnt, die anderen Systeme aber weiterhin verwendet werden:

Enaktive Stufe (Das Kind begreift seine Umwelt über den handelnden Umgang mit ihr);

Ikonische Stufe (Bildhafte Vorstellungen sind der Informationsträger; das Kind ist Gefangener seiner Wahrnehmungen) und

Symbolische Stufe (Symbolsysteme ersetzen das Handeln ohne Denken und das an die Wahrnehmung gebundene Verständnis; Sprache, Logik und Mathematik spielen nun eine Rolle).

Implikationen der Theorien Piagets und Bruners für den Unterricht

Kinder sind, was ihre Denkprozesse betrifft, nicht nur kleine Erwachsene; deshalb ist vom Lehrer intellektuelle Einfühlung gefordert.

Kinder lernen (besonders in der Vor- und Grundschule) besonders gut, wenn sie mit konkreten Objekten, Materialien und Phänomenen umgehen. Entdeckendes Lernen ist erfolgsversprechend.

Der Unterricht sollte mit einem Stadium des "Herumprobierens" beginnen, so daß sich enaktive Repräsentationen bilden können. Dann sollte die Wahrnehmungsgenauigkeit (Einsatz von AV-Medien) gefördert werden, so daß eine ikonische Repräsentation gebildet wird. Dann kann die verbale Stufe, die eine symbolische Repräsentation bewirken soll, eingesetzt werden.

Neue Erfahrungen sollten so dargestellt werden, daß sie bis zu einem gewissen Grad in das eingeordnet werden können, das die Kinder schon kennen.

Die Kinder sollten die Geschwindigkeit, in der sie lernen, selbst bestimmen können (selbstständiges Strukturieren des Wissens; individualisierter Unterricht).

Die Interaktion mit anderen Menschen ist nicht nur affektiv, sondern auch kognitiv wichtig; soziale Interaktionen zwingen dazu, sich mit den Standpunkten anderer Menschen auseinander zu setzen.

Aufgaben, wie sie Piaget verwendete, können dazu eingesetzt werden, die kognitiven Strategien der Kinder zu erkennen. Insbesondere, wenn sie Fehler machen, lassen sich wertvolle Informationen gewinnen.

Die Sprachentwicklung

CHOMSKY ging von einem angeborenen Spracherwerbsmechanismus aus: Ein System von allgemeinnen Vorbegriffen oder Ideen über den formalen Aufbau von Sprache filtert die informellen sprachlichen Daten; so können implizit die Regeln der jeweiligen Sprachgemeinschaft gelernt werden. Die Sprachentwicklung läuft in folgenden Stufen ab:

Holophrasische Sprache: Einzelne Wörter werden verwendet, um Dinge oder Ereignisse aus der Umwelt des Kindes anzusprechen, auf die es handelnd eingeht oder die seine Aufmerksamkeit beanspruchen. Oft kommt es zu Übergeneralisierungen. Die Einzelwortäußerungen drücken meist (zusammen mit ihrem Kontext) komplexere Gedankengänge aus.

Telegrammstil: Beim Telegrammstil werden die Gedanken in zwei (oder später drei) Wörtern ausgedrückt; wesentlich sind dabei die Angelpunktwörter (pivot words, z.B. mehr); es können schon komplexe Konzepte wie Nichtexistenz ausgedrückt werden ("alle alle"). Erste Adjektivformen werden verwendet.

Komplexe Sätze: Erstmalig werden Flexionsformern verwendet; Regelwissen dominiert vor Nachahmung (Þ "gehte"). Die Regeln werden auch auf unvertraute Wörter angewandt und oft übergeneralisiert. Spaß an Wortspielen ist feststellbar.

Die Sprache der Erwachsenen, die mit Kindern umgehen, ist meist

auf das Hier-und-Jetzt beschränkt;

komentiert Tätigkeiten oder Beschreibt die Umwelt, Eigenschaften oder räumliche Beziehungen;

verlangsamt;

kurze Sätze;

viele Wiederholungen;

eher inhaltliche als grammatische Korrektur der Äußerungen des Kindes.

Die Funktion des Lehrers bei der Sprachentwicklung

Dialekt ist eine Variante der Hochsprache, der man bisher keinen kognitiven Mangel nachweisen konnte. Individuelle Unterschiede im Sprachverständnis beruhen weniger auf Kompetenzaspekten als auf persönlichen Eigenschaftsmerkmalen wie z.B. Angst oder auf umweltbedingten Merkmalen wie häusliche oder schulische Umgebung.

Die Schule ist eine eigene "Kultur" mit speziellen Kommunikationsregeln; hat ein Schüler diese Regeln nicht erlernt, hat er Schwierigkeiten, den Erziehungsprozeß zu vestehen oder sich in ihn einzubringen. Schüler müssen also unter Umständen entsprechende neue soziale Regeln der sprachlichen Kommunikation im Unterricht erlernen. Den fachlichen Anforderungen zu genügen ist nicht ausreichend, denn die Schüler müssen darüber hinaus bestimmte Informationen oder Kenntnisse in der angemessenen Form zum richtigen Zeitpunkt wiedergeben.

Zweisprachigkeit führte bei Kindern in Montreal gegenüber einer Kontrollgruppe zu höheren Ergebnissen der gemessenen Intelligenz, der schulischen Leistung und der positiven Einstellung gegenüber der "Zweitkultur". Problematisch ist der Kulturschock, der bei Kindern zu erwarten ist, die erst bei der Einschulung mit der offiziellen Landessprache konfrontiert werden. Die Kinder müssen in der Schule die Landessprache erlernen; gleichzeitig soll jedoch deren kulturelle Identität nicht verloren gehen. Dazu liegen folgende Erkenntnisse vor:

IQ-Mesungen auf der Basis von Sprachtests können die Intelligenz eines zweisprachigen Schülers deutlich unterschätzen.

Bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien und beim Einsatz bestimmter Unterrichtsmethoden kommt es wesentlich darauf an, daß sie auch von der anderen Kultur verstanden bzw. akzeptiert werden.

Zweisprachigkeit kann die kognitive Entwicklung fördern.

Der zweisprachige Schüler sollte genug Gelegenheit haben, sich in seiner Muttersprache auszudrücken und sein kulturelles Erbe zu pflegen.

Das metasprachliche Bewußtsein ist die Fähigkeit (ab ca. 6 Jahren), bewußt über die Sprache nachzudenken und sich dazu zu äußern. Unterschiedliche Entwicklungen dieser Fähigkeit sind nach CAZDEN (1972) für mehr Unterschiede in schulischen Leistungen verantwortlich als Unterschiede im Sprachgebrauch erkennen lassen. Schüler müssen eine explizite Kenntnis der sprachlichen Regeln erwerben; auch im sozialen Bereich ist die metasprachliche Fertigkeit oft gefragt (z.B. Witz); sie ist auch Voraussetzung für formal-operationales denken. Zweisprachliche Erziehung fördert metasprachliches Bewußtsein, divergentes Denken und die Bildung von Konzepten.

8. Die Entwicklung der Persönlichkeit

Unter Persönlichkeit verteht man alle Merkmale, Fähigkeiten und Motive eines Menschen, auch seine Stimmungen, Einstellungen, Meinungen, Überzeugungen, emotionalen Verhaltensweisen, kognitiven Stile, seinen Charakter und seine Moralvorstellungen. ERIKSON (1968) nimmt an, daß der heranwachsende Mensch dazu gezwungen ist, sich einer immer mehr ausweitenden sozialen Gemeinschaft bewußt zu werden und mit ihr zu interagieren. Im Verlauf der psychosozialen Entwicklung, deren Ziel die persönliche Identität ist, treten dabei bestimmte Krisen auf:

Vertrauen - Mißtrauen

Autonomie - Scham und Zweifel

Entschlußkraft (Initiative) - Schuldgefühl

Überlegenheit - Unterlegenheit

Identität - Verwirrung

Vertrautheit (Intimität) - Isolation

Produktivität - Stagnation

Integrität - Verzweiflung

Der Lehrer muß sich der Veränderungen, die in seinen Schülern stattfinden, bewußt sein; dies gilt besonders für jene Veränderungen, die auf der Stufe der Identitätskrise des Jugendalters vonstatten gehen.

Nach KOHLBERG (1963) entwickelt sich das moralische Denken des Menschen ebenfalls in Stufen:

Präkonventionelles Stadium: Zuerst Orientierungsschema "Bestrafung / Gehorsam" (Vermeidung von Bestrafung), dann "instrumental-relativistisch" (Recht ist, was die eigenen Bedürfnisse befriedigt; Gegenseitigkeitsprinzip). Es werden hauptsächlich die physischen Auswirkungen der Handlungen betrachtet.

Konventionelles Stadium: Zuerst Orientierungsschema "interpersonelle Eintracht" (gutes Verhalten ist das, das anderen gefällt; Konformität), dann "Autorität und Sozialordnung" (Pflichterfüllung und Achten der Autoritäten; Erhalt der sozialen Ordnung um ihrer selbst willen). Das Erfüllen von Erwartungen ist der zentrale Gedanke.

Postkonventionelles Stadium: Zuerst Orientierungsschema "Sozialkontrakt / Legalität" (kritische Überprüfung der Brauchbarkeit von Gesetzen; persönliche Werte sind relativ; Demokratie), dann "universell-ethisches Prinzip" (Gewissen in Übereinstimmung mit selbstgewählten, logischen und umfassenden ethischen Prinzipien; Würde des Individuums; gleiches Recht für alle). Moralische Grundsätze sollen unabhängig von der Person sein.

Diese moralische Entwicklung läßt sich durch Trainingsprogramme kaum beschleunigen. Am günstigsten ist es noch (auch im Unterricht), Überzeugungen aus der jeweils nächsthöheren Entwicklungsstufe zu präsentieren.

Nach NUCCI (1982) muß man zwischen Moral (intrinsisch gerecht und fair) und Konvention (gesellschaftlicher Konsens über angemessennes Verhalten) unterscheiden. Moral und Konvention entwickeln sich getrennt voneinander. Ein Unterricht, der sich an moralischen Werten orientiert, sollte die Schüler schrittweise an immer anäquaterre Möglichkeiten heranführen, wie man widersprüchliche Forderungen nach Gerechtigkeit oder Menschenrechten mit Hilfe eines prinzipienorientierten moralischen Denkens lösen kann. Unterricht über Fragen der Konvention dagegen sollte den Schülern die Bedeutung von Konventionen für die Organisation und Koordination sozialer Interaktionen klar machen.

Persönlichkeit und Eigenschaften

Eine Eigenschaft wird als ein überdauernder Verhaltensaspekt einer Person betrachtet, von dem im allgemeinen angenommen wird, daß er über verschiedene Situationen hinweg konstant bleibt. Mit entsprechenden Tests (die meist nicht sehr reliabel sind), wird den Personen ein Wert auf einer Eigenschaftsskala zugewiesen bzw. ein Persönlichkeitsprofil erstellt.

Ein Lehrer, der die Persönlichkeit eine Schülers kennt, kann dessen Verhalten besser diagnostizieren und ihm besser helfen; andererseits besteht die Gefahr sich selbst erfüllender Prophezeihungen.

Das Verhalten von Menschen mit angeblich stabilen Eigenschaften ist bisher kaum unter drastischen Variationen der Umwelt untersucht worden. Die Umwelt ist aber fast immer ein wesentlicher Bestandteil der Ursachen für ein Verhalten. Gleichartiges Verhalten ist nur in ähnlichen Situationen anzutrefffen; Verhalten wird weitgehend von den Verstärkungskontingenzen in der Umwelt gesteuert.

Ehrlichkeit

HARTSHORNE und MAY (1928) fanden, daß verschiedene Maße für Unehrlichkeit (Abschreiben, Lügen, Stehlen, ...) nur relativ gering, aber immer positiv miteinander korrelieren. Es scheint also ein genereller Faktor Ehrlichkeit zu existieren, der aber nicht überbewertet werden soll. Da das Verhalten auch stark von Umweltbedingungen abhängt, sollten Etikettierungen der Schüler vermieden werden (kein vorschneller Schluß auf Disposition).

In der Grundschule sind Mädchen eher unehrlich; in der Sekundarstufe eher Jungen.

Kreativität

Kreatives Vorgehen ist originell, zweckdienlich, zutreffend und auf irgendeine Weise originell. Eine Antwort wird dann als "ungewöhnlich" betrachtet, wenn sie in weniger als 1% der Fälle gegeben wird. Nach HOVECAR (1981) läßt sich Kreativität auf verschiedene Arten messen:

Tests über divergentes Denken;

Einstellungs- und Interessefragebögen;

Persönlichkeitstests;

Fragebögen zur Familiengeschichte (Vorerfahrungen);

Benennung durch Lehrer, Gleichaltrige, Vorgesetzte;

ergebnisorientierte Beurteilung;

Ansehen;

Eigenberichte über schöpferische Arbeiten und Leistungen.

Kreativität K scheint praktisch unabhängig von Intelligenz I zu sein. Bestimmte Kombinationen dieser beiden Merkmale können aber von Bedeutung sein:

K+ I+: Selbstkontrolle und Freizügigkeit; sowohl erwachsenes als auch kindliches Verhalten;

K+ I-: Konflikte mit Schule und sich selbst; beste Leistungen unter belastungsfreien Bedingungen;

K- I+: streben traditionelle Leistungen an; leiden unter Mißerfolgen;

K- I-: verschiedene Abwehrmaßnahmen beim Versuch, sich an die Schulumwelt anzupassen.

Originalität scheint nach MALTZMANN (1960) trainierbar zu sein, indem man durch wiederholtes Abrufen auch seltenere Lösungen erzwingt. MAIER (1933) erreichte, daß Schüler beim Lösen von Aufgaben kreativer wurden, indem er sie instruierte, Dinge nicht zu tun, die kreative Lösungen verhindern. Es ist allerdings fraglich, ob die durch Trainingsprogramme gewonnene Kreativität auch in der Lebenswirklichkeit wirksam ist.

Kreativität ist Problemlöseverhalten (Unstimmigkeit Þ Hypothesenbildung Þ Hypothesenprüfung Þ Mitteilen der Ergebnisse) und kann entsprechend gefördert werden. Beim Problemlösen muß es eine Art von Kontrollinstanz geben, die kreative Lösungen selten macht.

Im Unterricht sollte der Lehrer kreatives Verhalten fördern und belohnen; ein entsprechendes Modell sein; eigene Lösungen nicht aufdrängen; Situationen herbeiführen, in denen sich Kreativität zeigen kann; verhindern, daß auf kreative Mitschüler Druck ausgeübt wird.

Selbstbild

Das Selbstbild besteht aus der Gesamtheit der Auffassungen, die man sich selbst gegenüber hat. Es ist hierarchisch gegliedert (z.B. allgemeines Selbstbild - schulisches Selbstbild - mathematische Fertigkeiten). Die spezifischen Bereiche lassen sich wahrscheinlich am leichtesten ändern. Einstellungsänderungen werden leichter über Verhaltensänderungen erreicht als umgekehrt. Schüler mit negativem Selbstbild weisen Erfolgserlebnisse zunächst zurück, um ihr Selbstbild zu erhalten. Äußerungen im verbalen Verhalten, das sich auf die eigene Person bezieht, können zu Änderungen im Selbstbild führen (Þ MEICHENBAUM): Das Hervorrufen positiver Äußerungen über die eigene Person und ihre kontingente Verstärkung kann zu einem positiveren Selbstbild führen.

Gemessene Leistung und Selbstbild korrelieren positiv miteinander. Wahrscheinlich bestimmen schulische Erfolge oder Mißerfolge das eigene Selbstbild. Das Selbstbild läßt dagegen keine Vorhersagen über schulische Leistungen zu. Der Lehrer muß sich deshalb auf die Erfolgs- oder Mißerfolgserfahrungen seiner Schüler konzentrieren.

Angst

Angst als Eigenschaft ist eine allgemeine Disposition, sich von einer Vielzahl harmloser Situationen bedroht zu fühlen. Angst als Zustand bezieht sich auf bestimmte Umweltsituationen. Die allgemeine Angst korreliert mit etwa .6 mit der Prüfungsangst (Zustand). Ängstliche Schüler bringen unter Druck (Zeitdruck, hohe Anforderungen, ...) schlechtere Lösungen als ohne Belastungen; bei den wenig ängstlichen Schülern ist diese Beziehung dagegen umgekehrt (sie sollten also von Seminarbedingungen profitieren). Auf mittlerem Schwierigkeitsniveau bringen angstfreie Schüler bessere Ergebnisse als ängstliche.

Angst korreliert negativ mit allgemeiner Fähigkeit (-.25), Selbstwert (-.38) und positiver Sicht von der Schule (-.15). Unter unstrukturieretn Lernbedingungen sind die Leistungen von ängstlichen Kindern schlechter. Zur Unterstützung der ängstlichen Kinder können folgende Methoden eingesetzt werden:

den Stoff wiederholen (da Angst dessen Aufnahme behindert);

das Material besser strukturieren (da Angst die Informationsverarbeitung stört);

angemessenere Tests oft verwenden (da Angst den Abruf hemmt).

Die emotionale Komponente der Testangst läßt sich durch systematische Desensibilisierung behandeln; mit kognitiven Verfahren läßt sich dann auch die Komponente der Besorgnis (die z.B. die Konzentration stört) reduzieren.

Der Lehrer und die Eigenschaftstheorie

Allgemein neigt man dazu, die Ursachen für das eigene Verhalten den Umweltstimuli (bzw. der Situation) zuzuschreiben, während man bei der Beobachtung von fremden Verhalten eher von stabilen Dispositionen des Akteurs ausgeht. Man sollte sich vor falschen Verallgemeinerungen hüten, da sie selbsterfüllende Prophezeihungen werden können und so auf subtile Weise Druck ausüben.

Wird eine Verhaltensweise eines Schülers als unerwünscht betrachtete, weil sie ihn selbst oder seine Mitschüler beeinträchtigt, sollte man versuchen, das Verhalten zu modifizieren anstatt den Schüler abzustempeln.

9. Die Entwicklung von Geschlechts-Unterschieden

Folgende Probleme ergeben sich bei der Untersuchung von Geschlechtsunterschieden: Die Unterschiede innerhalb einer Gruppe sind immer größer als die Unterschiede zwischen den Gruppen. Es ist schwierig, den genetisch bedingten Anteil der Unterschiede von dem auf unterschiedlichen Sozialisaitionsbedingungen beruhenden Anteil zu unterscheiden. Außerdem werden Untersuchungen, die Geschlechtsunterschiede aufzeigen, eher veröffentlicht.

Intelligenzunterschiede

In der allgemeinen Intelligenz treten kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf, vor allem, weil aus den Intelligenztests alle Items eliminiert werden, die sich zwischen den Geschlechtern unterscheiden. In den Vorschuljahren sind die Intelligenztestwerte von Mädchen höher, in der Sekundarstufe II haben Jungen höhere Werte.

Bei der verbalen Fähigkeit zeigt sich, daß Mädchen über bessere sprachliche Ausdrucksfähigkieten verfügen; es treten aber auch gewisse kulturbedingte Unterschiede auf (in Kulturen, in denen der Grundschullehrer öfter männlich ist, sind die Unterschiede nicht so stark ausgeprägt, z.B. in Deutschland).

Ab Ende der Grundschulzeit schneiden die Jungen besser im rechnerischen Denken ab als Mädchen; dieser Unterschied nimmt später weiter zu; er kann aber auch mit geschlechtstypischen Rollenstandards zusammenhängen, die ebenfalls mit dem Alter zunehmen. In Ländern mit weniger ausgeprägten rollenbestimmten Geschlechtsunterschieden (z.B. Schweden) oder in reinen Mädchenschulen (weniger Rollenerwartungen) fallen die Unterschiede in der mathematischen Fähigkeit geringer aus.

Im räumlichen Vorstellungsvermögen sind männliche Pesonen deutlich überlegen; es scheint vor allem mit dem des gegengeschlechtlichen Elternteils zusammenzuhängen.

Beim Problemlösen zeigen Männer infolgenden Bereichen bessere Leistungen:

sie geben leichter starre Haltungen auf;

sie werden weniger leicht von irrelevanten Signalen beeinflußt;

sie verwenden breitere begriffliche Kategorien;

sie zeigen mehr Neugier und weniger Konservatismus.

Bei den Schulleistungen zeigen Mädchen - insbesondere in den Grundschulklassen - bessere Leistungen.

Persönlichkeitsunterschiede

Frauen haben bezüglich der religiösen Einstellungen höhere Werte als Männer.

Männliche Personen aller Altersstufen sind generell aggressiver.

Frauen zeigen mehr Konformität und sind beeinflußbarer (nach Schätzskalen; bei direkter Beobachtung ist dieser Unterschied nicht so deutlich).

Bezüglich emotionaler Probleme treten bei Jungen öfter Verhaltensprobleme auf, bei Mädchen eher nervöse Gewohnheiten. Frauen zeigen öfter neurotische Symptome.

Männer haben mehr Interesse an naturwissenschaftlichen, theoretischen, mathematischen, usw. Berufen, Frauen eher an literarischen, ästhetischen und religiösen Werten und sozialen und Büroberufen.

Frauen bringen eher in den für sie gesellschaftlich vorgesehenen Bereichen ihre Leistungsmotivation (und höhere Anspruchniveaus) zum Ausdruck, da so mehr soziale Belohnung zu erwarten ist.

Probleme treten durch Furcht vor Erfolg, der als unweiblich gesehen wird, auf. Die Korrrelation zwischen einem IQ-Maß und der zum Ausdruck gebrachten Erfolgserwartung beträgt .62 für Jungen, aber -.42 für Mädchen. Frauen attribuieren ihre intellektuellen Erfolge external und Mißerfolge internal.

Sehr hohe oder sehr niedrige Ausprägungsgrade in den Merkmalen Kühnheit, Impulisivität oder Aggressivität ist mit geringen Leistungsniveaus verknüpft.

Androgynie

In ein und dem selben Menschen können sowohl männliche als auch weibliche Persönlichkeitszüge vereint sein. Als androgyn bezeichnete Menschen weisen sowohl hohe Werte in Selbstständigkeit als auch in Behütungstendenz auf; ihr Geschlechtsrollenverhalten ist anpassungsfähig. Geistiges und physisches Wohlbefinden, Selbstwertgefühl, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität treten bei Personen beiderlei Geschlechts auf, die hohe maskuline Werte verzeichnen. Je höher der Grad des maskulinen Verhaltens bei einer Frau liegt, desto mehr Erfolg ist ihr in unserer Gesellschaft sicher.

Die Entwicklung von Geschlechtsrollen in Familie und Schule

Bereits Kleinkinder werden unterschiedlich behandelt und ihnen werden unterschiedliche Erwartungen entgegengebracht. Diese Stereotype beeinflussen die Interaktionen der Eltern mit ihren Kindern, der Lehrer mit ihren Schülern und der Kinder untereinander. Bei kleinen Jungen fördern Mütter systematisch die allgemeine Aktivität, obwohl sie bereits erregbarer sind. Bei kleinen Mädchen werden eher verbales Verhalten und soziale Interaktion gefördert.

Bei Spielen im Kindergarten betätigen sich Jungen eher körperlich, Mädchen spielen mehr mit Farben, Puppen usw. Aber auch Jungen bekommen den größten Teil ihrer Verstärkung für Spiele, die als weiblich gelten. Nach SEXTON (1969) versuchen Schulen, Jungen zu verweiblichen; die Schule ist eine Welt der Frauen.

In Lehrbüchern treten Frauen meist nur innerhalb der Familie auf; nur Männer sind in der Arbeitswelt. Die männliche Dominanz zeigt sich auch in Lesebuchgeschichten. Mit zunehmender Klassenstufe werden die Männer- und Frauenrollen in den Schulbüchern immer stereotyper. Lehrer sollten auf die folgenden Arten versuchen, ihre eigenen Unterrichtspraktiken einer Prüfung zu unterziegen:

Werden vor allem Jungen zu schwerer Arbeit aufgefordert?

Sollen vor allem Jungen Gruppen führen?

Ist das Geschlecht Grundlage bei der Bildung von Gruppen?

Sollen Jungen gegen Mädchen antreten?

Werden stereotype Bemerkungen getan ("Jungen schlagen Mädchen nicht")?

Macht man sich mehr Gedanken über die Berufsplanung von Jungen?

Werden im Umgang mit Jungen und Mädchen die selben Normen angewandt?

Stehen alle Kurse und Betätigungsmöglichkeiten den Schülern unabhängig vom Geschlecht offen?

Sollen schwangere Schülerinnen oder Lehrerinnen dem Unterricht fernbeleiben?

10. Ausnahmekinder und Sonderpädagogik - Förderung der Hochbegabten

Der behinderte Schüler

1975 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, das sicherstellen sollte, daß alle behinderten Kinder Zugang haben zu einer freien und ihrer Behinderung angemessenen öffentlichen Erziehung. Das Gesetz geht auf die Überzeugung der Eltern zurück, daß sich ihre Kinder nur dann optimal entwickeln können, wenn sie zusammen mit anderen Kindern aufwachsen. Die Leistung eines Schülers muß auf der Grundlage mehrerer Bewertungskriterien beurteilt werden, wenn er in eine Sonderschule abgeschoben werden soll.

Unter Mainstreaming wird verstanden, ein Kontinuum an Förderungsmöglichkeiten zuschaffen, das den Behinderten in den Hauptstrom der amerikanischen Schulbildung einbettet. Ein Schüler darf so lange nicht einer Sonderschule zugewiesen werden, wie seine Entwicklungsmöglichkeiten in einer regulären Klasse angemessen berücksichtigt werden könnenn, auch wenn dazu für ihn spezielle Förderkurse bereitgestellt werden müssen. In Ansprache mit den Eltern und Sonderschulpädagogen soll für jeden Schüler ein individualisiertes Förderungsprogramm entwickelt werden.

Die schulische Integration von Sonderschülern zeigt keine Leistungsveränderungen bei ihnen; die soziale Akzeptanz bei den Mitschülern stieg bei Behinderten leicht an, bei schwer Behinderten sank sie aber. Die Gefahr, in einer vom Konkurrenzdruck geprägten Umgebung zu versagen, ist in integrierten Klassen größer. Die Leistung von Nichtbehinderten in solchen Klassen läßt teilweise nach. Da soziale Akzeptanz von der Leistung abhängt, haben lernbehinderte bzw. verhaltensgestörte Kinder Probleme damit; körperbehinderte oder hör- bzw. sehbehinderte Kinder profitieren dagegen von integriertem Unterricht in dieser Hinsicht. Sowohl für Lehrer als auch für Schüler wurden Verhaltenstrainings entwickelt, um mit Behinderungen im Unterricht besser zurecht zu kommen. Folgende Argumente werden von Lehrern oft in die Diskussion gebracht:

Behinderte müssen in jenen Bereichen als normal behandelt werden, in denen sie keine Behinderungen haben.

Aufgabe des Lehrers ist es, den Schülern zu helfen, alle Menschen wertzuschätzen und Ignoranz und Vorurteil auszumerzen.

Der Lehrer soll behutsam und aufmerksam auf den behinderten Schüler eingehen, auf seine Stärken wie auf seine Bedürfnisse.

Es ist Aufgabe des Lehrers, die Kinder so zu nehmen, wie sie sind, und bei ihren Stärken anzusetzen.

Kategorisierung der Behinderungsarten

Es herrschen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob man Behinderte verschiedenen Kategorien zuordnen soll. Dafür spricht, daß Diagnose und Behandlung erleichtert werden; dagegen spricht, daß Fehldiagnosen möglich sind und daß sich Stereotype so zementieren können.

Spezielle Lernbehinderungen sind dann möglich, wenn der Schüler schlechtere Leistungen zeigt als zu erwarten ist. Ursachen können genetische Defekte, Gehirnschädigungen, Umweltschädigungen oder biochemische Störungen sein. Der Lehrer sollte sich aber auf die beitragenden Verhaltensweisen konzentrieren. Der pädagogische Umgang mit speziellen Lernbehinderungen sollte folgendermaßen erfolgen:

Beschreiben (genaue Erfassung der Probleme, ihrer Häufigkeit und des Kontextes);

Vergleichen mit einer "normalen" Population des gleichen Alters (da manche Probleme in bestimmten Altersstufen ganz normal sind);

Auswerten und Beraten: Die Art und Schwere der Behinderung soll festgestellt werden und Möglichkeiten für ihre Behandlung sollen entwickelt werden. Ein Spezialist sollte einen Behandlungsplan erstellen.

Behandeln: Ein individualisiertes Unterrichtsprogramm soll erstellt werden (1. derzeitiger Leistungsstand; 2. Lernziele; 3. Behandlungsmöglichkeiten). Gewöhnlich ist es wirksamer, gezielt einzelne Verhaltensweisen zu behandeln als deren Ursachen. Es gibt aber keine allein selig machende Methode.

Möglichst neue Behandlungsmethoden solten eingesetzt werden; Ansätze, die sich als wirkungslos erwiesen haben, sollten fallengelassen werden. Man sollte sich darauf konzentrieren, bestimmte kognitive Prozesse des Schülers umzustrukturieren. Möglichst viele Sinne sollten angesprochen werden.

Verhaltensstörungen zeigen sich in der Unfähigkeit, zu lernen; Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen; unangemessenen Verhaltensweisen oder Gefühlen; depressiver Neigung; körperlichen Symptomen oder Ängsten. Sie lassen sich durch standardisierte Kontrollisten erfassen. Auch hier sind genaue Notizen hilfreich, da sich Verhaltensstörungen oft nur in bestimmten Situationen zeigen. Es können positive und negative Verstärkung, Bestrafung oder Verhaltensverträge eingesetzt werden.

Bei geistigen Behinderungen, die sich in deutlich unterdurchschnittlichem IQ und Anpassungsschwierigkeiten zeigen, werden folgende Schweregrade unterschieden:

Geistig stark zurückgeblieben (brauchen Erziehung zur Selbsthilfe, Betreuung und Bewachung);

Geistig zurückgeblieben aber ausbildbar (es lassen sich Fertigkeiten zur Selbsthilfe, Sprachgebrauch, Selbstständigkeit und perzeptive, motorische und sozialinteraktive Fertigkeiten entwickeln);

Geistig zurückgeblieben und erziehbar (zeigen vor allem unangemessene soziale Verhaltensweisen; in der ersten Klasse auffällig durch Schwierigkeiten beim Erlernen von Lesen und Rechnen).

Kommunikationsstörungen sind häufig Begleiterscheinungen von Gehirnschädigungen, Hörbehinderungen, geistiger Retardierung und Lernbehinderungen. Sprechstörungen sind vor allem Probleme der Artikulation, der Stimme und des flüssigen Sprechens. Sprachstörungen sind dagegen Störungen, die beim grundlegenden Verständnis der Sprachsymbole auftreten (z.B. verzögerte Sprachentwicklung und Aphasie). Der Lehrer sollte solche Schüler für angemessene sprachliche Äußerungen besonders loben und dafür sorgen, daß dies Kinder in der Klasse akzeptiert werden. Außerdem sollte er versuchen, die genauen Bedingungen festzustellen, unter denen das problematische Verhalten auftritt.

Hörbehinderungen können zu Problemen bei der Sprechfertigkeit und beim Lesen führen (je früher der Hörverlust einsetzt, desto schlimmer); der IQ wird oft unterschätzt. Das frühzeitige Erkennen von hörgeschädigten Schülern ist wegen der Möglichkeiten medizinischer und operativer Hilfen sehr wichtig.

Bei Sehbehinderungen sollte der Lehrer sich vor allem bemühen,

Orientierung (räumliche Orientierung) und

Mobilität (motorische Koordination, Bewegungshilfen, ...),

Kommunikation (Blindenschrift lesen und schreiben, mit Schreibmaschine, Telefon und Recordern umgehen, ...) und

Zugang zu Informationen (alle verfügbaren Sinne einsetzen)

zu verbessern. Das frühe Erkennen von Sehbehinderungen ist besonders wichtig.

Bei körperlicher oder gesundheitlicher Behinderung sollte der Lehrer versuchen, einen Einblick in die Krankengeschichte des Schülers zu gewinnen und sich auch allgemeine Kenntnisse über die Behinderung und spezielle Methoden zu ihrer Behandlung im pädagogischen Bereich zu beschaffen.

Hochbegabung

Hochbegabung zeichnet sich durch besondere Fähigkeiten in einem der folgenden Bereiche aus: allgemeine intellektuelle Fähigkeit, spezielle schulische Eignung, kreatives und produktives Denken, Führungsqualitäten, künstlerische Fähigkeiten und psychomotorische Fertigkeiten. Solche Kinder sind durchschnittlich von guter physischer Statur, guter Gesundheit, sozial akzeptiert und beliebt, haben weniger emotionale Störungen; die intellektuellen Fähigkeiten steigen mit dem Alter noch an. Lehrer verwechseln oft Konformität mit Begabung. Beim Umgang mit Hochbegabten gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Verfrühung (um Langeweile zu vermeiden, überspringen die Schüler eine Klasse, gehen früher zur Uni oder besuchen Spezialkurse) und Anreicherung (die Schüler bekommen im normalen Unterricht zusätzliche Aufgaben).

Aptitude-Treatment Interaction (ATI)

Die Lehrmethoden sollten optimal auf die Eigenschaften der einzelnen Schüler abgestimmt werden: Schüler mit einer bestimmten Fähigkeit lernen besser, wenn sie nach der einen Methode unterrichtet werden, während Schüler mit anderen Fähigkeiten besser nach einer anderen Methode lernen.

Schüler mit niedrigem Angstpotential lernen in schülerzentrierten Diskussionsgruppen besser als jene mit hohem Angstpotential; letztere lernen dafür besser beim lehrerzentrierten Frontalunterricht.

Die analytische Methode (erst Buchstaben) beim Lesenlernen führt zu einer höheren Wortschatzleistung bei Schülern mit gut ausgeprägten auditiven Fertigkeiten, während die Ganzwortmethode bei Schülern mit schlechteren auditiven Fertigkeiten zu besseren Ergebnissen führt.

Vertreter des ATI-Ansatzes versuchen also verschiedene Methoden, von denen jede einzelne die beste für einen bestimmten Schüler sein kann. Nicht eine Methode allein, nicht ein Test, ein Curriculum, eine Version irgendeiner Lehr-Lern-Strategie ist ausschließlich bei allen Schülern in gleicher Weise erfolgreich.

11. Definition von Lernen und verschiedene Lernformen

Definition von Lernen

Lernen kann als ein Prozeß beschrieben werden, durch den ein Organismus sein Verhalten als Resultat von Erfahrungen ändert. Dabei ist wichtig, daß unter ähnlichen Umständen unterschiedliches Verhalten auftritt. Im eizelnen ist hervorzuheben:

Verhalten bezieht sich auf eine bestimmte Tätigkeit, die von Muskeln oder Drüsen abhängt, und auf das Zusammenwirken von solchen Tätigkeiten. Wird nur beobachtbares Verhalten betrachtet, spricht man von Behaviorismus; die kognitiven Psychologen betrachten eher, welche Veränderungen im Gedächtnis des Menschen stattfinden.

Als Resultat von Erfahrungen bedeutet, daß Veränderungen durch Ermüdung, Adaptation, Drogen und Ähnliches nicht als Lernen bezeichnet werden.

Auch Reifungsvorgängen fallen nicht unter den Begriff Lernen.

Lernen resultiert aus denjenigen Erfahrungen mit der Umwelt, durch die Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen hergestellt werden.

Respondentes Lernen (Klassisches Konditionieren)

Eine unkonditionierte Reiz-Reaktions-Verbindung vollzieht sich immer dann, wenn ein Stimulus (US) eine Organfunktion oder eine emotionale Reaktion auslöst (UR). Wenn wir einen zuvor neutralen Reiz mit dem unkonditionierten Stimulus verbinden, so wird er zu einem konditionierten Stimulus und es erfolgt die Entwicklung einer konditionierten Reaktion beim Auftreten dieses Reizes (auch ohne Auftreten des unkonditionierten Stimulus).

Es ist zum Beispiel möglich positive (angenehme Gefühle) oder negative (Angst) Reaktionen auf die Schule zu konditionieren. Als Folge von Prüfungsangst kann ein Brechreiz auftreten. Auch der Symbolschock (Formelphobie) kann durch Konditionierung von negativen Gefühlen erfolgen. Hunger im Unterricht kann zu einer Konditionierung von Unbehagen und Verkrampftheit auf die Schule führen. Der Unwilligkeit, die Schule zu besuchen, kann durch Unterbrechung der Konditionierung, z.B. durch ein Frühstücksprogramm, abgeholfen werden.

Kontiguitätslernen (Verknüpfungslernen)

Bereits die (zeitliche) Verknüpfung von Ereignissen kann Lernen bewirken: Eine bloße enge kontingente Verknüpfung von Stimulus und Reaktion kann zu einer Verhaltensänderung führen. Im Unterricht findet sich dieser Lerntyp beim mechanischen Auswendiglernen, z.B. des Einmaleins oder von Vokabeln. Die Wirkung dieses Lernmechanismus läßt sich durch Verstärkung oder Förderung der Eigenaktivität noch erhöhen. Auch Stereotypisierung kann auf diese Weise erworben werden, z.B. durch die immer wieder wiederholte klischeehafte Darstellung bestimmter Personen oder sozialer Gruppen. Die Massenmedien, aber auch viele Schulbücher perpetuieren diese Stereotypisierung.

Operantes Lernen (Lernen durch Verstärkung)

Spontan emittiertes Verhalten kann nach Verstärkung mit größerer Wahrscheinlichkeit oder in größerem Umfang auftreten; dies gilt für jedes spontan gezeigte Verhalten. Verhalten, auf das als Konsequenz ein verstärkendes Ereignis auftritt, wird bekräftigt. Das operante Ausgangsniveau bezeichnet die Häufigkeit des spontan produzierten Verhaltens. In der Schule kann zum Beispiel das freiwillige Sichmelden eines Schülers oder die tatsächliche Antwort verstärkt werden.

Beobachtungslernen

Die Wahrnehmung von Personen. die als Modell dienen und ihr Verhalten (Modellverhalten) leiten unser Verhalten. Vor allem, wenn beobachtet wird, wie die Person verstärkt wird, kann es zur Nachahmung des Verhaltens kommen. In dem bekannten Experiment von BANDURA (1969) zeigten die Gruppen, die aggressives Verhalten beobachtet hatten, selbst mehr aggressives Verhalten, unabhängig davon, ob das Modellverhalten in einer realen Situation beobachtet worden war, über einen Film vermitttelt war oder von einer Phantasiefigur aus einer Comicserie dargestellt wurde. Die Gruppe, die ein nichtaggressives Modell gesehen hatte, zeigte dagegen weniger aggressives Verhalten als die Kontrollgruppe. Die Wahrnehmung von Modellverhalten kann sich auf drei Arten auswirken:

Ein Beobachter kann von einem Modell neues Verhalten lernen.

Die Beobachtung eines Modells kann sich darin äußern, daß dadurch eine bereits erlernte Reaktion ausgelöst wird, ihr Auftreten beschleuningt oder erleichtert wird.

Die Wahrnehmung eines Modells kann sich auch in der Hemmung oder Enthemmung von Reaktionen des Beobachters äußern.

Das Beobachtungslernen findet vor der Umsetzung in wahrnehmbares Verhalten statt, also ohne daß das Verhalten gezeigt wird. Stellvertretende Belohnung oder Bestrafung hat deutliche Auswirkungen auf die tatsächliche Ausführung eines Verhaltens; auf die Aneignung scheinen sie sich dagegen nicht auszuwirken.

Die Mehrzahl der Untersuchungen zeigt eine kausale Beziehung zwischen Gewalt im Fernsehen und aggressiven Verhalten. Bis zur 12. Klasse haben die Kinder durchschnittlich etwa 12000 Stunden vor dem Fernseher verbracht. Deshalb sollte sich der Lehrer bemühen, selbst ein Modell für nichtaggressives Verhalten abzugeben.

Kognitives Lernen

Zu den kognitiven Prozessen gehören Einsicht und Verstehen, Denken und Begründen oder die Anwendung von induktiver und deduktiver Logik. Die verhaltensorientierten Lernansätze scheinen dagegen die Wahrnehmung, die Einsicht und die kognitive Verarbeitung der wesentlichen Zusammenhänge zu ignorieren. Für die kognitiven Theorien ist es wichtig, daß die Schüler Wahrnehmungen und kognitive Inhalte neu aufbauen oder umstrukturieren; der Lernprozeß besteht vor allem darin, daß logische Strukturen und Bedeutungszusammenhänge begriffen und verstanden werden.

Der Mensch setzt seine geistigen Fähigkeiten aktiv ein und bearbeitet die aufgenommenen Informationen ständig anstatt sie ohne jede Überarbeitung einfach abzuspeichern. Dies zeigt sich z.B. darin, daß Sätze nicht wörtlich abgespeichert werden, sondern die ihnen zugrunde liegenden Gedanken und Zusammenhänge.

Kognitive Theoretiker befürworten meist, daß die Schüler selbst, ohne fremde Hilfe, zu den notwendigen Einsichten gelangen sollten: Lernen durch Einsicht wird propagiert. Dabei findet eine kognitive Neustrukturierung statt, die sich in den Konzepten der Behavioristen nicht ausdrücken läßt.

12. Operantes Konditionieren: praktische Anwendungsmöglichkeiten

Verstärkung

Positive Verstärkung kann nicht nur in Einzelreizen bestehen, sondern auch in Stimuluskomplexen, Vorgängen, Ereignissen oder immateriellen Konsequenzen. Um ein bestimmtes Verhalten zu verstärken, sollte es genau abgegrenzt werden und ein adäquater Verstärker kontingent (unmittelbar nach Auftreten des Verhaltens) eingesetzt werden. In der Schule kann es sich dabei z.B. um zustimmendes Kopfnicken oder Äußerungen wie "gut" handlen; für jeden Schüler können unterschiedliche Verstärker wirksam sein.

Negative Verstärkung (Entlastung) besteht darin, einen aversiven Stimulus aus der Situation zu entfernen oder eine negative Situation zu beenden (Übelkeit vor der Prüfung Þ Prüfung braucht nicht mitgemacht zu werden Þ Verhalten wird verstärkt).

Primäre Verstärker befriedigen physiologische Bedürfnisse (z.B. Nahrung, sexueller Kontakt, ...); sekundäre Verstärker (z.B. Geld oder gute Noten) können zuvor in verschiedener Weise mit primären Verstärkern gekoppelt gewesen sein. Folgende Verstärkungspläne können eingesetzt werden:

Bei kontinuierlicher Verstärkung wird jede einzelne Reaktion bekräftigt (im Gegensatz zur intermittierenden Verstärkung).

Festquotenpläne (jede n. Reaktion wird verstärkt; z.B. bei programmiertem Unterricht) können stabile Reaktionen hervorrufen, insbesondere, wenn die nötige Anzahl der Reaktionen für eine Verstärkung relativ hoch ist. Praktisch beginnt man am besten mit kontinuierlicher Verstärkung, setzt dann Festquotenpläne mit zunehmender Reaktionshäufigkeit ein und hört zuletzt ganz mit der Verstärkung auf (Ausblenden externer Verstärker). Intermitttierende Verstärkung führt zu einer größeren Verhaltenspersistenz.

Variable Quotenpläne (z.B. beim einarmigen Banditen) veranlassen die Produktion von wesentlich mehr Reaktionen als bei einem Festquotenplan mit gleichem Verstärkungsdurchschnitt. Dieses Verhalten ist am schwersten zu löschen. Diese Pläne findet man in der Schule, wenn es darum geht, sich freiwillig zu melden.

Festintervallpläne verstärken die ersten Reaktion nach Ablauf eines bestimmten Zeitintervalls; unmittelbar nach der Verstärkung sinkt die Reaktionsrate ab (z.B. Lernverhalten von Schülern vor Prüfungen).

Variable Intervallpläne führen zu stabilen und gleichbleibenden Reaktionsraten und sind nur schwer zu löschen (z.B. im Sprachlabor, wenn die "Einschaltquote" für jeden Schüler zufällig ausgewählt wird). Überraschungsprüfungen gehören ebenfalls zu diesen Plänen; dabei besteht aber die Gefahr der Entwicklung von hoher Prüfungsangst.

Bei kontingenter Verstärkung sind die Bedingungen eindeutig festgelegt, auf die hin die Verstärkung erfolgt, die eindeutig vom Auftreten einer bestimmten Reaktion abhängt. Kontingenzmanagement bezieht sich auf den Einsatz von kontingenten Verstärkern,

Nach dem Premack-Prinzip können Verhaltensweisen, die eine hohe Auftretenswahrscheinlichkeit besitzen, als Verstärker für Verhaltensweisen benutzt werden, die eine niedrigere Auftretens-Wahrscheinlichkeit besitzen. Bei der praktischen Anwendung ist es wichtig, daß die stärker bevorzugte Tätigkeit nach dem Auftreten der weniger bevorzugten und in Abhängigkeit davon eingesetzt wird.

Beim Einsatz eines Kontingenzvertrages zwischen Lehrer und Schüler sind folgende Punkte zu beachten:

Die Belohnung beim Erfüllen des Vertrages sollte unmittelbar erfolgen.

Am Anfang sollten leichte Aufgaben verwendet werden (sukzessive Approximation).

Zu Beginn sollten die Belohnungen häufig, aber klein sein.

Es sollte Bewältigung, nicht Gehorsam, belohnt werden.

Das Verhalten soll nach seinem Auftreten belohnt werden.

Der Vertrag muß fair, klar und ehrlich sein; schriftliche Fixierung ist förderlich.

Der Kontingenzvertrag sollte positiv sein (positive Verstärkung als Belohnung).

Stimuluskontrolle

Die Reaktion wird von dem Stimulus, der ihr vorausgeht, kontrolliert; z.B. wirkt das Aufgerufen-Werden durch den Lehrer als ein Stimulus dafür, daß Sprechen akzeptiert wird. Ein Stimulus kann Auslösefunktion (bei der klassischen Konditionierung) und Hinweisreiz (bei operanter Konditionierung; zeigt an, daß auf bestimmte Reaktion Verstärkung erfolgt) sein. Der Hinweisreiz muß erkennbar und wahrnehmbar sein.

Reizdiskrimination zeigt sich z.B. darin, daß die Schüler lernen, einen Blick des Lehrers, der sie zum Sprechen auffordert, von einem lediglich beobachtenden Blick zu unterscheiden und unterschiedlich darauf zu reagieren (z.B. auch Unterscheidung von d und b). Reizgeneralisierung bezieht sich darauf, daß die gleiche Reaktion auf ähnliche, aber nicht gleiche Stimuli hin erfolgt. Bei der Begriffsbildung wirken Generalisierung und Diskrimination zusammen.

Die Eliminierung von unerwünschtem Verhalten

Die Extinktion eine Verhaltens ist das Absinken der Reaktionsrate nach dem Ausbleiben einer Verstärkung; bei einer vollständigen Extinktion bis auf das Ausgangsniveau,das vor dem Einsetzen jeglicher Verstärkung zu beobachten war. Um einen Kausalzusammenhang zwischen Verstärkung und Verhaltenshäufigkeit zu zeigen, wird in einem Experiment häufig eine Löschungsphase mit einbezogen, so z.B. in einer Untersuchung von SCHMIDT und ULRICH (1969) zum Geräuschpegel in einer Klasse von 29 Viertklässlern.

Viele unterrichtsstörende Verhaltenweisen werden durch die Aufmerksamkeit, die ihnen der Lehrer schenkt, ungewollt verstärkt und aufrechterhalten. Um es zu löschen, kann einfaches Ignorieren am effektivsten sein. Die Technik der differentiellen Verstärkung alternativer Verhaltensweisen verstärkt alle Rektionen außer der zu löschenden; auf ähnliche Weise können auch niedrige Reaktionsquoten diffrentiell verstärkt werden.

Bestrafung vom Typ I liegt vor, wenn auf eine Reaktion hin ein negativer oder aversiver Stimulus erfolgt. Dabei besteht die Gefahr, daß der Bestrafende generell aversive Stimulusqualitäten annimmt. Unter folgenden Bedingungen kann dadurch Verhalten dauerhaft unterdrückt werden:

Die Bestrafung muß unmittelbar auf das zu löschende Verhalten erfolgen.

Keine Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten.

So intensiv wie nötig.

Eine alternative Reaktion muß zur Verfügung stehen.

Bestrafung vom Typ II kann in folgenden Vorgehensweisen bestehen:

Auszeit (z.B. einem Schüler die Teilnahme an interessanten Tätigkeiten untersagen).

Folgekosten (kontingenter Entzug von Verstärkern, z.B. Geldstrafe).

Nach WALTERS und GRUSEC (1977) hinterläßt Argumentieren nur dann eine Wirkung, wenn der betreffende Schüler zuvor häufig bestraft worden ist.

Ethische Probleme

Der ethische Wert von operantem Konditionieren hängt vom Zweck ab; gerechtfertigt scheint es bei Bettnässen, Autismus oder körperlicher Aggression. Wenn die angestrebten Verhaltensweisen und Einstellungen über rationale Prozesse erreicht und gerechtfertigt werden können, sollte man anstelle von operanter Konditionierung lieben rationale Prozesse einsetzen.

Unter ethischen Gesichtspunkten muß bei der Anwendung von Konditionierungsprozessen im Unterricht 1. die Kooperation des Schülers sichergestellt sein und 2. sollte er es bewußt wahrnehmen, daß diese Methoden dazu eingesetzt werden, sein Verhalten zu ändern. Operante Techniken werden dazu eingesetzt, bei Personen, die sich durch ihr eigenes Verhalten in ihrem Freiheits- und Entscheidungsspielraum selbst eingeengt haben, Selbstregulationsmechanismen zu entwickeln. Es sollten weitgehend solche Methoden angewandt werden, die sich auf intrinsische Belohnungen und Anreize stützen. Auch Schüler können lernen, sich selbst zu verstärken und dadurch von einer äußeren Verstärkungsinstanz unabhängig zu werden.

13. Die kognitive Verarbeitung von Informationen

Man versucht, die kognitiven Prozesse zu verstehen und zu beschreiben, die beim Lernen von bedeutungshaltigem verbalen Material eine Rolle spielen: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Gedankenstrukturierung, Übung, Vergessen, Wiedererinnern und Sinnstiften.

Informationsaufnahme und -verarbeitung

Grundsätzlich wird von vier verschiedenen Systemen zur Informationsaufnahme und -verarbeitung ausgegangen: sensorischer Kurzzeitspeicher, Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis.

Die Orientierungsreaktion zentriert die Aufmerksamkeit eines Individuums auf den Stimulus, der die Orientierungsreaktion ausgelöst hat, so daß sich das Individuum entscheiden kann, ob es flüchten oder verharren, sich auf ein Opfer stürzen oder einfach nur den Stimulus genauer betrachten soll. Die Stimuli, die eine Orientierungsreaktion hervorrufen können, lassen sich in folgende Kategorien einteilen:

Psychophysische Stimuli: Vor allem Veränderungen einer Stimulusqualität rufen eine Orientierungsreaktion hervor. Der Lehrer kann z.B. die Intensität oder Tonhöhe seiner Sprache verändern; mehrfarbige Grafiken präsentieren; ungewöhnliche Schreibweisen oder Anordnungen verwenden; usw.

Emotionale Stimuli: Texte mit emotionsgeladenen Wörtern werden schneller gelernt; der eigene Name wird auch in Stimmengewirr verstanden. Diese Quelle der Aktivierung kann im Unterricht z.B. durch bildkräftige Ausdrücke der Umgangssprache, die eine emotionale Bedeutung besitzen, angewandt werden.

Stimulusdiskrepanzen: sind Abweichungen vom Bekannten oder Erwarteten, z.B. der Kontrasteffekt. Zur Anwendung dieser Kategorie kann sich z.B. der Lehrer auf den Fußboden setzen, die Tafel falsch beschriften, oder eine Aufgabe falsch lösen. Weitere Formen der Stimulusdiskrepanz sind Komplexität als Abweichung vom einfachen Kontext, Stimulusambiguität (Karte ohne Details soll von den Schülern ausgefüllt werden) und Inkongruenz (Fliegende Fische, Schneesturm am Äquator).

Aufforderungsreize: sind verbale Stimuli, mit Aufforderungs- oder Befehlscharakter, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, daß das Individuum sie befolgt. Der Lehrer kann z.B. "was nun kommt, ist sehr wichtig" oder "paßt genau auf" sagen. Werden bestimmte Aufforderungsreize sehr oft verwendet, lassen sie aber in ihrer Wirkung nach.

Kurzzeitgedächtnis und Vergessen

Im Kurzzeitgedächtnis gespeicherte Information wird schnell wieder vergessen, sogar wenn sie sehr oft aufgenommen wird (NICKERSON & ADAMS: Beschreiben Sie einen Penny). Der Lehrer muß deshalb versuchen, den natürlichen Vergessensvorgang zu bekämpfen. Wenn gespeicherte Information nicht erinnert werden kann, sind mehrere Gründe dafür möglich: Abrufprobleme, Interferenz mit früher gespeicherten Informationen oder Zerfall der Erinnerungsspur. Insbesondere bei sinnlosem Material schwindet die Fähigkeit, sich an einzelne Wörter zu erinnern, sehr schnell. Einzelne Fakten werden relativ schnell vergessen, die Fähigkeit, gelernte Prinzipien anzuwenden oder neue Daten zu interpretieren, bleibt dagegen stabil.

Begabte Schüler behalten mehr als Durchschnittsschüler und diese wiederum mehr als Schüler mit nur geringer Begabung.

Langzeitgedächtnis

Um ins Langzeitgedächtnis zu gelangen, muß das im Kurzzeitgedächtnis gespeicherte Material mit Assoziationen angereichert werden und für eine gewisse Zeit im Focus der Aufmerksamkeit bleiben. Das Hauptproblem ist dabei nicht die Speicherung, sondern das Abrufen und Verfügbarmachen. Zur Speicherung existieren verschiedene Theorien:

Kodierung durch RNS-Moleküle.

Hologrammtheorie (aus beliebigen Teilen eines Hologramms kann das gesamte Hologramm projeziert werden; je kleiner die Teile, desto unschärfer wird jedoch die Projektion).

Visuelle, verbale und sinnorganisierende Speichersysteme: Die Dopelkodierungstheoretiker (PAIVIO) glauben, daß jede Information an sensorische Eingaben gebunden ist. Was durch den visuellen Sinn hereinkommt, wird bildhaft gespeichert, was durch Hören aufgenommen wird, verbal. Auch die Kombination von visueller und verbaler Speicherung ist möglich; schließlich kann auch über die Bedeutung gespeichert werden.

Semantische Netze (ANDERSON): Der Bedeutungsgehalt ist für die Speicherung sehr wichtig. Die einzelnen gespeicherten Elemente sind Propositionen, die zusammen sich überschneidende und hierarchische Netzwerke bilden (das assoziative Gedächtnis).

Der Bedeutungsgehalt des Lehrstoffes läßt sich durch die Anzahl der Assoziationen, die sich mit einer bestimmten Information verbinden, messen. Bedeutungshaltiges Material besitzt einen hohen Bekanntheitsgrad. Der Bekanntheitsgrad (die Vertrautheit) spielt sogar bei der Beurteilung von Syllogismen eine Rolle: Werden Phantasiebegriffe verwendet, ist die Irrtumsquote höher als bei Beispielen aus der echten Welt. Je reichhaltiger das Netz von Assoziationen ist, in das eine Information für den Schüler eingebunden ist, und je differenzierter die Sinneinheiten in diesem Netzwerk sind, desto schneller wird gelernt und desto langsamer wird vergessen.

Durch das Einschalten von Mediatoren wird ein Bedeutungszusammenhang zwischen zuvor isolierten Elementen des Lehrstoffes hergestellt. Im Gegensatz zu geistig retardierten Kindern erwerben Kinder der Mittelschicht während ihrer Sozialisation die Fähigkeit, von sich aus (auch ohne direkte Instruktion) bedeutungsstiftende Vermittlungsglieder zu verwenden. Solche Mediatoren können auch im Unterricht eingesetzt werden.

Nach AUSUBEL wird durch eine Vorstrukturierung des Unterrichtsstoffes dem Schüler eine Reihe von übergeordneten Begriffen vermittelt, die es gestatten, Gruppen von mehr spezifischen Begriffen und Informationen jeweils zu einer Einheit zusammenzufasssen. Nach dieser Vorstellung können hierarchisch strukturierte Inhalte, da sie der hierarchischen Struktur des Speichersystems entsprechen, leichter aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Durch Vorstrukturierung soll eine Art geistiges Gerüst vermittelt werden, das dem Schüler Anhaltspunkte für die nachfolgenden Informationen bietet und ihren Aufbau erkennen läßt.

GAGNE konnte zeigen, daß eine systematische Gliederung des Lehrstoffes auf der Basis der zugrundeliegenden Hierarchie zu einer Zunahme der Lerneffektivität führt. Das Verständnis von sehr abstrakten Begriffen oder Vorstellungen wird am besten durch Bedeutungsgehalt und Bekanntheit der Elemente vermittelt. Der Schüler sollte den jeweils nächsten Schritt in einer Lernsequenz erst dann vollziehen, wenn er das Material aus der vorangegangenen Stufe beherrscht.

NACH BOWER und anderen erinnern Versuchspersonen, denen nach Kategorien geordnete Listen vorgelegt wurden, etwa drei mal so viele Wörter wie diejenigen, denen ungeordnete Listen vorlagen. Hierarchische Organisation von Lernmaterial kann also als Orientierungshilfe dienen.

Schemata sind nach RUMELHART abstrakte Strukturen, die das im Gedächtnis gespeicherte Wissen repräsentieren; es ist "ein Regal mit lauter Fächern, in die wir unsere Erfahrungen einordnen." Eine generelle Maxime sollte sein, daß die Schemata, die ein Schüler bereits erworben hat, prinzipiell das bestimmen, was er aus dem Unterricht lernt. Wenn die relevanten Schemata nicht existieren, muß der Lehrer einen Kontext oder ein Schema dessen, was gelernt werden soll, herstellen. Tut er dies nicht, wird der Schüler seine eigenen Schemata einbringen, die möglicherweise unangemessen sind. Die Schemata, die in eine Lernerfahrung eingebracht werden, beeinflussen das, was gelernt und erinnert wird. Eine metaphernreiche Sprache im Unterricht ist dabei förderlich, neue Informationen in bestehende Schemata einzubeziehen.

Aktives Lernen

Aktives Lernen erhöht die Erinnerungsleistung des Schülers dadurch, daß mehr assoziative Verbindungen zum Lernstoff hergestellt werden und daß die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Lernstoff gerichtet ist. Der nominale Stimulus ist die präsentierte Information; der effektive Stimulus ist die tatsächlich aufgenommene Information. Mathemagenisches Verhalten beschreibt die Tatsache, daß der Lehrstoff erst durch die Eigenaktivität des Schülers zu etwas Gelerntem wird, daß es also letztlich der Schüler ist, der etwas Gelerntes hervorbringt.

Lautes Aufsagen ist für den Lernerwerb förderlich; dies kann daran liegen, daß die Information zusätzlich auditiv kodiert wird und daß als zusätzliche Kodierung psychomotorische Reaktionen (sprachliche Artikulation) vorhanden sind. Außerdem findet zusätzliche explizite Wiederholung statt und die Aufmerksamkeit muß auf das Lernmaterial gerichtet sein. Empirisch (HOVLAND, LUMSDAINE & SHEFFIELD, 1949) zeigte sich, daß lautes Aussprechen der richtigen Antworten die Lernleistung dann erhöht, wenn keine Überprüfung des Lernerwerbs erwartet wurde; wurde sie erwartet, zeigten sich keine Unterschiede.

Körperliche Betätigung wurde von KUNIHIRA zum Erlernen der japanischen Sprache eingesetzt: Er begleitete Handlungen mit den entsprechenden Ausdrücken und die Schüler mußten die Handlungen nachmachen, wenn er das entsprechende Wort sprach. Für den deutlichen Lerneffekt dieser Methode sind wahrscheinlich auch Anreicherungen mit Assoziationen verantwortlich: Zusätzlich zur Assoziation mit dem Bedeutungsgehalt wird auch eine Tätigkeit assoziiert (psychomotorische Erfahrungen).

50% Überlernen wird definiert als 50% mehr Lernversuche als zur Beherrschung (erste korrekte Wiedergabe) des Lernmaterials notwendig ist. Überlernen führt zu einer ausgeprägten Zunahme der Erinnerungsleistung; je mehr, desto besser. Die Wiederholungen können dazu führen, daß verschiedene Lernarten zum Zuge kommen und daß der Stoff in persönlich bedeutsame Gedankenkomplexe eingebunden werden kann. Es kommt zur Herausbildung eines wirkungsvolleren Kodierungssystems. Problemlöse- und Transferfähigkeiten nehmen mit jedem Durchgang zu.

Folgende Gedächtnishilfen werden genannt:

Bildhaftes Vorstellen: Der von LURIA beschriebene Gedächtniskünstler codierte alles, was er wahrnahm, in mehrfacher Form (Synästhesie). Dadurch konnte er sich alles merken. Wenn verbales Material mit bildhaften Vorstellungen verknüpft wird oder nonverbale Stimuli mit einem verbalen Etikett versehen werden, dann werden die gespeicherten Repräsentationen viel leichter zugänglich. Der Schüler sollte deshalb lernen, wie er bildhafte Vorstellungen und verbales Material verknüpfen kann. Im Unterricht sollten konkrete Wörter verwendet werden. (Es ist fraglich, ob Kinder unter sieben Jahren von der Aufforderung, bildhafte Vorstellungen zu entwickeln, profitieren.)

Lokalisierungsmethode: Mit dieser Methode läßt sich die Erinnerungsfähigkeit bis auf das siebenfache steigern. Zuerst wird eine Liste von vertrauten Orten gelernt (z.B. Weg zur Uni). Dann werden die einzelnen Elemente des Lernmaterials auf dieses Koordinatensystem bezogen. Die bildlichen Vorstellungen der Orte und die verbalen Etikette des Lernmaterials werden verknüpft.

Schlüsselwortmethode: Fremdwort und muttersprachliches Schlüsselwort werden zu einem visuellen Komplex verknüpft.

Sinnerzeugendes Lernen

Nach WITTROCK findet kognitives Lernen dann statt, wenn der Schüler den Lernstoff für sich selbst in bedeutungshaltige Informationen umstrukturiert, d.h. er generiert sich den Bedeutungsgehalt. Das Einfügen vertrauter Wörter in Schultexte hilft, bedeutungshaltige Verbindungen zwischen dem, was gelernt werden soll, und dem eigenen Gedächtnissystem herzustellen. Dadurch kann das Leseverständnis drastisch angehoben werden. Es gibt viele Möglichkeiten, solche Verbindungen wirksam werden zu lassen: bildhafte Vorstellung; Organisationshilfen; Vorstrukturierung; Mediatoren; Schlüsselwortmethode; kurze Zusammenfassungen von Textabschnitten; Analogien; Vergleiche und Metaphern in der Unterrichtssprache; die Auslösung passender Schemata.

14. Soziale Lerntheorie

Das menschliche Verhalten ergibt sich aus einem ständigem Wechselspiel zwischen Umwelteinflüssen und individuellen Faktoren. Dabei sind die Umweltbereiche, in denen sich der Mensch bewegt, keine Zufallserscheinungen, sondern von ihm selbst durch sein eigenes Verhalten ausgewählt und verändert.

Beobachtungslernen:

Beobachtungslernen läuft in vier Phasen ab:

Aufmerksamkeitsphase: Modellen mit hohem sozialen Status, hoher Kompetenz und Sachkenntnis - also auch Lehrern - wird besondere Aufmerksamkeit zugewendet (bei hohem Prestige werden sogar Kleidungsstil oder Verhaltensweisen imitiert). Die persönlichen Merkmale des Abhängigkeitsbedürfnisses, Selbstwertgefühls und der Eindruck von der eigenen Leistungsfähigkeit bestimmen, ob ein Schüler dem Verhalten des Modells folgt. Steht der Anreiz im Vordergrund, werden andere Faktoren, die die Aufmerksamkeit senken könnten, überlagert. Das imitative Lernen wird durch die Sorgfalt erleichtert, mit der der Lehrer als Modell dem Schüler hilft, die wichtigen von den weniger wichtigen Aspekten des Unterrichts zu trennen.

Behaltensphase: Um Behalten des beobachteten Verhaltens zu erreichen, sind Aufmerksamkeit und symbolische Repräsentation des Verhaltens notwendig. In dem Moment, in dem eine Tätigkeit beobachtet wird, müssen auch die verbalen und/oder visuellen Gedächtnishilfen und Schemata, die für dieses Verhalten notwendig sind, gebildet werden. Stilles Einüben (ohne offenes Ausüben des Verhaltens) ist hilfreich.

Reproduktionsphase: Die bildhaften oder verbalen symbolischen Kodes im Gedächtnis leiten die eigentliche Ausführung oder praktische Umsetzung des neu gelernten Verhaltens. Die erkennbare Umsetzung bestimmter Verhaltensweisen ist besonders dann wichtig, wenn aus der Körperhaltung Hinweise entnommen werden sollen, die dann das eigene Verhalten leiten sollen. Diese Phase erlaubt es dem Modell/Trainer zu sehen, ob alle Teilkomponenten einer Verhaltenssequenz richtig gelernt wurden. Feedback über die richtigen, insbesondere aber die falschen Teile des gezeigten Verhaltens kann über unangemessene Reaktionen informieren, bevor diese sich zu Gewohnheiten entwickeln.

Motivationsphase: Durch Verstärkung und Bestrafung, auch durch stellvertretende, wird die Motivation des Lerners angesprochen, das Verhalten zu zeigen, nicht aber das Lernen selbst. Wird in der Schule ein Schüler verstärkt oder bestraft, werden alle anderen Schüler stellvertretend mit verstärkt oder bestraft. In einem Experiment von BANDURA zeigten Kinder häufiger beobachtete aggressive Verhaltensweisen, wenn ein Modell dafür belohnt wurde, als wenn es dafür bestraft wurde. Wurden die Kinder aber dafür belohnt, das Verhalten zu zeigen, traten keine Unterschiede mehr auf (also war durch die stellvertretende Belohnung nur die Motivation, nicht das Lernen, betroffen). Gewalt und Aggresion im Fernsehen können eine negative Auswirkung auf die Kinder haben, insbesondere wenn sie nicht bestraft werden.

Der Lehrer als Verhaltensmodell sollte folgende Techniken zur Gestaltung des Unterrichts anwenden:

darauf achten, daß die Kinder aufmerksam mitarbeiten;

jede Tätigkeit in ihrem Ablauf beschreiben;

Gedächtnishilfen zur Intensivierung der Verschlüsselungsleistungen bei der Auseinandersetzung mit dem Lernstoff anbieten;

das selbe Verfahren bei jedem Beispiel anwenden;

die Kinder auffordern, ihre Arbeit zu beurteilen.

Selbststeuerung des Verhaltens

Indem wir unsere eigenen kognitiven Prozesse und unsere eigene bewußte Gestaltung unserer Lebenswelt beeinflussen, können wir uns durch selbsterzeugte Belohnungen und Strafen motivieren, d.h. wir können unser eigenes Verhalten steuern. Dazu können drei Prozesse eingesetzt werden:

Beobachtung der eigenen Verhaltensleistung: Registrieren der zeitlichen Erstreckung oder Häufigkeit des Verhaltens führt wahrscheinlich zu Selbstbeurteilung und selbstbestimmter Verstärkung.

Beurteilung der eigenen Verhaltensleistung: Viele Leistungsnormen, z.B. die zum Versuch der Lösung schwieriger Aufgaben aufgewendete Zeit, sind von Modellen aus unserer sozialen Umwelt übernommen. BANDURA fand in einem Experiment: "Kinder, die einem Modell mit geringen Leistungsansprüchen zugeteilt waren, ließen sich gehen und waren selbstgefällig, auch bei nur geringen Erfolgen; im Gegensatz dazu äußerten die Kinder der Gruppe mit hohen Gütemaßstäben bei gleich schlechten Ergebnissen Selbstverleugnung und Selbsterniedrigung." Wenn die Erwachsenen also zu nachsichtig sind, geben sich die Kinder mit Durchschnittsleistungen zufrieden. Unrealistisch hohe Normen können aber andererseits zu Depression, Verzweiflung, Ziellosigkeit und selbstzerstörerischen Tendenzen führen.

Wichtig sind auch selbstbestimmte Konsequenzen: Menschen, die ihr eigenes Verhalten belohnen, erbringen nach BANDURA signifikant höhere Leistungen. Selbstbelohnung bzw. bestrafung kann auch über kognitive Mechanismen ablaufen ("das habe ich gut gemacht"). Auch durch Umstrukturierung der sozialen Umwelt können Selbstbelohnung und -bestrafung wirksam gemacht werden ("wenn ich den Text gelesen habe, kann ich ins Kino gehen). Der Lehrer kann den Schülern bei der Steuerung ihres Verhaltens behilflich sein:

Die Schüler sollen lernen, sich selbst genau zu beobachten;

Kontingenzverträge für Verhaltensänderungen;

Kontrolle über die Kontingenzverträge sollte nach und nach den Schülern übertragen werden;

Den Schülern die Möglichkeiten der eigenen verbalen Instruktion und Selbstbelohnung zeigen;

Wenn die Schüler ihr Verhalten selbst kontrollieren, die Kontingenzabmachungen zurückziehen.

15. Verbesserung des Lerntransfers

Was in der Schule gelernt wird, soll den Schüler auf außerschulische Situationen vorbereiten. Der Unterricht soll deshalb so aufgebaut werden, daß er positiven Transfer fördert und negativen Transfer vermeidet.

Nach der Theorie der identischen Elemente (z.B. THORNDIKE) findet Transfer von einer Aufgabe zu einer anderen nur insoweit statt, als in beiden Aufgaben gemeinsame Wahrnehmungs- und Verhaltenselemente vorhanden sind. Augrund solcher Argumente äußerte sich THORNDIKE gegen die Lehre von der formalen Bildung (allgemeiner Transferwert bestimmter Fächer, z.B. Latein gut für logisches Denken, ...). Er verglich den IQ-Zuwachs von Schülern, die sich nur in der Wahl eines Fachs unterschieden; keines der in seiner Untersuchung erfaßten Unterrichtsfächer hatte einen wesentlichen Transfereffekt. Diejenigen Schüler jedoch, die bereits erhebliche intellektuelle Fähigkeiten besaßen, erzielten den größten IQ-Zuwachs, unabhängig davon, welches Fach sie wählten.

Nach der Idee der identity of substance bewirkt eine direkte inhaltliche Übereinstimmung den Transfer. Es gibt aber auch eine identity of procedure, also des generellen Lösungsprinzips und der Regeln. JUDD (1908) stellte eine Theorie zum Transferwert allgemeiner Lösungsprinzipien auf. Deren Anwendung im Unterricht setzt einen Lehrplan voraus, der auf einem sukzessiven positiven Transfer von niedrigeren zu höheren Lernebenen basiert; an der Spitze dieser hierarchisch gegliederten Lernebenen steht dabei das Lernen von allgemeinen Regeln und Prinzipien.

Regeln können aber auch einen negativen Transfer bewirken, wir sich bei der Umschüttaufgabe von LUCHINS zeigt. Grundschulkinder können z.B. auch Regeln lernen, die sie davon abhalten, unabhängig zu arbeiten, ihre Arbeitsaufgaben und Lernmaterialien selbstständig auszuwählen; sie werden dadurch abhängig von äußeren Impulsen und Kontrolle. Wer dagegen z.B. die Technik des Brainstorming erlernt hat, wird sie auch bei neuen Aufgaben einsetzen können.

Den Schülern sollte der Transferwert von betimmten Regeln deutlich gemacht werden: Man soll versuchen, Hilfestellungen für die situationsgerechte Anwendung von Unterrichtsstoff in den verschiedensten Bereichen zu geben.

Heutige Sichtweisen

Metakognition ist das Wissen über das eigene Wahrnehmungsystem; das Denken darüber, was man weiß und das Denken darüber, wie man einen Lernprozeß organisiert. Metakognitive Fertigkeiten sind Fertigkeiten zur Selbstüberwachung, die während des Lern- und Unterrichtsprozesses aktiviert werden. Im Vergleich zu durchschnittlich begabten Schülern zeigen Schüler mit leichten Lernbehinderungen oder geringfügig geistig behinderte Schüler manchmal metakognitive Defizite. Durch das Erlernen von metakognitiven Regeln wurden die Texterfassungsleistungen in einem Experiment von PALINCSAR und BROWN (1981) bei leicht lernbehinderten Kindern deutlich angehoben. Die gerlernten metakognitiven Strategien wurden auch auf den regulären Unterricht übertragen.

Viele Schüler müssen also metakognitive Fertigkeiten erst lernen. Das können sie nur, wenn sie die Generalisierung kognitiver Strategien beherrschen, denn sonst ist jede neue Aufgabe in ihrer Komplexität unbewältigbar. Es soll nicht nur eine Strategie für die Lösung der Aufgabe, sonder auch Strategien zur Überwachung des Tuns vermittelt werden. Im Unterricht passiert es viel zu oft, daß die meiste Zeit mit der Vermittlung von Instruktionen für Anfänger verbraucht wird, und nur wenig Zeit dafür aufgewendet wird, metakognitive Fertigkeiten zu vermitteln.

Experten können ihre Kenntnisse so organisieren, daß sie sie auf scheinbar neue Aufgaben anwenden können. Bei Schachexperten (DE GROOT) werden in den aktuellen Spielkonfigurationen bestimmte bekannte Muster aus einer Bibliothek von 50 000 Stellungen wiedererkannt. Auch Experten auf dem Gebiet der Physik versuchen, ein neues Problem einem betimmten Typus zuzuordnen, das Problem anschaulich im Gedächtnis zu erfassen und vertraute Routineverfahren anzuwenden, die sich mit Lösungen bestimmter Probleme verbinden, denen sie zuvor schon einmal begegnet sind. Sie besitzen also ein kognitives Schema zur Lösung der Aufgaben. Neulinge dagegen müssen jede Aufgabe völlig neu lösen und haben deswegen entsprechende Schwierigkeiten. Für den Unterricht ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:

Die Schüler müssen in einem Wissensbereich langandauernde Erfahrungen gesammelt haben, um die Fertigkeiten gelernt zu haben, die gebraucht werden, wenn Transfer auftreten soll.

Der Lehrer kann dem Schüler helfen, seine Probleme zu lösen, indem er mit Absicht die erforderlichen Problemlösungsstrategien modellhaft vorlebt.

Transfer im Unterricht

Nach der Theorie der identischen Elemente sollte man so oft wie möglich dem Schüler das, was er lernen soll, direkt vermitteln. Dadurch könnte oft viel Zeit, die für Vorbereitungen verwendet wird, gespart werden. Das Lernen komplexer Fertigkeiten kann durch Aufspaltung in Teilkomponenten erleichtert werden.

Der Lehrer sollte versuchen, die wissenschaftliche Methode als breit anwendbare Untersuchungsmethode zu vermitteln. Dabei sollten auch übertragbare Hilfsmittel und Arbeitstechniken vermittelt werden. Neue Lösungsprinzipien und Arbeitstechniken sollten durch möglichst viele Beispiele eingeführt werden, um die Breite des Anwendungsspektrums sichtbar zu machen. Auch die Einstellungen des Menschen zu sich und zu den Lernbereichen unterliegen dem Transfer. Folgende Richtlinien zum Transfer im Unterricht lassen sich aufführen:

Die Trainingssituation sollte der Realsituation so weit wie möglich entsprechen.

Vor dem Transfer viele Übungsmöglichkeiten zur Grundaufgabe.

Vielseitige Übungsmöglichkeiten in verwandten Problembereichen.

Bei ähnlichen Stimuli, auf die unterschiedlich reagiert werden soll, kann negativer Transfer eintreten. Deshalb sollten die Unterschiede herausgearbeitet werden (Stimulusvordifferenzierung).

Zu Beginn längerer und komplexer Aufgaben sollten erfolgreich abgeschlossene Lernschritte stehen.

Möglichst viele Beispiele; auch von den Schülern genannte eigene Anwendungsbeispiele.

Schüler sollen laut denken, um die innere Logik ihrer metakognitiven Strategien kennenzulernen.

16. Der Einfluß der Motivation auf das Lernen

Das Konzept der Motivation dient dazu, zeit- oder aufgabenbezogene Unterschiede bei ein und der selben Person oder Unterschiede zwischen zwei im Typ ähnlichen Personen aufzuklären, die nicht durch Fähigkeit oder Ähnliches erklärbar sind. Motivation kann als Energie und Ausrichtung betrachtet werden.

Nach der Idee des reziproken Determinismus hängen Verhalten, Persönlichkeitsvariablen (überdauernde und vorübergehende) und Umweltvariablen (Anreize, Frustrationen, Dissonanz, Komplexität) wechselseitig voneinander ab. Ein Mensch kann als stark motiviert bezeichnet werden, wenn die Personen- und die Umweltvariablen gemeinsam auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Schulunterrichts ist die Herausbildung von Lern- und Leistungsmotivation, die möglichst überdauernd sein sollen (auch nach Ende der Schulzeit soll sich der Einzelne noch für intellektuelle und ästhetische Betätigungen interessieren). Motivation ist einer der Faktoren, die bestimmen, wie viel und wirkungsvoll der Schüler lernt. Folgende Begriffe stehen im Zusammenhang mit Motivation:

Interesse für ein Fach bewirkt Aufmerksamkeit.

Das Bedürfnis nach Leistung, Zugehörigkeit oder Dominanz kann zu Aktivtäten motivieren, wenn der entsprechende Bereich fehlt.

Ein Wert ist die Ausrichtung einer ganzen Gruppe von Zielen, die als lebenswichtig angesehen werden: theoretisch (Wahrheit), ökonomisch (Reichtum), ästhetisch (Schönheit), politisch (Macht), sozial (Wohlbefinden des Anderen) oder religiös (mystisches Einssein mit der übernatürlichen Welt).

Einstellungen wecken, ebenso wie Motive, zielgerichtete Handlungen und geben ihnen eine bestimmte Ausrichtung; sie bestehen aus Emotionen, Ausrichtungen (pro oder contra), einem Ziel und kognitiven Elementen.

Leistungserwartungen bestimmen, wie stark der Schüler sich anstrengen wird.

Ein Anreiz besitzt die Fähigkeit, ein einmal gewecktes Motiv zu befriedigen. Er spornt zu einer Tätigkeit an, die ihn an ein bestimmtes Ziel führt.

Die Motivation bestimmt, welche Verstärker wirksam sind (für den einen ist ein Lexikon ein toller Anreiz, für den anderen nicht). Die Motivation ist auch für die Zielorientierung (die Verhaltensziele) verantwortlich. Schließlich bestimmt die Motivation, wie viel Zeit man bei schulischen Aufgaben zubringt; diese Zeit wiederum ist ein sehr guter Prädiktor für den schulischen Erfolg.

Motivation kann aber auch zu einer Behinderung des Lernens werden: Wegen eines neurotischen Leistungsbedürfnisses oder wegen einer gespielten oder angelernten Hilflosigkeit beispielsweise kann ein Kind unmäßig viel Zeit mit einer unlösbaren Aufgabe zubringen.

Motivation und Schulleistung

Durch das Motivationskonzept lassen sich auch Unterschiede in der schulischen Leistung erklären, die nicht auf Intelligenz- oder Fähigkeitsunterschieden beruhen. Die Korrelation zwischen Intelligenz und und Schulnoten liegt nur bei etwa .45. Der Underachiever gibt sich unter Umständen weniger Mühe, der Overachiever dagegen mehr Mühe als jene Schüler, deren Leistung sich in etwa mit dem deckt, was sich auf der Basis ihrer intellektuellen Fertigkeiten voraussagen läßt.

RINGNESS (1965) stellte fest, daß Jungen mit besseren Leistungen stärker leistungsmotiviert waren, dafür aber weniger Motivation zu sozialem Anschluß in der Gruppe zeigten. Die weniger leistungsmotivierten Schüler akzeptierten die schulischen und elterlichen Leistungsstandards nicht so bereitwillig, dafür bewerteten sie die Popularität in ihrer Peergruppe stärker.

Motivationsformen

Nach der Ein-Motiv-Auffassung (z.B. Freuds Theorie von der alles steuernden Libido) gibt es eine einzige, allumfassende Art der Motivation; nach der Zwei-Motiv-Auffassung sind es zwei gegensätzliche Motive (z.B. Eros und Thanatos). Die Viel-Motiv-Auffassung geht von der Existenz vieler verschiedener Grundmotive aus; MURRAY (1938) stellte eine Hierarchie von 28 psychogenen Bedürfnissen auf, an deren Spitze aufgabenbezogene (bezüglich Arbeitsgewohnheiten und Leistungsniveau) und zwischenmenschliche Bedürfnisse (die Menschen voneinander fernhalten bzw. zusammenhalten) stehen.

Nach MASLOW (1964) ordnen sich die menschlichen Bedürfnisse in eine Hierarchie ein; die höher liegenden Bedürfnisse entstehen erst dann, wenn die darunterliegenden befriedigt wurden. Die Abfolge sieht folgendermaßen aus: physische (Überlebens- und Sicherheitsbedürfnis), Gruppenzugehörigkeits- (Zugehörigkeits- und Geltungsbedürfnis), intellektuelle (Wissens- und Verständnisbedürfnis) und ästhetische Bedürfnisse.

17. Persönlichkeitsfaktoren und Motivation

Messung der Motivstärke

Schon FREUD ging davon aus, daß man die Wünsche eines Menschen (seine Motivstruktur) aus seinen Phantasien ablesen könnte. McCLELLAND und ATKINSON (1948) stellten fest, daß im TAT um so mehr essensbezogene Inhalte auftauchten, je länger die Probanden vorher nichts gegessen hatten. Auch das Bedürfnis nach sozialem Anschluß, nach Macht und sexuelle Phantasien lassen sich mit dem TAT erfassen. Schließlich wurde auch die Leistungsmotivation damit bestimmt: Die mittleren Werte nach Durchführung eines Intelligenztests betrugen für die entspannte Gruppe (Test wird nicht bewertet) 1.95, für die neutrale Gruppe (keine Information über Ergebnis) 7.33 und für die aktivierte Gruppe (negatives Feedback) 10.10. Die einzelnen Punkte gab es für Erwähnung von Leistungsvorstellungen (Erreichen eines Leistungsniveaus), Bedürfnisaussagen ("... wünscht ...") und instrumenteller Tätigkeiten (zur Erreichung eines Ziels).

Beziehung zwischen Leistungsbedürfnis und tatsächlicher Leistung

Das Leistungmotiv korreliert positiv mit der tatsächlich erbrachten Schulleistung. Folgende weitere Befunde wurden erbracht:

FRENCH (1956): Leistungsmotivierte Schüler bevorzugen es, mit einem guten Schüler zusammenzuarbeiten; Schüler mit hohem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung wählen dagegen eher sympatische Partner.

FRENCH und THOMAS (1958): Versuchspersonen mit hoher Leistungsmotivation zeigen mehr Ausdauer bei der Lösung einer Aufgabe und finden diese auch mit höherer Wahrscheinlichkeit.

LOWELL (1952): Personen mit höherem Leistungsbedürfnis lösen in einer festgelegten Zeitspanne mehr Aufgaben.

WENDT (1955): Hohe Leistungsorientierung veranlaßt dazu, auch ohne äußere Überwachung hohe Leistungsstandards beizubehalten.

HECKHAUSEN (1967): Einmal begonnene Aufgaben werden von Leistungsmotivierten eher zu Ende gebracht, auch wenn dies schwierig ist.

WEINER und KUKLA (1970): Die höhere Ausdauer bei hoher Leistungsmotivation hält auch bei Mißerfolgen an.

Die meisten hier genannten Ergebnisse betreffen nur männliche VPn. Außerdem muß man zwischen autonomer (eigene frühere Leistungen als Standard) und sozialer (die Leistungen anderer als Standard) Leistungsmotivation unterscheiden. DeCHARMS und MOELLER fanden einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmotivation (leistungsbezogene Motive in Lesebüchern) und der Produktivität einer Gesellschaft.

Hoffnung auf Erfolg (ME) und Furcht vor Mißerfolg (MMV)

Für ME > MMV-Persönlichkeiten sind mittelschwere Aufgaben eher motivierend; für MMV > ME-Persönlichkeiten sehr leichte (oft Erfolg) oder sehr schwere (Attribuierung des Mißerfolges aufgrund Aufgabenschwierigkeit). Diese Tendenz zeigt sich auch in der Berufswahl von Studenten (MAHONE, 1960).

Für die ME > MMV-Typen ist ein teilweiser Mißerfolg motivierend, all zu viele Mißerfolge haben aber negative Auswirkungen auf die Leistung; Erfolge vergrößern die Motivation. Bei den MMV > ME-Typen verringert Erfolg die Motivation, während Mißerfolge sie steigern (cf. WEINER, 1972). Strenge Benotung wird deshalb bei den ersteren zu besseren Leistungen motivieren, bei letzteren dagegen zu noch schlechteren Leistungen führen.

Kausale Zuschreibungen von Erfolg und Mißerfolg

Schüler tendieren dazu, Erfolge externen Ursachen (z.B. guter Lehrer) zuzuschreiben, während sie für Mißerfolge interne Ursachen verantwortlich machen (z.B. eigene Unfähigkeit). Problematisch dabei ist, daß eigene Bemühungen demnach wenig Sinn zu haben scheinen. BAR-TAL (1979) zeigte in diesem Zusammenhang, daß Zuschreibung von Erfolg auf instabile externe Ursachen und Mißerfolg auf stabile interne Ursachen zu Fehlanpassungen führen kann.

Lehrer neigen dazu, sich mit den Schülern den Verdienst zu teilen, wenn diese erfolgreich waren; waren sie dagegen nicht erfolgreich, suchen sie andere Ursachen (cf. BAR-TAL, 1979). Lehrer, die dem Unterricht an sich einen hohen Wert zuschreiben, fühlen sich persönlich für den Mißerfolg eines Schülers verantwortlich.

Ort der Steuerung

Von einem internen Ort der Steuerung spricht man, wenn man Erfolge bzw. Mißerfolge generell auf eigenes Verhalten zurückführt; hält man dagegen Glück oder Schwierigkeit der Aufgaben für die entscheidenden Faktoren, hat man einen externen Ort der Kontrolle. Bei internem Ort der Erfolgssteuerung und externem Ort der Mißerfolgssteuerung geht man mit einem positivem Selbstbild an Aufgaben heran. Bei gelernter Hilflosigkeit wird dagegen kein Zusammenhang zwischen Anstrengung und Leistung gesehen; die Überzeugung, daß geringe Fähigkeiten die Ursache für den eigenen Mißerfolg sind, führt häufig zu Passivität bei schulischen Aufgaben. Insbesondere Kinder aus Minderheiten (z.B. Schwarze) sind betroffen.

Die Entstehung der Leistungsmotivation in der Kindheit hängt von der tatsächlichen Leistung, Unabhängigkeitstraining, der Vermittlung von elterlichen Leistungserwartungen und dem Ausmaß an Selbstvertrauen in die eigene Leistung ab. Diese Eigenschaften hängen wiederum vom häuslichen Hintergrund (Schicht, Geschwisterposition) ab.

Leistungstrainings können sich auf Verhaltensänderungen, Wahrnehmungsänderungen oder Veränderungen der Denkstrukturen konzentrieren. In verschiedenen Untersuchungen wurde die Wirksamkeit solcher Trainings demonstriert:

McCLELLAND (1969): Indische Geschäftsleute wurden viel aktiver; bei Schülern kein so deutlicher Effekt, aber immer noch signifikant.

KOLB (1965): fungierte als Vorbild und baute große Erwartungshaltungen bei den Teilnehmern auf; gute Effekte,aber nicht bei Kindern aus der Unterschicht.

ARONOFF, RAYMOND und WARMOTH (1965): Training (Fallstudien, Textmaterialien, Handbücher, Übungen, Spiele, ...) auch bei Jungen aus der Unterschicht effektiv.

DeCHARMS (1970): Bereits nach einem Jahr Training Verbesserungen der Leistungsmotivation, der realistischen Zielbestimmung und Befreiung von Gefühlen der Hilflosigkeit.

Bei einem Trainingsprogram für Zuschreibung soll Mißerfolg nicht auf eigene Unfähigkeit, sondern auf mangelndes Bemühen zurückgeführt werden. Dieser Gedanke soll verstärkt werden (cf. DWECK). Insbesondere geistig Behinderte kommen so zu erstaunlichen Leistungssteigerungen.

Die Lehrer müssen sich immer dessen bewußt sein, daß ihre Aktivitäten und Äußerungen dazu beitragen, wie sich die Zuschreibungsstrukturen der Schüler entwickeln.

Andere Motive

Die fachlichen Leistungen eines Studenten mit starker Motivation zu sozialem Anschluß sind in solchen Seminaren größer, in denen Hinweisreize für sozialen Anschluß im Vordergrund stehen (cf. McKEACHIE, 1961), z.B. wenn ein sympathischer Lehrer unterrichtet (während Studenten mit geringer Motivation zu sozialem Anschluß bessere Leistungen in den von weniger sympatischen Lehrern geleiteten Seminaren erbringen).

Studenten mit ausgeprägtem Machtmotiv zeigen in Seminaren bessere Noten, in denen freiwillige Mitarbeit vorherrschend ist.

Ein Schüler, der in starkem Maße von sozialer Anerkennung abhängig ist, charakterisiert sich selbst in vorteilhafter Weise, trifft weniger genaue Selbsteinschätzungen und schützt seine Selbstachtung vor potentiell "feindlichen" Urteilen.

18. Umweltfaktoren und Motivation

Intrinsische und extrinsische Motivation

Wenn keine offensichtliche Verstärkung von außen vorhanden ist, spricht man von intrinsischer Motivation; die Quelle dieser Art der Motivation entstammt wahrscheinlich den verstärkenden Konsequenzen früheren Verhaltens. Wenn Menschen sich selbst als Ursache ihres Verhaltens sehen (interne Verhaltenskontrolle), dann gehen sie davon aus, daß sie intrinsisch motiviert sind; wenn sie ihr Verhalten als umweltbedingt einschätzen, dann klassifizieren sie sich als extrinsisch motiviert. Leichte Aufgaben scheinen eine intrinsische Orientierung hervorzurufen.

LEPPER und Mitarbeiter fanden, daß bei Tätigkeiten, für die eine Belohnung erwartet wird, die Leistungsbereitschaft abnimmt; intrinsische Motivation kann also durch Belohnung unterminiert werden. Manche Schüler leisten deshalb in bestimmten Situationen weniger, weil sie dafür eine Belohnung bekommen haben oder noch bekommen werden.

Nach PITTMAN werden verbale Belohnungen dann als Hilfe wahrgenommen, wenn sie Informationen über die Leistung enthalten; sie werden dagegen nicht als hilfreich empfunden, wenn mit ihnen eine Verhaltenskontrolle ausgeübt werden soll.

Operantes Konditionieren und Motivation

Im Modell des operanten Konditionierens ist ein motivierter Schüler ein Schüler, der richtig verstärkt worden sit. Er hat es gelernt, lange Zeit ohne erkennbare Verstärkung auszukommen, da über einen längeren Zeitraum hinweg das Verhältnis von Verstärkern zu Reaktionen immer kleiner wurde. Ein Lehrer, der seine Schüler intrinsisch motivieren will, sollte deshalb nach häufiger Verstärkung in der Anfangsphase dazu übergehen, die Verstärkerquote nach und nach zu senken.

Vor allem die Stimuli in der Umwelt wirken als Motivatoren; so kann ein Lehrer z.B. seine Schüler dadurch zum Erledigen ihrer Hausaufgaben motivieren, daß 50% der Hausaufgabennoten die Zeugnisnote bestimmen. Ein Anreiz ist die Ankündigung oder Erwartung eines Verstärkers; der Anreiz war in der Lebensgeschichte eines Menschen mit Verstärkung verknüpft.

Welche Verstärker die Schüler motivieren läßt sich z.B. nach dem Premack-Prinzip (häufigere Reaktionen können zur Verstärkung weniger häufiger eingesetzt werden) bestimmen. Ein Verstärkermenü ist eine Liste, auf der verschiedene Betätigungmöglichkeiten, Gegenstände und Süßigkeiten verzeichnet sind, die der Lehrer anbieten kann und aus denen sich der Schüler vor Beginn seiner Aufgaben welche auswählt. Der Lehrer sollte sich nicht auf die Vermutung einlassen, daß Geschlecht, Rasse, soziale Schicht oder Alter konsequent auf bestimmte Verstärkungspräferenzen hindeuten.

Das Ausbleiben von erwarteten Verstärkern führt zu Frustration; bleibt die Verstärkung weiterhin aus, folgt Löschung. Frustration tritt auch auf, wenn der Schüler feststellt, daß eine Verstärkung schwieriger zu erhalten ist, als er erwartet hat (wenn er eine Aufgabe nicht zu ende bringen darf; nicht die erwartete Note erhält usw.).

Auch wenn eine Reaktion nicht ausgeführt werden darf, die zu Verstärkung führen würde, kann Frustration entstehen. BARKER, DEMBO und LEWIN (1943) verwehreten Kindern den Zugang zu begehrtem Spielzeug. In der Folge von Frustrationen regredierten sie, d.h. sie zeigten Verhaltensmuster, die für jüngere Altersstufen charakteristisch sind.

Frustration kann aber auch motivieren: Sie ändert das Energieniveau und die Richtung von Verhalten. Sie motiviert meist sozial unerwünschtes Verhalten (Aggression).

Motivierungssysteme

Münzökonomien wurden von COHEN bei straffällig gewordenen Jugendlichen mit großem Erfolg angewandt. Dabei existiert eine Reihe von Verhaltensweisen, für die es Tokens gibt; eine Reihe von Regeln für den Umtausch von Tokens in Verstärker; Regeln für die Vergabe von Tokens und Regeln für den Entzug von Tokens nach unerwünschtem Verhalten. Die Arbeit mit Jugendlichen kann aber deshalb manchmal schwierig sein, weil viele der wichtigen Verstärker (Autos, Geld, Ausgehen) außerhalb der Kontrolle der Lehrer liegen. Deshalb ist eine Zusammenarbeit mit den Eltern hilfreich.

Formelle oder informelle Verhaltensverträge zwischen Lehrern und Schülern regeln die Verstärkung (Token, Nahrungsmittel, verbales Lob) für erwünschtes Verhalten. ALSCHULER (1968) konnte durch ein Motivierungsplanspiel, bei dem die Kinder selbst ihre Leistung beurteilten, die Leistungen im Mathematikunterricht deutlich verbessern. Möglicherweise werden die Kinder aber dadurch raffgierig und entwickeln übermäßiges Konkurrenzdenken.

Individuelle Motivierung ist dadurch möglich, daß zwischen Lehrern und Schülern in Konferenzen Abkommen geschlossen werden, in denen der Schüler für bestimmte Aktivitäten belohnt wird, Rückmeldung erhält und sich für neue Ziele entscheidet. Dem Schüler wird Gelegenheit gegeben, sich für realistische Ziele zu entscheiden, Buch zu führen, zu erfahren, weshalb es sich eigentlich um ein wichtiges Verhalten handelt und positive Verstärkung für das Erreichen seiner Ziele zu erhalten.

Vertragssysteme, die auf klar definierten Zielen aufbauen und den persönlichen Kontakt zwischen Erwachsenen und Kind einplanen, können die Lernmotivation wirksam anheben. Wenn die Belohnungen jedoch zu reichlich werden, können sie die intrinsische Motivation zerstören; dies ist die Gefahr bei Verhaltensverträgen und Tokenökonomien. Die extrinsischen Belohnungen sollen schrittwise entzogen werden, sobald das Kind selbst die Erfahrungen macht, daß die erwünschte Aktivität (z.B. Lesen) um ihrer selbst willen Spaß macht. Die Auswirkungen von Tokenökonomien sind anscheinend dauerhaft (wahrscheinlich auch deswegen, weil sie durch natürliche Verstärkung der aufgebauten Verhaltensweisen in der Umwelt aufrechterhalten werden).

Motivierungstechniken im Unterricht

Man soll den Schülern genaue Anweisungen und Ziele vorgeben.

Soziale Anerkennung (Lob) kann, wenn es systematisch vergeben wird, zu einer Steigerung der Verhaltenshäufigkeit führen; zu viel Lob führt aber schnell zu Übersättigung. Extravertierte Schüler sind eher durch Tadel, introvertierte eher durch Lob zu motivieren. Effektives Lob ist kontingent, spontan, betont die Leistungskriterien, informiert und orientiert, vergleicht mit früheren Leistungen, fördert die endogene Zuschreibung usw.

Tests und Noten können ebenfalls motivierend wirken, insbesondere wegen ihrer teils recht weitreichenden Konsequenzen. Sie sollen den Schüler vor allem informieren. Durch sie wird aber möglicherweise die Kontinuität der Motivation gestört (nach der Schule wird nichts mehr gelesen).

Epistemische Neugier kann den Menschen in einen Zustand versetzen, in dem er die Unordnung, mit der er konfrontiert ist, vermindern will; sie kann z.B. durch Überraschung, Zweifel, Verwirrung, Ratlosigkeit oder Widersprüche ausgelöst werden. In all diesen Fällen wird ein Konflikt zwischen kognitiven Schemata erzeugt. Die Motivation hält so lange an, bis der Konflikt aufgelöst wird oder das Suchen nach einer Lösung anfängt, langweilig zu werden.

Der Lehrer soll gelegentlich etwas Unerwartetes tun.

Der Appetit soll gereizt werden: Der Schüler soll kleine Belohnungsproben erhalten, bevor er sich um das eigentliche Lernen bemüht; die Anfangsstadien sollten so gestaltet werden, daß sie leicht zu bewältigen sind; erst dann sollten die Komplexität und Schwierigkeit der Aufgaben schritweise erhöht werden. Durch Konkurrenz wird die Verteilung von Verstärkern eingeschränkt: Die besseren und engagierteren Schüler erhalten einen übergroßen Anteil an Antwort- und Verstärkungsmöglichkeiten.

Es soll Bekanntes als Beispiel bei neuen Gegenstandsbereichen verwendet werden.

Verwende einen einmaligen und unerwarteten Kontext, wenn es darum geht, Konzepte und Prinzipien anzuwenden.

Früher Gelerntes sollte angewandt werden.

Die Arbeit mit Spielen und Simulationen kann die Schüler motivieren, die Interaktion fördern, ein Bild von der Lebenswirklichkeit vermitteln und es dem Schüler ermöglichen, sich direkt in den Lernprozeß einzubringen.

Wichtig ist eine Verminderung der Attraktivität konkurrierender Motivierungssysteme (Sport, Hobbies, Geldverdienen); deshalb sollten vor allem die Gruppenführer zur Mitarbeit gewonnen werden. Notfalls sollte neben der Verstärkung erwünschten Verhaltens auch eine Bestrafung unerwünschten Verhaltens stattfinden.

Verminderung der unangenehmen Konsequenzen für Schüler, die sich am Unterricht beteiligen; solche unangenehmen Konsequenzen können sein: Verlust der Selbstachtung; physisches Unbehagen; Frustration; Tests über nicht Gelerntes; zu schnelles Voranschreiten beim Lernen; Konkurrenz mit anderen Schülern; langweilige Darstellung, usw.

Erfassung des sozialen Klimas der Schule. COLEMAN fand heraus, daß an den Schulen, an denen gute Noten für die Führer unter den Schülern wichtig sind, diese eher auch einen höheren IQ als ihre Mitschüler haben. Wenn dagegen nur ein kleiner Prozentsatz von Schülern gute Noten als wichtige Voraussetzung in der Führergruppe ansieht, dann erhalten weniger fähige Schüler an dieser Schule die besten Noten. Die Motivationsstruktur der Schüler könnte problemlos verändert werden, wenn die soziale Anerkennung mehr von schulischen Leistungen abhingen als von Leistungen im Sport, von Freizeitaktivitäten oder von Beliebtheit.

Das Machtverhältnis zwischen Schülern und Lehrern muß erfaßt werden. Lehrer verfügen über Belohnungsmacht (Kontrolle über die Belohnungen anderer Menschen), Unterdrückungsmacht (Kontrolle über Bestrafungen), rechtliche Macht (aufgrund von Gesetzen, Regeln oder Bräuchen), Macht des Leitbilds und Expertenmacht (aufgrund von Fachkenntnissen oder der speziellen Kompetenz). Der Aufgabentypus, den der Lehrer vorrangig für seine Unterrichtszwecke auswählt, bedingt zugleich die Form der sich daruas ergebenden sozialen Macht. Andererseits können aber auch die Schüler ihre Lehrer belohnen oder bestrafen, indem sie z.B. ihre Hausaufgaben machen oder sich am Unterricht beteiligen.

19. Frontalunterricht: Unterrichtsvortrag und erklärende Darstellung

Lehrmethoden allgemein

Eine Lehrmethode besteht aus einem immer wiederkehrenden Verhaltensmuster des Lehrers (einer Reihe von Verhaltensweisen, die immer wieder oder in einer ganz bestimmten Reihenfolge auftreten), die auf verschiedene Fachgebiete angewandt werden können, die für mehr als einen Lehrer charakteristisch und für das Lernen relevant sind. Die Art und Weise, wie der Unterricht in bestimmten Fächern abläuft, wird mit dem Begriff Unterrichttechniken bezeichnet; diese Unterrichtstechniken sind Gegenstand der verschiedenen Seminare über Methodik und Didaktik. Die Lehrmethoden lassen sich nach der Gruppengröße kategorisieren:

N = 1: Einzelbetreuung, programmierter Unterricht, selbstständiges Arbeiten;

N = 2-20: Diskussionsmethode, Rollenspiel, Gruppenspiel;

N = 20-40: Unterricht in der Klasse, Unterrichtsgespräch;

N > 40: Lehrvortrag.

Auf die Frage, welche Methode die beste sei, gibt es eigentlich keine Antwort, es sei denn, man spezifiziert die Schülermerkmale und die Unterrichtsziele. Selbst dann liegen aber kaum wissenschaftliche Erkenntnisse vor.

Vor- und Nachteile des Frontalunterrichts

Die Vortragsmethode hat einige Vorteile: Sie ist nützlich, wenn es darum geht, einen Überblick über einen gesamten Wissensbereich durch eine lebende Persönlichkeit zu vermitteln, eine Beziehung zwischen den Kenntnissen und den Zielen des Lebens herzustellen und bei den Studenten aktives Interesse zu wecken. Der Stoff kann in verschiedenen Worten dargestellt werden; es können ganz neue, noch nicht veröffentlichte Thesen behandelt werden; man kann einen Rahmen für ein Thema herstellen und Kritik anfügen. Vor allem ist die Vortragsmethode billig (viele Schüler bei einem Vortragenden) und flexibel (Anpassung an Zuhörerschaft, Stoffgebiet, Zeit oder Geräteausstattung ist möglich). Der Lehrer wird durch die Aufmerksamkeit seiner Schüler verstärkt, die Schüler durch die emotionale Wärme, die Dramatik, die Intensität, den Humor, usw. des Vortragenden. Außerdem wird ein Gefühl der Sicherheit, das Richtige zu richtigen Zeitpunkt zu tun, vermittelt.

Nachteil des Frontalunterrichts ist, daß man, läßt die Aufmerksamkeit nach, unwiderbringlich etwas versäumt. Passivität und Abhängigkeit der Schüler werden gefördert. Außerdem wird von dieser Methode zu oft Gebrauch gemacht und sie wird leicht falsch angewandt. Der Lehrer kann sie mißbrauchen, um seine eigenen Hobbies und Interessen zu behandeln. In sehr heterogenen Klassen führen sie zu einem zu eng gefaßten Wissensstand der Schüler. Schließlich ist diese Methode nicht für alle Lehrer geeignet.

Empirische Befunde deuten darauf hin, daß die Vortragsmethode genauso effektiv ist wie die anderen Methoden. Bei der Bewertung durch Testergebnisse entsteht aber nach McLEISH folgendes Problem: Die individuelle Vorbereitung der Schüler auf den Test gleicht die Testergebnisse weitgehend aneinander an. BLOOM (1953) stellte mit der Methode der Erinnerungsstimulation (Tonband der Stunde wird vorgespielt und angehalten; die Schüler sollen angeben, was sie zu diesem Zeitpunkt gerade dachten) fest, daß bei Vorlesungen 31% der Gedanken der Studenten für das Thema irrelevant waren, bei Diskussionsklassen nur 14%.

Vorträge sind in folgenden Fällen geeignet:

Hauptziel ist die Vermittlung von Informationen;

Der entsprechende Stoff ist anderweitig nicht verfügbar;

Der Stoff muß für eine bestimmte Gruppe besonders dargestellt und organisiert werden;

Das Interesse an dem Thema soll geweckt werden;

Der Stoff soll nur für kurze Zeit im Gedächtnis behalten werden;

Eine Einführung in einen Themenbereich soll gegeben werden.

Nicht geeignet ist die Vortragsmethode dagegen in folgenden Fällen:

Andere Ziele als die Vermittlung von Informationen werden angestrebt;

Behalten über einen längeren Zeitraum hinweg ist erforderlich;

Der Stoff ist abstrakt oder komplex oder enthält viele Details.

Die Beteiligung des Lernenden ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erfassung des Stoffes;

Kognitive Ziele höherer Ordnung sollen erreicht werden (Analyse, Synthese oder Integration);

Durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Intelligenz der Schüler.

Vorbereitung des Vortrags

Bei der Vorbereitung des Vortrags sollten vor allem drei Punkte berücksichtigt werden:

Kommen Medien zum Einsatz (auf Brauchbarkeit und Kosten überprüfen).

Fühle ich mich bei dieser Aufgabe wohl (wenn nicht, andere Methode oder systematische Desensibilisierung).

Ist genügend Vorbereitungszeit vorhanden.

Die Einleitung des Vortrags

Die Einleitung die dazu, eine Beziehung zwischen Lehrer und Schülern herzustellen, indem man sich vorstellt, allgemeine Bemerkungen fallen läßt usw.

Wichtig ist es auch, die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen. Dazu muß man vernünftige Annahmen über die Interessen der Schüler treffen. Bestehen die Interessen vor allem in guten Noten, sollte man die Relevanz des Stoffes dafür hervorheben. In welcher Weise der Gegenstand des Vortrags für die Schüler und ihre Ziele von Belang ist, hängt unter anderem von deren Alter, Geschlecht, sozioökonomischen Status, der Zeit, den Lebensumständen, den Ereignissen der außerschulischen Welt und der Entwicklungstufe des Schülers ab. Der Lehrer solle auch Motivierungshinweise bieten: ALLISON und ASH (1951) haben festgestellt, daß das Lernen durch die Mitteilung verbessert werden kann, daß der Inhalt des Films wichtig und schwierig ist. Auch ein Gefühl der Unausgeglichenheit (durch "aufreizende" Fragen) kann den Schüler motivieren.

In der Einleitung sollten die wesentlichen Vortragsinhalte dargestellt werden; dazu können die Hauptpunkte zusammengefaßt werden oder die Begriffe definiert werden, die mit dem Thema zusammenhängen. Die genaue Angabe der Ziele des Vortrags gehört ebenfalls hierher. Durch Vorstrukturierung (advance organizers) wird der Vortrag leichter verstanden und besser im Gedächtnis behalten. LUITEN konnte eine leichte aber förderliche Wirkung auf Lernen und Behalten zeigen. Nach AUSUBEL geben Organisationregeln Konzepte an die Hand, an denen neue Gedanken aufgehängt werden können. Der Sinn der Vorstrukturierung ensteht darin, dem Schüler ein Ideengerüst zur Verfügung zu stellen, so daß er seine Erfahrungen in eine vorgegebene Struktur einordnen kann.

Der Abruf relevanter Kenntnisse oder Erfahrungen, beispielsweise durch einen Vortest, macht die Schüler auf das Wesentliche aufmmerksam. GAGNE glaubt, daß der wichtigste Faktor beim Lernen der ist, daß der Schüler sich bereits zuvor Voraussetzungsfähigkeiten (prerequesite capabilities) angeeignet hat.

Der Hauptteil des Vortrags

Vorträge, die nicht durch eigene Lektüre der Schüler ergänzt werden sollen, sollten inhaltlich vollständig sein. Nach ABRAMI werden dadurch die Schülerleistungen besser. Insbesondere sollten die Inhalte (Fakten, Konzepte, Prinzipien) dargestellt werden, die die Schüler lernen sollten.

Nach THOMPSON ist der logische Aufbau wichtig: Die Struktur des Vortrags stellt für die Studenten eine Hilfe dar, ebenso wie überleitende Feststellungen, die die Beziehungen zwischen Einheiten der Rede verdeutlichen. Nach GOYER lassen sich folgende logische Beziehungen für einen Vortrag nutzen:

Komponenten-(Teil-Ganzes-)Beziehungen: Der Vortragende macht, z.B. durch eine Klassifikationshierarchie, deutlich, wie in einer umfangreichen Idee mehrere kleinere Ideen enthalten sind; verschiedene Inhalte werden unter einen gemeinsamen, übergeordneten Punkt zusammengefaßt. Der Schüler sollte informiert werden, wenn ein neuer Hauptpunkt beginnt.

Sequentielle Beziehungen: Hierbei geht es um chronologische Reihungen, Ursache-Wirkungs-Abfolgen, Hinsteuern auf einen Höhepunkt und um die Reihenfolge von Themen, z.B. Tatsachen Þ daraus resultierende Probleme Þ Bewertungskriterien für Lösungen Þ Prüfung und Beurteilung von Lösungen Þ Schritte zur Durchführung von Lösungen.

Material-Zweck-(Relevanz-)Beziehungen: Ein durchgehender Gedanke soll herausgestellt werden. Eine Verkettung nach BLIGH ist eine Abfolge oder Kette von Ereignissen in logischer oder chronologischer Reihenfolge oder in der Abfolge Ursache/Wirkung. Um ein momentanes Abgleiten der Aufmerksamkeit der Schüler abzufangen, kann der Vortragende gelegentlich Bestandsaufnahmen machen.

Überleitungs-(oder Verknüpfungs-)Beziehungen: Es sollen immer wieder Beziehungen zu übergeordneten Kommunikationsstrukturen hergestellt werden, so daß die Struktur des Vortrags deutlich und durchschaubar wird.

Weitere Techniken zur Darstellung des logischen Aufbaus:

Vergleiche sollen ausdrücklich die Vergleichsgrundlage (Bezugspunkte) darstellen.

Kombinationsverfahren: Wenn hinsichtlich eines Gegenstandes zwei oder mehr Unterscheidungen getroffen werden sollen, können diese miteinander kombiniert werden, so daß sich NxM Kombinationen ergeben, die dann nacheinander abgehandelt werden können. Diese Beziehungen können auch in einem Netzwerk dargestellt werden.

Strukturierung von Erklärungen: Erklärungen sollen deutlich machen, wie zwei oder mehr Konzepte oder Variablen zusammenhängen, oder Ereignisse Spezialfälle eines allgemeineren Prinzips sind. Nach THYNE (1963) soll man dazu in 4 Schritten vogehen: 1) Sicherstellen, daß die Frage, um die es geht, verstanden wurde; 2) Herausstellen der Einheiten, zwischen denen die zu erklärende Beziehung besteht; 3) Kennzeichnung der Beziehung zwischen den Einheiten; 4) Verdeutlichung, inwieweit die Beziehung Spezialfall eines allgemeinen Prinzips ist. Nach MILTZ läßt sich diese Erklärungstechnik erfolgreich trainieren.

Der Aufbau des Vortrags sollte explizit dargestellt werden. Dazu können folgende Techniken eingesetzt werden:

Deutlichkeit: VAN DER WILL (1976) fand, daß mit zunehmender Deutlichkeit der Aufgabe die Ergebnisse korrekter wurden.

Die Regel-Beispiel-Regel-Technik: ROSENSHINE (1971) stellte fest, daß erfolgreiche Redner öfter erst eine Regel nennen, dann ein Beispiel ihrer Anwendung, schließlich nochmals die Regel.

Erklärende Bindeglieder (Propositionen und Konjunktionen) zwischen den einzelnen Einheiten der Rede erhöhen das Verständnis.

Die Verwendung von Bedeutungshinweisen ("jetzt kommt was Wichtiges") kommt nach PINNEY bei jenen Lehrern häufiger vor, deren Unterricht zu besseren Leistungen bei den Schülern führt.

Strukturstützen, die offene Darlegung des Aufbaus von Anfang an, (z.B. auf einer Folie), ist nach CHEONG sinnvoll.

Die Aufmerksamkeit der Schüler kann auf verschiedene Weisen erhalten werden:

Variation der Stimuli (Tonlage, grammatikalische Struktur, Bewegungen und Gesten) kann die Motivation der Zuhörer erhöhen. Nach WYCKOFF (1973) besteht eine kurvilineare Beziehung zur Schülerleistung (zu viel ist schlecht).

Wechsel der Kommunikationskanäle, z.B. Verwendung von Dias oder anderen Medien, wird von den Zuhörern bevorzugt. Der Beweis der Effektivität ließ sich aber nicht erbringen. Graphische Darstellungen sollten möglichst einfach sein; die Intelligenz und das Bildungsniveau der Schüler müssen ziemlich hoch sein, wenn Graphiken nützlich sein sollen.

Körperliche Aktivität (kurze Pausen) kann die Wirksamkeit des Vortrags durch Entlastung erhöhen.

Humor führt, wenn er konzeptbezogen ist, zu besseren Behaltensleistungen (cf. KAPLAN und Pascoe, 1977) und besseren Beurteilungen der Lehrer (aber nicht bei Lehrerinnen).

Zeigen von Enthusiasmus korreliert nach ROSENSHIE deutlich (.37-.56) mit der Leistung der Schüler. Aus dem Gedächtnis gehaltene Vorträge sind effektiver als abgelesene; Variationen im Tonfall und Gestik, Blickkontakt und Lebhaftigkeit sind ebenfalls vorteilhaft. Andere Untersuchungen von ABRAMI und anderen (1982) deuten daruf hin, daß Enthusiasmus zwar die Zufriedenheit, nicht aber die Leistung, der Schüler erhöht.

Einbettten von Fragen führt zu höherer Aufmerksamkeit bei den Schülern. Die Fragen sollen nach BERLINER folgende Funktionen ausüben: Emphase, Übung, Selbstbewußtheit (was habe ich nicht verstanden), Aufmerksamkeit, Ablenkung (Stimulusvariation) und Rückschau. Schüler, denen Fragen gestellt wurden, zeigten höhere Leistungen als Schüler, die Aufzeichnungen machten oder aufmerksam zuhörten.

Aufzeichnungen führen zu besseren Testergebnissen; Schüler mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis scheinen dagegen mehr von aufmerksamen Zuhören zu profitieren (cf. BERLINER, 1971).

Informationsblätter sollen einen Überblick über den Aufbau des Vortrags schaffen; sie können die Schülerleistung verbessern. Besonders wirkungsvoll sind Lückentexte.

Ein letzter wichtiger Punkt bei der Gestaltung von Vorträgen ist Eindeutigkeit. In einem Experiment von EVANS und GUYMAN (1978) lernte eine Schülergruppe in einer mit Beispielen angereicherten Fassung mehr und gab eine bessere Gesamtbewertung ab. Außerdem sollten unbedingt Ungenauigkeiten vermieden werden, da sie den Eindruck erwecken, der Redner sei sich seiner Sache nicht ganz sicher und zu schlechteren Lernleistungen führen (cf. SMITH & COTTON, 1980). Es sollen auch verschwommene Ausdrücke vermieden werden.

Der Schlußteil des Vortrags

Der Schlußteil kan folgende Funktionen erfüllen:

Freundliche Bemerkungen;

Fragen an die Schüler;

Beantwortung von Fragen der Schüler;

Rückblick oder Nachstrukturierung

Eine Zusammenfassung unterscheidet sich von der Vorstrukturierung nicht nur in ihrer Position, sondern auch darin, daß sie weniger abstrakt, allgemein und allumfassend als der Vortrag oder das Unterrichtsmaterial ist. Eine Zusammenfassung am Ende des Vortrags wird bevorzugt.

Schließlich sollte das Ende eines Vortrages Hinweise auf Wesen und Inhalt des nächsten einschließen.

20. Unterricht in kleinen Gruppen

Ziele des Unterrichts in kleinen Gruppen

Beim Unterricht in Kleingruppen verfolgt der Lehrer die Interaktionen gewöhnlich von außen als Vorsitzender und Schiedsrichter. Folgende Fähigkeiten der Schüler sollen dadurch trainiert werden:

Fähigkeit zu kritischem Denken bei der Bewertung von Ideen;

Förderung der Beteiligung des Einzelnen;

Rationale Überprüfung von Ideen ohne Einschränkung;

Demokratische Fähigkeiten (anderen zuzuhören, ihre Argumente abzuwägen, den eigenen Standpunkt in der Hitze der Debatte zu formulieren, persönlichen Vorlieben oder Abneigungen widerstehen, sich trotz emotionaler Argumente oder Einflüsse auf das Thema konzentrieren);

Aktivere Rolle der Schüler;

Mehr Rückkopplung.

Die genannten Einflüsse sollten dazu führen, daß das Verständnis für Konzepte und die Entwicklung von Fertigkeiten des Problemlösens gefördert werden. Nachteilig ist, daß das Lernen im Kleingruppenunterricht langsamer ist.

In Bereichen mit hoher Übereinstimmung (z.B. Mathematik) besteht das Hauptziel darin, allgemein anerkannte Fakten, Konzepte und Prinzipien zu vermitteln; hierfür können Bücher und Vorträge verwendet werden. In Bereichen mit niedriger Übereinstimmung dagegen ist die Fähigkeit, sich in dem Wissensbereich zurecht zu finden, von größter Bedeutung; ein Verständnis für kontroverse Auffassungen ist wichtig. Dabei kann die Diskussionsmethode eingesetzt werden.

Während Diskussionen treffen die Teilnehmer öffentliche Entscheidungen; diese bewirken eher Verhaltensänderungen als nicht öffentlich getroffene: LEWIN (147) fand, daß Hausfrauen, die in einer Diskussion für die Verwendung ungewöhnlicher Fleischsorten argumentierten, diese später auch selbst öfter verwendeten.

Die Persönlichkeit des Lehrers hat ebenfalls einen Einfluß auf die geeignetste Methode: Wenn der Lehrer nicht ein geringes Ausmaß an Struktur und Ordnung seines Unterrichts ertragen kann, wird er sich beim Gruppenunterricht nicht wohlfühlen. Wichtig ist auch die Fähigkeit, dem ständig sich ändernden Verlauf der Diskussion zu folgen, ohne das Thema oder die Geduld zu verlieren. Außerdem muß der Lehrer beim Gruppenunterricht bereit sein, einen Teil seiner Autorität an die Gruppe abzugeben.

Gruppenunterricht ist Bestandteil der Entdeckungsmethode, die die Vorteile einer besseren Einprägsamkeit und eines größeren Transfers bietet. Problemlösungsprozesse können dann zustande kommen, wenn ein Schüler die (emotionale) Bedeutung, die ein bestimmter Gegenstand für ihn hat, herausfinden muß.

Die Diskussion fördert auch die Ausdrucksfähigkeit der Schüler: Der Schüler bekommt Übung darin, sich selbst klar auszudrücken, eine gute Aussprache und eine grammatikalisch richtige und interessante Satzstruktur zu gebrauchen. Besonders wichtig ist der mündliche Sprachgebrauch aus dem Stegreif.

Die Diskussion im Unterricht: Vorbereitung

Themenwahl

Mit dem vorher zu formulierenden Ziel der Diskussion ist deren Thema gemeint. Bei nichtkontroversen Themen stimmen alle informierten Menschen überein; Ziel einer Diskussion ist es dann, daß die Schüler selbst aufgrund der sozialen Prozesse einer Diskussion zu der einzigen, nichtkontroversen, korrekten Position gelangen. Vorteilhaft dabei ist, daß die Schüler Übung darin bekommen, sich selbst klar auszudrücken, daß sie erfahren, daß der selbe Gedanke auf verschiedene Arten ausgedrückt werden kann, und daß sie lernen können, schrittweise Annäherungen an eine zutreffende Formulierung eines Gedankens kritisch zu bewerten.

Bei kontroversen Themen liegt der Nutzen einer Diskussion in folgenden Bereichen:

Motivationale Auswirkungen (epistemische Neugier);

Bedürfnis, dem Druck der Logik und des Wissens eines anderen Diskussionsteilnehmers standzuhalten (durch den Versuch, dessen Perspektive einzunehmen);

Der daraus resultierende Prozeß der Schärfung des eigenen Verständnisses von der eigenen Logik, dem eigenen Wissen und der eigenen Person.

Kontroversen zwischen Kindern, bei denen eines bereits ein höheres kognitives oder moralisches Niveau ereicht hat, können nach JOHNSON und JOHNSON (1979) dazu beitragen, daß auch die anderen Kinder entsprechende höhere Stufen erreichen.

MASSIALAS und andere (1969) stellten fest, daß 52% der Lehrer, die sie beobachteten, weniger als 10% der Unterrichtszeit auf kontroverse Themen verwandten.

Erstellung einer gemeinsamen Grundlage

Meist wird die für die Diskussion vorausgesetzte gemeinsame Grundlage der Teilnehmer dadurch erreicht, daß man vorher die Aufgabe erteilt, einen bestimmten Abschnitt in einem Buch zu lesen. Es können aber auch Filme, Fernsehprogramme, Exkursionen usw. eingesetzt werden.

Präzisierung der Ziele für eine Diskussion

Das Gebiet, das behandelt werden soll, muß genau abgegrenzt werden. Dadurch soll verhindert werden, daß Schüler und Lehrer Diskussionen durchführen, die nicht zu relevanten Einsichten führen ("Kaffekränzchen").

Sitzordnung und Kommunikationsstruktur

Nach SOMMER (1967) nehmen die Schüler, die den Lehrer direkt anschauen, mehr an der Diskussion teil als die Schüler, die an den Seiten sitzen. Wichtigste Variable scheint der Blickkontakt zu sein, der die Kommunikation fördert.

Schüler beschäftigen sich intensiver mit ihren Aufgaben, wenn sie in Kleingruppen arbeiten (cf. TASHKANI-KNOWLES, 1973). Erstklässler konzentrieren sich aber weniger lang auf eine Aufgabe, wenn sie an einzelnen Tischen sitzen und einander anschauen.

Bei Diskussionen ist es wichtig, daß die Teilnehmer untereinander Blickkontakt haben. Nach HURT (1978) ist die traditionelle Sitzordnung für Informationsvermittlung und Stillarbeit am effektivsten; für Diskussionen ist die U-Form am geeignetsten; für Kleingruppenarbeit an bestimmten Aufgaben scheint die Tischgruppe bevorzugt zu werden.

Studenten mit hoher Kommunikationsfurcht neigen dazu, Sitze zu bevorzugen, die als geringfügig interaktiv eigestuft wurden. Die Platzpräferenzen lassen sich also als Hinweis darauf verwenden, wie bereitwillig ein Schüler an einer Diskussion teilnehmen wird.

Folgende Kommunikationsnetzwerke lassen sich unterscheiden:

Rad: Die Beiträge aller peripheren Gruppenmitglieder sind auf eine zentrale Person gerichtet, die zu Lösungen gelangt und Entscheidungen trifft und Mitteilungen an die peripheren Mitglieder richtet. Meist ist der Lehrer die Schlüsselfigur.

Kette: hierarchische Strukturen.

Y-Muster: ergibt sich, wenn der Ausgleich zwischen zwei Standpunkten versucht wird.

Dezentralisierte Netzwerke: Jedes einzelne Mitglied hat Zugang zu den Kommunikationen zwischen den anderen Mitgliedern; hier herrscht die größte Zufriedenheit.

Bei der Diskussion von Problemen, bei denen weitgehende Übereinstimmung herrscht, haben zentralisierte Kommunikationsmuster Vorteile. Bei komplexen Problemen, über die kaum Übereinstimmung herrscht, ist die dezentralisierte Struktur wahrscheinlich wirkungsvoller.

Die Diskussion im Unterricht: Durchführung

Die Rolle des Lehrers

Je mehr der Lehrer spricht, desto weniger können die Schüler sprechen und damit können sie auch weniger Nutzen aus der Diskussion ziehen. Der Lehrer sollte sich also möglichst zurückhalten. Seine Arbeit sollte vor allem darin bestehen, die Diskussion zu verfolgen, zu analysieren und zu bewerten; außerdem hat er darauf zu achten, daß themenbezogen diskutiert wird. Oft werden aber die Schüler Fragen an den Lehrer richten, wenn dieser schweigt. Der Lehrer sollte eingreifen, wenn

Schwierigkeiten auftreten;

die Diskussion sich festfährt;

Verwirrung entsteht;

einzelne Feststellungen ständig wiederholt werden.

Die Gefahr einer zu geringen Beteiligung des Lehrers besteht darin, daß es zu übermäßiger Desorganisation oder Ziellosigkeit kommt. Die Schüler sollen sich gegenseitig bei der Beantwortung ihrer Fragen helfen. Eine Möglichkeit zu überprüfen, wer Kontrolle über die Gruppe ausübt, besteht darin, das Muster der Blickkontakte zu beobachten.

Die Rolle des Schülers

Die Schüler sollten dazu imstande sein, eigene Lösungen für ein Problem vorzuschlagen und ihre Vorschläge gegen Angriffe zu verteidigen. Die Bemerkungen eines Schülers sollten von seinen Mitschülern bewertet werden; sie können sich vergewissern, eine Feststellung verstanden zu haben, indem sie diese zusammenfassen. Der Lehrer sollte die Rolle der Schüler hervorheben.

Die Diskussionsleitung

Die Diskussionsleiter lernen folgendes:

Welcher Art die Sachverhalte sind (Ermittlung des Faktenwissens);

Eine bestimmte Position einzunehmen;

Was andere meinen;

Wie man mit einem bestimmten Problem umgehen sollte.

Es sollte sichergestellt werden, daß alle Standpunkte berücksichtigt werden: Es sollen Schüler aufgerufen werden, die ihre Meinung noch nicht geäußert haben oder die eine unpopuläre Ansicht vertreten. Der Bedeutungsgehalt der Äußerungen sollte kritisch überprüft werden; der Trend der Diskussion kann zusammengefaßt werden oder Schüler können um die Zusammenfassung ihres Argumentes gebeten werden; um die Diskussion voran zu bringen, kann eine vorläufige Einigung erzielt werden.

Der Lehrer sollte eingreifen, wenn Abschweifungen zu viel Zeit in Anspruch nehmen, Pausen zu lang werden oder sachliche Irrtümer geäußert werden. Ein Problem besteht darin, daß Lehrer oft selbst nicht zwischen einer Wertung und einer Tatsachenfeststellung unterscheiden können. Oft bleiben auch logische Fehlschlüsse unentdeckt.

Von HILL (1969) stammt folgende Anleitung, die Diskussion in 9 Einzelschrtitten zu vollziehen:

1. Definition von Begriffen und Konzepten.

2. Sicherstellen, daß alle Teilnehmer den Diskussionsgegenstand kennen.

3. Festlegung der Haupt- und Unterthemen.

4. Festlegung der Diskussionszeit.

5. Diskussion der Themen und Unterthemen.

6. Einordnung des Diskussionsstoffes in bereits bekannten.

7. Anwendung des Diskussionsergebnisses.

8. Bewertung des Diskussionsmaterials.

9. Bewertung der Diskussion und der anderen Diskussionsteilnehmer.

Die Diskussion im Unterricht: Nachbereitung

Aufzeichnungen und Protokolle sollen dazu dienen, überraschend auftauchende Gedanken festzuhalten und schwierige Punkte zu identifizieren. Diskussionsbeurteilungen können durch Skalen erfaßt werden ("für wie nützlich hältst Du den heutigen Unterricht"); man kann aber auch die Schüler um anonyme Kommentare bitten. Aufgrund der Ergebnisse kann der Lehrer sein Verhalten gegebenenfalls ändern.

Intellektuelle Gefahren

Eine Diskussion kann durch Hinweise beeinflußt werden, die intellektuelle und rationale Prozesse der Schüler untergraben; z.B. kann der Lehrer seine Meinung so zum Ausdruck bringen, daß er die Schüler zu Konformität zwingt. Er sollte also versuchen, seine Überzeugungen auf rationale Art zu vermitteln.

Durch die Macht der Gruppe können sogar objektiv falsche Meinungen vertreten werden (ASCH, 1956: Beurteilung verschieden langer Striche). Minderheiten werden so zur Konformität mit der Gruppe gezwungen. Ein Nachgeben wird aber schon dann wesentlich unwahrscheinlicher, wenn auch nur ein weiteres Mitglied die Meinung der Minderheit vertritt.

Relevantes Fachwissen des Lehrers sollte nicht zurückgehalten werden, wenn dieses für die Diskussion von Vorteil ist.

Ein Thema ist zu Tode geritten, wenn es keinen Beitrag mehr für das Unterrichtsziel leistet. Dies ist erkennbar z.B. an Wiederholungen, längeren Pausen, belanglosen Beiträgen und einer Atmosphäre der Langeweile und Unaufmerksamkeit.

Sozialemotionale Gefahren

Wenn niemand etwas sagt, kann folgendermaßen vorgegangen werden:

Warte ab.

Stelle die Frage, was das Stillschweigen bedeutet.

Stelle laut Vermutungen darüber an, was das Stillschweigen bedeutet.

Meist ist eine ungleichmäßige Beteiligung an der Diskussion zu beobachten: Die Häufigkeit der Beiträge jedes einzelnen Mitglieds steht der Tendenz nach in einem konstanten Verhältnis zur Häufigkeit der Beiträge der Person, die den Rangplatz unmittelbar über dem jeweiligen Mitglied einnimmt. Etwa 20% der Schüler nehmen kaum oder gar nicht an den Diskussionen teil.

Geschlecht, Alter und ethnischer Hintergrund haben ebenfalls Auswirkungen auf die Häufigkeit der Beteiligungen an Diskussionen. Solche Unterschiede können auf folgende Arten vermindert werden:

Neue Statuseigenschaften können eingeführt werden, die zu positiveren Kompetenzerwartungen bei Schülern mit niedrigem Status führen.

Eine Referenzautorität aus der Minderheit, die hohe Kompetenz für die Aufgabe besitzt, kann in den Unterricht einbezogen werden.

Ein Beurteiler mit hohem Status (etwa der Lehrer) kann die Erwartungen im Hinblick auf die Kompetenz der Minderheitsgruppe steigern.

Man kann Gruppennormen aufstellen, die die gleich hohe Beteiligung aller Mitglieder bedingen.

In kleinen Gruppen von etwa 5 Mitgliedern ist am besten gewährleistet, daß sich jeder beteiligen kann und gleichzeitig eine ausreichende Vielfalt der Meinungen vorhanden ist. Außerdem ist die Häufigkeit der Äußerungen durch Verstärkung beeinflußbar: Untergeordnete Positionen können durch systematische Verstärkung in Führungspositionen verwandelt werden (Verstärkung des Betreffenden; leichte Bestrafung, etwa Stirnrunzeln, bei den dominanteren Personen, um Raum für Äußerungen zu schaffen). Die so erzielten Veränderungen sind eingermaßen dauerhaft. Eine wirksame Art der Verstärkung ist es, Bemerkungen des Schülers aufzugreifen und anzuwenden.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Reihe herumzugehen und jeden eine oder zwei Bemerkungen machen zu lassen. Dabei kann es aber passieren, daß derjenige, der als nächster an der Reige ist, unaufmerksam ist, da er seinen eigenen Beitrag überlegt.

Der Gruppenzusammenhalt sollte nicht zu eng sein, da es sonst vorkommen kann, daß einzelne Gruppenmitglieder ausgeschlossen werden, die die Meinung der Mehrheit nicht unterstützen.

Sarkasmus, Spott und Feindseligkeiten sollten vermieden werden, um die Gefühle der Schüler nicht zu verletzen. Andererseits müssen die Schüler bei berechtigter Kritik aber lernen, diese zu ertragen und sie nicht persönlich zu nehmen.

Andere Kleingruppenmethoden

Rollenspiel

Beim Rollenspiel haben die Schüler die Möglichkeit, die Sichtweisen und Gefühle von Menschen in bestimmten Problembereichen kennenzulernen. Folgende Schritte sind nötig:

Erstellung einer Problemsituation;

Zuweisung verschiedener Rollen;

Durchspielen von Szenen;

Besprechung.

Vorurteile, Stereotype, fehlerhafte Logik, Ignoranz und falsche Informationen manifestieren sich in der Rollenspielsituation; sie können im Anschluß an das Spiel überprüft werden und so zu einer Klärung beitragen. Die Handlung muß nicht zu einem logischen Ende führen, sie kann abgebrochen werden, sobald genug geschehen ist, was sich als Stoff für eine sinnvolle Diskussion anbietet.

Kooperatives Lernen

Wenn Schüler bei der Lösung eines Problems zusammenarbeiten, können aufgrund dieser kooperativen Erfahrung Vorurteile abgebaut werden. Bei der Schülerteammethode (SLAVIN, 1978) wird der vom Lehrer vermittelte Stoff von Schülerteams durchgeprüft. Dafür wird das Team vom Lehrer belohnt, ohne daß eine direkte Konkurrenz zwischen den einzelnen Schülern stattfindet.

Bei dem Gruppenforschungsmodell (SHARAN und LAZAROWITZ) kooperieren die Schüler bei der Planung eines Unterrichtsthemas, sie formulieren gemeinsam die Verfahren, sammeln Daten und interpretieren sie und stellen die Einzelbeiträge in Form eines Gruppenergebnisses zusammen.

21. Individueller Unterricht

Ziele des individuellen Unterrichts

Ein wichtiges Ziel ist die Berücksichtigung individueller Unterschiede im Unterricht. In einigen Untersuchungen zeigte sich, daß die besten Schüler in der üblichen Klassenzusammensetzung wesentlich mehr und schneller lernen können als die leistungsschwächten Schüler in der gleichen Klasse. Werden Schüler in großen Gruppen unterrichtet, wird der Unterricht wahrscheinlich für einige Schüler nicht angemessen sein. Bei einem individuell ausgerichteten Unterricht sollte jeder Schüler die Aufgaben bearbeiten, die seinen speziellen Fähigkeiten und Interessen angemessen sind. Dazu bieten sich folgende Lösungen an:

Gruppieren nach Fähigkeiten;

Förderklassen;

Einzelbetreuung;

Schulen ohne Benotung;

Überspringen oder Wiederholen einer Klasse; ...

Bei den genannten Methoden werden aber nur stabile Unterschiede zwischen den Schülern beachtet; für den Umgang mit momentanen individuellen Unetrschieden sind sie jedoch nicht geeignet.

Ein weiterer Vorteil individuellen Unterrichts kann in der Förderung des selbsständigen Arbeitens und Lernens gesehen werden: Die Schüler lernen, wie man lernt.

Bei Einzelbetreuung und selbstständigem Lernen soll der Lehrer nur anleitende Hilfe geben; die Schüler sollen fähiger werden, Verantwortung für ihre eigene Erziehung zu übernehmen. Nach BONTHIUS und anderen (1957) kann beim selbstbestimmten Lernen die Anzahl der formalen Unterrichtsstunden verringert werden und der Schüler soll sich das Stoffgebiet selbstständig erarbeiten; dadurch soll sich eine allgemeine Bereitschaft zu unabhängigem Arbeiten und zu intellektueller Neugier entwickeln.

Lerngewohnheiten

Nach WOLF (1979) weist die wöchentliche Stundenzahl der Hausaufgaben eine wesentliche Beziehung zur Leistung auf. MARSHALL (1982) stellte fest, daß im Mathematikunterricht Hausaufgaben tatsächlich zu höheren Leistungen führen, insbesondere in den oberen Klassen (7-10), und dies vor allem bei Problemlösungsaufgaben im Gegensatz zu reinen Rechenaufgaben. Wichtig ist jedoch eine curriculare Bindung der Hausaufgaben und daß die Schüler für unsorgfältig oder unkorrekt gemachte Hausaufgaben zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Wirksamkeit der SQ3R-Methode (survey-question-read-recite-review) ließ sich bisher empirisch nur beschränkt zeigen. Sie umfaßt folgende Schritte:

Überblick (survey) über das Stoffgebiet (ins Gedächtnis Rufen bereits bekannter Sachverhalte);

Fragen (question) an den Stoff, die durch ihn beantwortet werden sollen;

Lesen (read) des Materials (aufmerksam);

Wiedergeben (recite) in der Form, in der später die Fragen beantwortet werden müssen;

Rückschau (review): nochmals einen Überblick über den gesamten Stoff gewinnen.

MARKEN und MALAND (1979) sind zu dem Ergebnis gekommen, daß Aufzeichnungen und Anstreichung nur eine geringe Wirkung zu haben scheinen. Der Survey of Study Habits and Attitudes (BROWN & HOLTZMANN, 1967) mißt Verhaltenstendenzen, die von dem, was Tests für schulische Leistungen messen, ziemlich verschieden sind und dennoch in einem signifikanten Zusammenhang mit den Leistungen stehen. Daraus lassen sich folgende Ratschläge für die Schüler ableiten:

Vermeidung von Verzug, sorgfältiges Planen;

Lehreranerkennung (Besprechen von Problemen);

Akzeptierung von Aufgaben;

Arbeitsmethoden (gewissenhaft, hart, ausgeruht, keine Unterbrechungen, ...).

Es konnte auch empirisch nachgewiesen werden, daß diese Verhaltensweisen, die möglicherweise in einem kausalen Zusammenhang mit den Schulleistungen stehen, sinnvoll sind. Sie hatten bei denjenigen Studenten größere Auswirkungen auf die Noten, deren Motivation zur Teilnahem an einem Kurs über Lerntechniken hoch war (cf. ENTWISTLE, 1960). Bei den Kursen wurde auf Selbstverstärkung für entsprechendes Lernverhalten Wert gelegt.

Selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen

Der Lehrer kann einem Schüler eine selbstständige Aufgabe stellen und ihn für die Zeit der Erledigung vom Unterricht befreien. Durch selbstständiges Lernen sollen die Unterrichtsziele eine persönliche Bedeutung für den Schüler erhalten, so daß er disziplinierter und erfolgreicher arbeitet. Verhaltensverträge können dazu eingesetzt werden, in denen festgelegt ist,

was gelernt werden soll;

auf welche Weise die Leistungen nachgewiesen werden sollen;

welche Hilfsmittel verwendet werden dürfen;

welche Schritte durchgeführt werden sollen oder welche Aufgaben erledigt werden sollen;

die Abschnitte, nach denen die Fortschritte beurteilt werden können;

der Zeitplan, der eingehalten werden muß.

Welches Ausmaß an Selbstständigkeit angemessen ist, hängt von der Reife des Schülers und den entsprechenden Lernzielen ab. Auch Fernuniversitäten fallen unter das selbstbestimmte Lernen.

Der Keller-Plan und seine Varianten

Nach KELLER (1968) soll ein Universitätskurs in 15-30 Lektionen aufgespalten werden; jede Lektion soll einzeln gelernt und anschließend getestet werden. Bei bestandenem Test folgt die nächste Lektion. Der Keller-Plan, der auch Personalized System of Instruction (PSI) genannt wird, ist nach folgenden grundsätzlichen Merkmalen aufgebaut:

Individuelles Lerntempo, da die Noten nach dem Erreichen des Kriteriums vergeben werden, nicht aufgrund sozialer Vergleiche.

Das Beherrschen des Stoffes als Ziel. Für Mißerfolge gibt es keine Bestrafung. Für die Tests müssen Parallelformen zur Verfügung stehen.

Einsatz von Tutoren (z.B. fortgeschrittene Studenten).

Arbeitshilfen, z.B. Formulierung der Ziele, Vorschläge für das Lernen, Hinweis auf verfügbare Quellen usw.

Ergänzung durch traditionelle Unterrichtstechniken, wie Vorträge, Filme, Fernsehprogramme, Kurzfilme usw.

Das Lernen nach dem Keller-Plan ist anderen Methoden nachweislich überlegen, die Streubreite der Leistungen in den Kursen verringert sich und es kommt zu besseren studentischen Beurteilungen der Kurse. Größere negative Auswirkungen konnten nicht festgestellt werden, allenfalls eine geringfügig höhere Abbruchrate. Einige Studenten schieben den Beginn des Kurses oder die Tests hinaus; sie sind es zumeist, die in diesem System stranden. Der Zeitaufwand scheint insgesamt etwa der selbe wie bei gewöhnlichem Unterricht zu sein.

CALHOUN (1973) stellte fest, daß selbstbestimmtes Lerntempo, Einzelbetreuung, Feststellung des Beherrschungsniveaus, unmittelbare Rückkopplung und häufiges Testen zur Effektivität beitragen. Die stärksten Auswirkungen stammen aus der Bedingung, daß die nächste Einheit erst dann begonnen wird, wenn die vorherige Einheit ganz beherrscht wird. Nachteilig ist, daß kein Gedankenaustausch mit Komilitonen möglich ist und daß das Blickfeld verhältnismäßig eng und begrenzt bleibt.

Zielerreichendes Lernen (Mastery Learning)

Die Zeit, die der Schüler für den Lernerwerb benötigt, ist der wichtigste Index seiner Fähigkeit. Das Ausmaß des Lernens ergibt sich nach CARROLL nach folgender Rechnung:

(für das Lernen zur Verfügung stehende Zeit x Motivation) / (für das Lernen erforderliche Zeit x Qualität des Unterrichts x Fähigkeit, den Unterricht zu verstehen)

BLOM (1968) entwickelte die Methode des Mastery Learning, bei der dem Schüler so viel Zeit zur Verfügung gestellt wird, wie er benötigt, der Schüler motiviert wird und die Wahrscheinlichkeit angehoben wird, daß es zu einem guten Unterricht kommt und daß der Unterricht verstanden wird. Schüler, die das als angemessen betrachtete Beherrschungsniveau nicht demonstrieren können, erhalten sofort Rezepte, wie sie Abhilfe schaffen können. Es wird ihnen so viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, wie für das Erreichen des Kriteriums notwendig ist. Die beim Erreichen der einzelnen Ziele erzielten Erfolgserlebnisse sind motivierend und wirken sich positiv auf das Selbstbild aus.

Durch den Einsatz von Tutoren wird versucht, eine hohe Qualität des Unterrichts zu erreichen. Nach BLOCK und BURNS (1976) wurde dadurch in 89% der Fälle eine bessere Leistung erzielt (61% signifikant besser). MUELLER (1976) führt aber auch Kritik an:

Der Schüler wird zu sehr von der eigenen Lernverantwortung entlastet.

Die Unterrichtssequenzen dürfen zeitlich nicht fixiert sein.

Schnelle Schüler müssen auf der Stelle treten.

Ein wesentlicher Teil der Unterrichtsressourcen wird auf die schwächeren Schüler gelegt (Korrekturhilfen, Lehrerhelfer, alternative Lernmaterialien usw.).

Der ganze Stoff einer Unterrichtseinheit muß von allen Schülern gleich gut gelernt werden; diese Methode ist wenig wirkungsvoll, um das Lernpotential der schnelleren Schüler zu steigern.

Lernverhaltensverträge in der Primarstufe

Durch Verhaltensverträge, deren Erfüllung den Schülern selbst überlassen bleibt, entwickeln viele uninteressierte Grundschüler eine bessere Motivation zur Arbeit in der Schule. Häufig geschehen interessante Dinge erst dann, wenn solche Systeme bereits längere Zeit in Kraft waren. Bezüglich ihrer Selbstständigkeit lassen sich die Schüler folgenden Niveaus zuordnen:

Niveau des Lernens unter Anleitung: Kaum Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten oder sich eine gewisse Selbstdisziplin aufzuerlegen.

Niveau des gemeinsamen Planens: Handlungen können selbst bestimmt werden; während der Bearbeitung des Projektes wird jedoch immer wieder Hilfe benötigt.

Niveau des selbstständigen Arbeitens: Der Schüler kann Themen abgrenzen, Hilfsquellen ausfindig machen, Entscheidungen treffen, Termine einhalten usw.

Nach WARD (1973) können folgende sieben Elemente Bestandteil eines Lernverhaltensvertrags sein:

Genau bestimmtes Zielverhalten.

Erkennbar machen, welches Lernen stattgefunden hat.

Hilfsmittel zu Beginn.

Darstellung der Maßnahmen, die der Reihe nach getroffen werden müssen.

Kontrollpunkte (Fortschritte und Probleme diskutieren).

Termine (realistische Termine setzen und einhalten).

Neue Aktivitäten (neuartige Betätigungen können eine Belohnung für ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt darstellen.

Einzelbetreuung

Beim Einsatz von Tutoren werden oft Laienlehrer verwendet, die dadurch ebenfalls gefördert werden. Der Tutor sollte zunächst diagnostizieren und dann Abhilfe schaffen, während er die ganze Zeit über die Betreuten ermutigt und unterstützt.

Diagnostische Maßnahmen sollen so genau wie möglich herausfinden, was verhindert, daß der Betreute Fortschritte macht. Gespräche, Versuche oder Tests können dazu eingesetzt werden. Der Lehrer kann auch selbst informelle Fragebögen zusammenstellen (meist ist er jedoch nicht dazu in der Lage). Insbesondere im Mathematik- und Sprachunterricht kann die Befragung der Schüler und die Aufforderung, laut zu denken, nützlicher sein als die üblichen diagnostischen Tests.

Abhilfe kann geschaffen werden, indem die Fähigkeiten, an denen es dem Schüler mangelt, geübt werden. Reagiert der Schüler richtig, kann auf dem selben Niveau weitergeübt werden oder zur nächsten Fähigkeit übergegangen werden. Nach einer falschen Reaktion sollte der Tutor die richtige Antwort nennen und die Aufgabe nochmals erklären und neue Beispiele anführen. Es kann auch programmierter Unterricht durch Tutoren stattfinden, deren Verhalten dann durch die einzelnen Programmschritte bis ins kleinste Detail festgelegt ist.

Der Tutor sollte großzügig für positive Verstärkung sorgen. Die Beziehung zu dem Tutor kann dazu führen, daß die Lernsituation wieder mit einer gewissen Sicherheit ausgestattet wird. Empfehlenswert ist, dem Schüler zu sagen, daß eine Aufgabe oder ein Problem ziemlich schwierig ist, so daß bei Lösung der Aufgabe das Erfolgserlebnis größer werden kann und die Selbstachtung weniger beeinträchtigt wird, wenn die Aufgabe nicht geschafft wird.

BERNSTEIN (1959) kam zu dem Schluß, daß alle Verfahrensweisen der Einzelbetreuung zu irgendwelchen guten Ergebnissen führten. Es konnten kognitive (z.B. bestimmte Werte in Leistungstests) und affektive (z.B. günstigeres Selbstbild) Ziele erreicht werden.

Programmierter Unterricht

SKINNER vertrat die Ansicht, daß im normalen Unterricht die Schüler zu selten auf diskriminative Hinweisreize reagieren können; sie können sich nur selten äußern oder reagieren. Die einzelnen Hinweisreize werden in planloser Reihenfolge gegeben. Verstärkung erfolgt erst nach einem zu langen Zeitintervall (wenn der Test korrigiert ist). Programmierter Unterricht ist ein System, bei dem

jedem einzelnen Schüler ein bestimmter Inhalt vorgelegt wird;

jeder Schüler tätig werden muß;

sofort nach der Reaktion Informationen über deren Richtigkeit gegeben werden.

Die einzelnen Einheiten sollten kurz und relativ leicht sein, so daß die Wahrscheinlichkeit hoch wird, daß der Schüler beim Durcharbeiten des Programms nur positive Verstärkung erlebt. Der Programmierte Unterricht ist für das Erlernen spezieller Fertigkeiten und für Förder- und Vertiefungszwecke nützlich. Er hat dazu beigetragen, daß der Theorie des Unterrichts mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde und daß besseres Unterrichtsmaterial entwickelt wurde.

Die Idee des individualisierten Unterrichts wird dadurch realisiert, daß mehr Rücksicht auf die besonderen Fähigkeiten, Lernraten und Interessen der einzelnen Schüler genommen wird. Der Schüler kann sein Lerntempo selbst festlegen. Heute haben die Schüler mehr Gelegenheit, sich aktiv am Lernprozeß zu beteiligen; sie erhalten häufiger sowohl affektive (Lob und Anerkennung) als auch kognitive Rückmeldung.

Computer im Unterricht

Computerunterstützter Unterricht (computer Assisted Instruction, CAI) ist eine Art weiterentwickelter programmierter Unterricht, der folgende Vorteile aufweist:

Informationen über die Reaktionen des Schülers können gespeichert, wieder abgerufen und ausgewertet werden; die Ergebnisse sind sofort zugänglich.

Informationen über Schülergruppen können statistisch ausgewertet werden.

Die Verbindung zu den Computern kann über Telefonleitungen hergestellt werden.

Es können die Latenzen der Reaktionen der einzelnen Schüler erhoben werden.

Die Informationen können in nichtverbaler oder akustischer Form dargeboten werden; der Schüler kann z.B. taktil (mit einem Lichtgriffel) reagieren.

Die Kosten pro Schüler lassen sich auf ein erträgliches Niveau drücken. Der Computer kann die letzten Reaktionen eines Schülers mit berücksichtigen und sofort entscheiden, ob der Schüler mehr Übung braucht oder ob er zur nächsten Aufgabe übergehen kann. Dem Lehrer bleibt die langweilige Aufgabe erspart, die Arbeit des Schülers auszuwerten und zu beurteilen.

CAI kann auf drei Stufen eingesetzt werden: Drill, Einzelbetreuung (ICAI) und Dialog (bisher noch nicht in gesprochener Sprache). Jede einzene Aufgabe besteht aus der Abfolge Darbietung - Reaktionsauslösung - Rückmeldung. Erst wenn ein Schüler ein bestimmtes Leistungskriterium erfüllt hat, geht der Computer zur nächsten Übung über. Das Leistungskriterium hängt von den Fähigkeiten des Schülers (Prozentsatz der von ihm in einem Vortest richtig wiedererkannten Einheiten) und von der Schwierigkeit der einzelnen Items ab. Der Computer kann die Fähigkeit des Schülers und die Schwierigkeit der Items beurteilen. Diese beiden Variablen werden so kombiniert, daß die Lernarbeit pro Zeiteinheit für einen bestimmten Schüler optimiert wird.

Empirisch konnte von RAGOSTA und anderen (1982) festgestellt werden, daß der Gewinn, der sich aus CAI-Mathematikunterricht ergab, etwa genauso groß war wie der Gewinn aus zeitlich gleich langem Einzelunterricht. Die Erfahrungen der Schüler mit CAI zeigten keine deutlichen Auswirkungen auf deren Einstellung zum Computer. Die Computer wurden nach ATKINSON und anderen (1973) als fast genauso warm oder kalt wahrgenommen wie die Person des Lehrers; sie wurden außerdem eher als fair, gut, angenehm, klar und leicht wahrgenommen. Nach HESS und Mitarbeitern wird der Computer als sachkundig, fair und emotional neutral eingestuft. Die Schüler vertrauen dem Computer, aber sie neigen auch dazu, seine Wirksamkeit zu überschätzen.

22. Offene und humanistische Ansätze im Unterricht

Ziele der humanistischen Ansätze

Der Lernende soll selbst mehr Verantwotung beim Festlegen dessen, was gelernt werden soll, übernehmen und mehr Fähigkeiten zur Selbstbestimmung und Selbstständigkeit erwerben. Großer Wert wird auch auf Kreativität, Interesse an den Künsten und Neugier gelegt. Noten, Tests, Stundenpläne und sogar die Anwesenheitspflicht werden aufgegeben. Der Lehrer nimmt keine überlegene Stellung mehr ein, sondern versucht, die Schüler bei ihrer Selbstverwirklichung zu unterstützen. Die intellektuellen Ergebnisse des Unterrichts sind nicht so wichtig wie die sozial-emotionalen.

Der Hintergrund der humanistischen Ansätze besteht in den Arbeiten von A.S. NEILL (1960, Summerhill), C. ROGERS (nondirektive Gesprächspsychotherapie) und A. MASLOW (Motivationskonzept). Das Kind wird als von Natur aus klug und realistisch betrachtet, das sich ohne Einfluß der Erwachsenen am besten entwickelt.

Angestrebt werden Selbstverwirklichung, Kreativität (die sich unter den richtigen Umweltbedingungen von selbst entwickelt) und eine neuartige Einstellung zu sich selbst - daß die Person sich selbst, ihre Gefühle und die anderer Personen in größerem Ausmaß akzeptiert. Auf Kenntnisse und Fertigkeiten wird weniger Wert gelegt als auf die Persönlichkeit des Schülers, seine Unabhängigkeit und Einzigartigkeit. Mit dem humanistischen Unterricht soll ein aktives, prozeßorientiertes, selbstbestimmtes, eindringliches, reflektiertes und schülerzentriertes Lernen erreicht werden. Der Lehrer hat vor allem eine menschliche Funktion zu erfüllen.

Prinzipien der humanistischen Erziehung

Selbstbestimmung: Der Schüler soll selbst entscheiden, was er lernen will, da nichts wirklich gelernt wird, das keinem inneren Bedürfnis entspringt und die Neugier oder Phantasie befriedigt (intrinsische Motivation). Die Gefahr besteht, daß sich ein Kind für minderwertig hält, wenn man seine Überlegenheit dadurch demonstriert, daß man ihm vorschreibt, was es zu lernen habe. Man muß den Kindern nur so viel wie möglich von der Welt ins Klassenzimmer bringen, ihnen Achtung erweisen und sie bei dem, was sie selbst wollen, unterstützen, um sie zu motivieren. CAMPBELL (1964) konnte keine Beeinträchtigungen der Leistung von Schülern feststellen, die nach diesem Prinzip unterrichtet wurden. Summerhill fördete die Initiative, das selbstverantwortliche Handeln und die Integrität der Schüler. Selbstvertrauen, der Umgang mit anderen, Ungezwungenheit im Umgang mit Autoritätspersonen und die Reifung der Persönlichkeit profitierten davon ; allerdings war die Ausbildung über das 12. Lebensjahr hinaus mangelhaft.

Lernen wollen und wissen, wie man lernt: Die Schulen sollen Schüler hervorbringen, deren Wunsch zu lernen beständig wächst und die auch wissen, wie man lernt. Tatsachenwissen um seiner selbst willen wird für unsinnig gehalten. Es ist ohne Bedeutung, was Kinder lernen, solange sie weiterlernen wollen. Schüler, die sich unter ständig ändernden Bedingungen neue Lernmöglichkeiten zu eigen machen, sind am anpassungsfähigsten (Selbsterneuerung). Zum stabilen Erwerb einer Fähigkeit ist ausgiebiges Üben erforderlich. Manchmal ist Auswendiglernen gerechtfertigt (wenn es eine grundsätzliche Voraussetzung für den Erwerb weiterer Fähigkeiten ist, z.B. 1x1).

Selbstbewertung: Selbstbewertung ist die Voraussetzung für Autonomie; aber sie muß erst erlernt werden. An "objektiven" Tests bemängelt GLASSER (1969):

sie tun so, als gäbe es für jede Frage nur eine richtige Antwort;

Normalverteilungform der Bewertung beruht auf Vergleich mit anderen;

Prüfungen ohne Bücher sind sinnlos, da sie zu Auswendiglernen ermuntern.

Bei humanistischen Testtechniken kommen angeblich keine Betrügereien vor. HOLT ist der Meinung, daß Kinder in der Schule viele Dinge nicht wegen eines schlechten Gedächtnisses vergessen, sondern weil sie ihrem eigenen Gedächtnis mißtrauen. Benotung führt dazu, daß Kinder nur wegen der guten Noten lernen und nicht um ihrer persönlichen Befriedigung willen. Die Aufzeichnungen über einen Schüler sind als dessen Eigentum zu betrachten.

Die Bedeutung von Emotionen: An humanistischen Schulen wird für das Auftreten von Emotionen gesorgt; es soll nicht schamhaft weggeschaut werden. Das Lernen beseht im Sichaneignen neuer Informationen und im Entdecken der persönlichen Bedeutung dieser Informationen; im herkömmlichen Unterricht ist es den Schülern kaum möglich, eine persönliche Bedeutung der behandelten Items zu entwickeln. Bei der konfluenten Erziehung nach BROWN (1971) werden gruppentherapeutische Techniken angewandt. Emotionen werden wirksam eingesetzt, um Interesse und Beteiligung am Unterricht zu erzeugen. Es werden beispielsweise Übungen im Entwickeln und Verstehen von Vertrauen als einer Emotion eingesetzt (Blindenführen u.a.). Nach SCHULTZ (1967) können auch Berührungsspiele, Erfahrungen im Ausgestoßen- und Wiederaufgenommenwerden und Spiele, bei denen die Teilnehmer üben, ihre Gefühle in Worte zu fassen, eingesetzt werden.

Die Abwesenheit von Bedrohungen: Für viele Schüler ist die Schule ein Ort, an dem sie erniedrigt, lächerlich gemacht, abgewertet, verspottet und mit Verachtung behandelt werden. Die Schule kann dagegen eine neue Bedeutung gewinnen, wenn die Schüler sich in neue Bereiche vorwagen und dabei bereitwillig lernen, da sie sicher sind, daß ihre Selbstachtung nicht bedroht werden wird.

Unterrichtsfunktionen und Methoden

Der Lehrer als Förderer soll Anleitungen für das Lernen geben, ein Modell für das Lösen von Problemen darbieten, das Anlaufen von Lernprozessen katalysieren, Hilfen beim Lernprozeß bereitstellen und den Schülern ein Freund sein. Dadurch, daß er sein Vertrauen und seinen Respekt deutlich macht, schafft er die Situation, die für die Reifung der Schüler optimal ist. Er soll sich bemühen, die speziellen Bedürfnisse seiner Klasse zu befriedigen und sich dabei um geeignetes Hilfs- und Quellenmaterial bemühen.

Der Lehrer soll darauf achten, daß starke Emotionen oder tiefe Gefühle ausgedrückt werden und dabei helfen; idealerweise sollte er sich dabei wie ein klinischer Psychologe verhalten (z.B. Gruppenspiel: einen ausschließen und dann wieder aufnehmen; anschließend diskutieren). Schwer zugänglichen Schülern kann man schriftliche Hilfen zur Erkundung ihrer Emotionen anbieten. Wesentlich ist, daß der humanistische Lehrer dazu bereit ist, sich an Aktivitäten zu beteiligen, die für das Zum-Ausdruck-Bringen und das Verstehen der emotionalen Seite des Lebens förderlich sind.

Schließlich soll der Lehrer den Schülern beim Lernen helfen, indem er ihnen Hilfsmittel zur Verfügung stellt und geeignete Techniken auswählt.

Offener Unterricht

Unter offenem Unterricht (auch als integrierte Tagespläne, Leicestershire-Modell oder informeller Unterricht bezeichnet) wird ein weitgehend individualisiertes Vorgehen bei der Kindererziehung verstanden. Folgende Merkmale sind charakteristisch:

Keine festen Sitzplätze, sondern Wechsel von einem Tätigkeitsbereich zum nächsten;

Verschiedene Arbeitsbereiche;

Möglichkeit, von der ganzen Schule Gebrauch zu machen und andere Klassen zu besuchen;

Großteil im Freien;

Schüler helfen sich gegenseitig;

Großteil des Unterrichtsgesprächs findet zwischen den Schülern statt;

Freies Auswählen der Tätigkeit, an der sich die Schüler beteiligen wollen;

Keine starren Stundenpläne (je nach Interersse);

Von den Kindern wird aber erwartet, daß es täglich eine bestimmte Menge schreibt, liest und rechnet;

Der Lehrer vermeidet es so lange, in die Tätigkeiten des Kindes einzugreifen, bis dies nötig wird; wenn es erforderlich ist, übt er auch Zwang aus.

Es werden viele Lehrmaterialien benötigt.

Der Lehrer sollte die Kinder beim Spielen beobachten, ihnen Fragen stellen, auf ihre Denkvorgänge achten und Tätigkeiten vorschlagen, die die individuelle Reifung des Kindes fördern. Jedes Kind kann nicht nur seine spezielle Lerngeschwindigkeit wählen, sondern auch seine speziellen Unterrichtsmethoden und Lernbereiche.

Nach RATHBONE (1972) muß aber noch erforscht werden, ob diese Art des Lernens für Kinder der Unterschicht nicht schädlich ist, da diese möglicherweise nicht das erforderliche Verantwortungsbewußtsein aufbringen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse geben Anlaß zu der Vermutung, daß die schulischen Leistungen beim offenen Unterricht etwas niedriger sind, die Einstellungen der Schüler zu sich selbst und zur Schule dagegen etwas besser.

Affektiver Unterricht

Das Projekt AWARE (ELARDO & CALDWELL, 1976) gleiderte sich in folgende Abschnitte:

Miteinander bekannt werden (3 Sitzungen);

Wahrnehmen und Verstehen von Gefühlen fördern (16 Sitzungen);

Individuelle Unterschiede verstehen und akzeptieren (12 Sitzungen);

Entwicklung sozialer Fertigkeiten (40 Sitzungen).

Die Fähigkeit, Rollen zu übernehmen verbesserte sich ebenso wie die Lehrerbeurteilungen bezüglich Respektlosigkeit/Ablehnung, Außensteuerung, Unaufmerksamkeit/Verschlossenheit und kreativer Initiative. Gemischte Ergebnisse ergaben sich für Selbstwertschätzung und Einstellung zur Schule; positive Ergebnisse beim Verständnis sozialer Kausalzusammanhänge und der Fähigkeit zur Übernahme von Rollen und bezüglich der Disziplin.

Analyse und Bewertung des offenen Unterrichts

Die Befürworter des offenen Unterrichts konnten sich noch nicht einigen, welche Aspekte vorrangige Bedeutung haben. Lehrer, die in Fragebögen von sich selbst behauptet hatten, sie würden offen unterrichten, wurden von Beobachtern gewöhnlich sehr viel weniger offen beschrieben. Sie können auch sehr große Unterschiede in den Offenheitskomponenten aufweisen.

MARSHALL (1981) forderte, den offenen Unterricht auf der Grundlage seiner inneren Komponenten und Kombinationen zu beurteilen und nicht als einziges, in sich geschlossenes Gebilde. GIACONIA und HEDGES (1982) erstellten eine solche Komponentenbeurteilung; offener Unterricht hat danach folgende Auswirkungen:

niedrigere sprachliche Leistungen;

keine konsistenten Auswirkungen auf Rechnen, Lesen und andere schulische Leistungen;

verbesserte Leistungsmotivation, Kooperativität, Kreativität und Selbstständigkeit (in einem bescheidenen Ausmaß);

fast keine konsistenten Auswirkungen auf Anpassung, Angst, Ort der Steuerung oder Selbstbild;

geringfügige Verbesserung der Einstellungen zur Schule und der generellen geistigen Fähigkeit.

Nur in den Bereichen von Selbstbild und Kreativität bestand ein beachtlicher Unterschied in der Anzahl der genannten Aspekte. Die Rollenaspekte scheinen eher gefördert zu werden. Bei den nichtleistungsbezogenen Fähigkeiten waren vor allem diagnostische Beurteilung, manipulierbare Materialien, individueller Unterricht und altersübergreifende Gruppierung wichtig. Bei den leistungsbezogenen Ergebnissen waren vor allem die Aspekte Manipulierbares Unterrichtsmaterial und Team-Teaching wichtig.

Für bestimmte Zwecke scheinen also bestimmte Aspekte des offenen Unterrichts nützlich zu sein; für andere Zwecke scheinen andere Aspekte dieser Unterrichtsform hinderlich zu sein.

23. Der Unterricht in der Klasse: Planung und Organisation

Ziele des Unterrichts in der Klasse

Der Unterricht im Klassenverbund ist die am häufigsten angewandte Methode; er stellt eine Kombination der drei bisher besprochenen Methoden dar (Frontalunterricht, Diskussionen und selbstbestimmtes Lernen), wobei der Anteil jeder dieser anderen Methoden unterschiedlich groß ist. Diese Methode ist relativ flexibel in der Zusammenstellung der einzelnen Methoden; wichtig ist, wie die einzelnen Methoden kombiniert werden.

Kurze Vorträge werden öfter durch Fragen der Schüler oder an die Schüler unterbrochen. Der Lehrer hat den größten Anteil an dem, was gesagt wird. Das Frage-Antwort-Verfahren besteht normalerweise aus einem relativ kurzem verbalen Austausch zwischen Lehrer und Schüler; etwa ein Drittel der Unterrichtszeit wird dadurch in Anspruch genommen (cf. STODOLSKY et al., 1981). Die Lehrer haben den größten Anteil an dem, was gesagt wird: Mehr als 60% der Äußerungen stammen von ihnen; 20-25% der Zeit entfallen auf die Antworten der Schüler. Die Unterrichtsmaßnahmen der Lehrer untergliedern sich in

Strukturieren (Ingangsetzen oder Beendigen einer Interaktion);

Anregen (eine Reaktion hervorrufen);

Antworten (Erfüllen der Erwartung, die durch die Anregungsmaßnahme gesetzt wurde);

Reagieren (Modifizieren oder Bewerten einer vorausgehenden Maßnahme).

Dieses Grundmuster tritt in vielen Klassenstufen und Fächern auf. Ähnlich ist das Impuls-Antwort-Beurteilungs-Verfahren (BELLACK, 1976), das aus den Stufen Strukturieren - Anregen - Antworten - Reagieren besteht und in allen Klassenstufen als Grundstruktur beobachtet werden konnte. In der Mathematik tritt nach STODOLSKY mehr aktives Problemlösungsverhalten und weniger erkennbare Schüleraktivität auf als im Sozialkundeunterricht. Das Frage-Antwort-Verfahren tritt häufiger in Schulen mit niedrigerem sozioökonomischen Status auf (allerdings nicht bei kleinen Gruppen). Die Funktion des Frage-Antwort-Verfahrens ist Wiederholung, Neueinführung, Antwortüberprüfung, Übung und Verständniskontrolle. Folgende Vorteile und Gründe für die häufige Anwendung dieser Methode lassen sich aufführen:

Die Kinder passen relativ gut auf, sie scheinen leichter zu lernen als bei Stillarbeit, sie sind nicht besonders ängstlich und sie erhalten vom Lehrer Aufmerksamkeit.

Das Verfahren ist sehr anpassungsfähig: es kann bei Frontalunterricht, Diskussionen und selbstbestimmtem Lernen angewandt werden. Der Anteil der drei Methoden am Gesamtunterricht läßt sich entsprechend den Fähigkeiten der Schüler, der Ausbildung und dem Temperament des Lehrers und den Erfordernissen des Fachgebiets und der Unterrichtsziele variieren.

Verstärkung und Bekräftigung für den Lehrer ist z.B. dadurch zu erzielen, daß er feststellt, ob seine Schüler lernen. Er wird aber nur dann verstärkt, wenn seine Fragen nicht zu komplex sind (und deshalb oft richtig beantwortet werden).

Oft kennen die Lehrer einfach keine geeignete Alternative.

Die starre Organisation der Schulen fördert den Einsatz dieser Methode ebenfalls. Klassengrößen zwischen 15 und 45 Schülern haben scheinbar keinen Einfluß auf die Leistungen der Schüler. Kleinere Klassen sind aber wahrscheinlich dennoch vorzuziehen, da es mehr schriftliche Aufgaben, eine engere Überwachung der Schülerbeteiligung, mehr individualisierte Unterrichtsprogramme und mehr Feedback über die Leistungen geben kann als in größeren.

Diese Form des Unterrichts erlaubt es, den Stoff zu vermitteln; den Schülern Gelegenheit zu geben, das, was sie lernen sollen, zu üben; und die äußeren Bedingungen so zu gestalten, daß sichergestellt ist, daß die Schüler auf die Lernaufgaben vorbereitet und an ihnen interessiert sind.

Unterrichtsphasen mit und ohne Interaktionen

In der Phase ohne Interaktion arbeitet der Lehrer allein; er plant den Unterricht und bereitet das Nötige vor. Er stellt Betrachtungen über die Klasse als Ganzes an, über ihre Interessen und ihren Leistungstand. In der postinteraktiven Phase werden die Resultate und die Leistungen der Schüler bewertet. Die präinteraktive Phase umfaßt:

Aufstellung der Unterrichtsziele;

Betrachten der Merkmale von Schülern, die berücksichtigt werden sollen;

Auswahl der Lehrmethoden;

Auswahl der Lehrbücher und anderer Lehrmittel;

Zeitpläne für die Vorgehensgeschwindigkeit, Prüfungen etc.;

Außerhalb der Klasse zu erledigende Aufgaben und Maßnahmen.

In der präinteraktiven Phase müssen also viele Entscheidungen getroffen werden, wobei die Eignung der jewils gewählten Alternative berücksichtigt werden muß. Es soll zwar genau geplant werden; der Lehrer muß aber auch bereit sein, seine Pläne in Abhängigkeit von der tatsächlichen Situation zu revidieren.

Wie Lehrer ihren Unterricht planen

Eine Unterrichtseinheit zu planen, zwingt den Lehrer mehr zum Entscheiden als zur Verarbeitung von Informationen, denn diese Tätigkeit ist an sorgfältige Überlegungen gebunden. Für die Interaktion mit den Schülern in der Klasse braucht er demgegenüber den informationsverarbeitenden Ansatz. Das (etwas weltfremde) präskriptive Modell zur Planung fordert folgende Reihenfolge:

Ziele definieren;

Der Lehrsituation angemessene Schülermerkmale bestimmen;

Lernerfahrungen auswählen und anordnen;

Beurteilungsverfahren auswählen und einsetzen.

Nach KANSANEN (1981) machen sich Lehrer regelmäßig "im Kopf" einen Entwurf, sie benutzen das Lehrbuch und das dazugehörige Lehrerhandbuch und sie planen die verschiedenen Unterrichtstätigkeiten. Manchmal verwenden sie auch Zusatzmaterial. Nach dem integrierten Ziele-Mittel-Modell (ZAHORIK, 1975) sucht der Lehrer zuerst die Mittel aus und bestimmt dann die Ziele (die sich aus der Unterrichtstätigkeit ergeben sollen und dieser eine neue Richtung und Bedeutung geben). Der Lehrer beginnt damit, sich über Inhalt, Materialien, verfügbare Zeit und die Lernsituation Gedanken zu machen. Vom Schüler selbst gewählte Lerntätigkeiten sollen auf eine gleichberechtigte Ebene mit den Zielen gestellt werden; die Ziele sollen von den Schülern selbst unter Anleitung des Lehrers bestimmt werden.

Die aufgestellten Ziele werden im Unterricht nicht immer verwirklicht. Die meiste Zeit der Planungsmaßnahmen bezieht sich auf inhaltliche Aspekte; methodische Fragen (Strategien und Tätigkeiten) werden nicht so oft bedacht. Am wenigsten Zeit wird für die Zielformulierung verwendet (cf. PETERSON). YINGER fand in einer Fallstudie folgendes Planungsverhalten: Es wurden vor allem Unterrichtstätigkeiten geplant; es ging hauptsächlich um Unterrichtsroutine (Tätigkeiten, Lehrverhalten, Organisation und Ausführung). Die Unterrichtsplanung kann auf folgenden Ebenen ablaufen: Jahresplanung, Halbjahresplanung, Lektionsplanung, Wochenplanung und Tagesplanung. Problemlösetätigkeit setzt sich in immer feineren Planungsdetails fort, bis schließlich der Entwurf in die Praxis umgesetzt und danach beurteilt wird. Wenn er funktioniert, macht ihn der Lehrer zur Routine.

FLODEN und andere gaben Lehrern Themenlisten von hypothetischen Mathematikklassen;sie sollten entscheiden, was hinzugefügt und was weggelassen werden soll. Testergebnisse und curriculare Lernziele hatten den größten Einfluß; die Lehrer waren auch geneigt, Druck (egal aus welcher Richtung) nachzugeben. Sie wollten nur ungern Themen aus der vorgegebenen Liste fallenlassen.

Viele Lehrer richten ihr Augenmerk zunächst auf die Schüleraktivitäten oder auf verfügbares Unterrichtsmaterial oder auf Unterrichtsroutinen. Der eigentliche Unterrichtsentwurf ist oft recht einfach gestaltet, eine grobe Übersicht oder eine Themenliste erscheinen bereits ausreichend und oft wird er gar nicht schriftlich festgehalten. Folgende Hierarchie der Planungsbedingungen läßt sich aufstellen:

Disziplin, Kontrolle und Organisation;

Unterrichtsplanung;

Kontrolle von Vorurteilen;

Abwechslungsreiche und flexible Gestaltung.

Planungsstrategien für Disziplin und Unterrichtsorganisation

Außerunterrichtliche Faktoren können bei Problemverhalten eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören gesellschaftliche und familiäre Faktoren, die schulische Struktur (unangemessene Struktur Þ Mißerfolge und Bedrohung des Selbstwertgefühls Þ delinquentes Verhalten) und auch politische und wirtschaftliche Kräfte.

Der Anfang des Schuljahres ist eine besonders wichtige Phase im Hinblick auf die erfolgreiche Unterrichtsorganisation. Effektivere Grundschullehrer können in den ersten drei Wochen mehr funktionierende Regelsysteme aufstellen, entwickeln ein besseres Einfühlungsvermögen und tendieren mehr dazu, klare Aufgabenanweisungen zu geben.

Zu viel unerwünschtes Verhalten kann z.B. in körperlichen Angriffen, unaufgefordertem Aufstehen, Krach machen oder destruktiver Kritik bestehen. Dagegen lassen sich folgende Strategien einsetzen:

Verminderung von unerwünschtem Verhalten (Vorbeugen): Bescheidwissen (den Eindruck erwecken, genau zu wissen, was überall vor sich geht), Mehrfachverarbeitung (sich mehreren Verhaltensproblemen gleichzeitig widmen), Arbeitsschwung nicht stören lassen, Störungsfreiheit und Wecken von Aufmerksamkeit.

Auslöschen von unerwünschtem Verhalten: Vor allem durch Ignorieren, da die Aufmerksamkeit des Lehrers das Verhalten unerwünscht verstärkt (Vorsicht: 1 Ausrutscher Þ intermittierender Verstärkungsplan). Wird das Verhalten durch die Reaktionen der Mitschüler verstärkt, sollen diese ebenfalls um Ignorieren gebeten werden. Ignorieren ist nicht immer erfolgreich.

Hervorrufen eines dazu unverträglichen erwünschten Verhaltens: Wenn der Schüler losredet, ohne sich zu melden, sollte der Lehrer ihn noch davor aufrufen; bei Streitereien zwischen Schülern kann er sie auseinandersetzen, ...

Enttfernung der Stimuli, d.h. der Bedingungen oder Gelegenheiten, die das unerwünschte Verhalten anscheinend auslösen.

Bestrafung: Wenn die anderen Methoden nicht funktionieren, können folgende Formen der Bestrafung eingesetzt werden: (a) leise Ermahnungen, (b) Zurechtweisungen, die mit Lob und Ermahnungen zu angemessenen Verhalten gekoppelt sind, (c) soziale Isolierung (Auszeit), (d) Folgekosten oder Punktverlust und (e) körperliche Züchtigung (bedenklich).

Zu wenig erwünschtes Verhalten ist beispielsweise Unaufmerksamkeit, fehlendes Interesse an schulischen Aufgaben, Schuleschwänzen oder Unpünklichkeit. Starke Zurückgezogenheit kann auf behandlungsbedürftige Probleme hindeuten. Erwünschtes Verhalten kann auf folgende Arten erzeugt werden:

Auslösen dadurch, daß dem Schüler die Gelegenheit dazu gegeben wird;

Modell sein;

Verstärkung sofort und mit Überzeugung, wenn das Verhalten aufgetreten ist;

Formung durch sukzessive Approximation;

Verhaltensverträge.

Planungsstrategien zur Vorurteilskontrolle

Nach GAGE und BERLINER zeigte jeder von ihnen beobachtete Lehrer gewisse Verzerrungen, die sich in interaktiven Vorurteilen äußerte. Schüler wurden unterschiedlich behandelt aufgrund folgender Merkmale:

Geschlecht,

ansprechendes Äußeres,

sozialer Status,

Kleidung usw.

Die hochgradig vorurteilsanfälligen Lehrer hielten sich selbst außerdem für vernünftiger und weniger emotional. Auch die Kinder untereinander sind für solche Vorurteile anfällig. Für den Lehrer bieten sich folgende Gegenstrategien an:

Planen, wer wann aufgerufen wird;

Lieblingsschüler neben ungeliebten Schüler setzen;

Kodierte Notizen auf den Tisch legen.

Planungsstrategien für Variabilität und Flexibilität

Es existieren meist verschiedene Alternativen für die einzelnen Unterrichtsaspekte. Es können alternative Unterrichtsabläufe erstellt werden; alternative Wertvorstellungen können berücksichtigt werden und Veränderung von Unterrichtsbedingungen kann stattfinden. Diese Veränderungen können angewandt werden auf:

Ermittlung des Lernerfolgs des Schülers,

Bildung von Untergruppen von Kindern für den Unterricht,

Lernerfolg (verhaltensbezogene Ziele),

Unterrichtsmittel,

Unterrichtsstrategien,

Räumliche Anordnung im Klassenzimmer,

Einholen von Rückmeldung von den Schülern,

Geben von Rückmeldung an den Schüler.

Lehrer, die sich die zur Verfügung stehenden Alternativen nicht überlegen, neigen dazu, lediglich das zu tun, was sich ergibt. Dies führt dann häufig zu der Monotonie des Frage-Antwort-Verfahrens. Es konnte empirisch gezeigt werden, daß Abwechslung mit besseren Schülerleistungen korreliert. Die Abwechslung kann dabei Stil (Ausdrucksweise, Gestik, Bewegungen im Raum usw.), Methode (Umgang mit den Schülern, Art und Abfolge der Fragen, Tempo des Unterrichts usw.) oder Unterrichtsmaterialien betreffen.

Das derzeitige Schulsystem läßt aber dem Lehrer nicht völlig freie Hand bei der Festlegung ihres Curriculums. Die Lehrer bringen auch nur selten selbst die Initiative dazu auf, neue Vorgehensweisen in ihre Arbeit einzuführen. Folgende Alternativen zur Frage-Antwort-Methode werden genannt:

Alternativen für große Gruppen (N > 40):

Demonstrationen durch den Lehrer oder Schüler;

Mündliche Berichte einzelner Schüler;

Betrachten von Dias, Filmen usw.;

Exkursionen.

Alternativen für kleine Gruppen (N = 2 - 20):

Diskussionen oder Podiumsdiskussionen;

Rollenspiel;

Entwurf von Projekten;

Besprechen von bereits durchgeführten Tests;

Gemeinsames Aufsagen.

Alternativen für Einzelbetreuung:

Genaue Beachtung der schriftlichen Aufgabenanwesungen;

Heranziehen von Nachschlagewerken;

Überwachung der Arbeit der Schüler.

24. Der Unterricht in der Klasse: Stillarbeit und Unterrichtsgespräch

Einer der Gründe, warum die traditionelle Form des Unterrichtsgesprächs und der Stillarbeit beibehalten werden, ist, daß das Unterrichtssystem Bestandteil eines größeren Systems sozialer, politischer und ökonomischer Kräfte in der Gesellschaft ist; Änderungen sind in solchen Strukturen ein komplexer Prozeß. Außerdem konnte bisher noch keine eindeutige Unterlegenheit des Unterrichts in Klassen nachgewiesen werden. Ein Vorteil des Unterrichts in Klassen ist, daß die verschiedenen Methoden des Vortrags, der Diskussion und des individuellen Unterrichts eingebettet werden können. Erst die Kombination der verschiedenen im folgenden vorgestellten Methoden bewirkt letztendlich den Unterschied zwischen einm wirksamen und einem unwirksamen Unterricht.

Die Stillarbeit

Stillarbeit bedeutet, daß die Schüler für sich oder mit anderen an Aufgaben arbeiten, die ihnen vom Lehrer oder sich selbst gestellt wurden. Stillarbeit mach 50-70% der Unterrichtszeit in amerikanischen Grundschulen aus (da Lehrer lieber mit kleinen Gruppen arbeiten und die restlichen Schüler so lange mit Stillarbeit beschäftigt werden). Der Anteil der Stillarbeit sollte aber reduziert werden, da empirisch gezeigt wurde, daß die Schüler sich in Stillarbeitsphasen weniger stark auf den Unterricht konzentrieren.

Die wichtigsten Variablen der Stillarbeit sind durchgenommene Inhalte, Aufgabenorientierung, Konzentration auf unterrichtsbezogenes Lernen und Beschäftigungsdauer. Unterrichtsbezogene Lernzeit korreliert positiv mit der Leistung, ebenso wie die Intensität des Engagements (cf. FISCHER et al., 1980).

Eine Intensivierung der unterrichtsbezogenen Lernzeit des Lehrers kann also zu einer Leistungssteigerung führen, ebenso wie effektivere Vermeidung von Zeitverschwendung. Zwischen den einzelnen Lehrern bestehen große Unterschiede in der Effizienz ihrer Zeitnutzung. Folgende Vorgehensweise sollen zu einer besseren Ausnutzung der Zeit beitragen:

Einführen eines Systems von Regeln, daß es den Schülern erlaubt, ihren Bedürfnissen nachzukommen, ohne vorher den Lehrer um Erlaubnis fragen zu müssen.

Der Lehrer sollte durch die Klasse gehen und die Stillarbeit beaufsichtigen.

Die Arbeitsaufträge sollten interessant und lohnend, jedoch leicht genug sein.

Hiweise und Unterrichtsorganisation sollten ausreichend und zugleich auf ein Minimum beschränkt sein.

Der Lehrer sollte vom Lehrbuch und vom Arbeitsheft regen Gebrauch machen.

Lehrer sollten das Timing von Verhaltenssteuerung beherrschen.

Lehrer sollten disziplinarische Maßnahmen gezielt einsetzen.

Das Unterrichtsgespräch

Das Unterrichtsgespräch besteht aus einer typischen Ereigniskette: Der Lehrer erstellt eine Struktur, wendet sich mit einer Aufforderung oder Frage an die Schüler; die Schüler reagieren bzw. beantworten die Frage und schließlich reagiert der Lehrer auf die Antwort des Schülers. Etwa 10-15% der Unterrichtszeit amerikanischer Grundschulen fallen in diese Kategorie. In höheren Klassen nimmt auch der Anteil des Unterrichtsgesprächs zu. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Phasen besprochen:

Strukturierungsverhalten des Lehrers

Durch die Strukturierungsmaßnahmen wird der Kontext für das folgende Verhalten dadurch festgesetzt, daß Interaktionen zwischen Schülern und Lehrer entweder in Gang gesetzt oder angehalten oder ausgeschlossen werden. In einem Experiment von CLARK und anderen (1979) wurden die Schüler entweder strukturiert oder unstrukturiert unterrichtet. Bei den Wissensfragen zeigte sich ein deutlicher Unterschied zugunsten des strukturierten Unterrichts; bei den Fragen, die logisches Denken betrafen, zeigte sich dagegen kaum ein Unterschied.

Eine mäßige (also nicht zu viel) Häufigkeit der Anregung und Strukturierung durch den Lehrer korreliert mit hohen Leistungen der Schüler (cf. DUNKIN und BIDDLE, 1974). Möglicherweise hat auch die Häufigkeit des Strukturierens nur in höheren Klassen Bedeutung.

Das Setzen von Signalen (z.B. daß ein Teil der Stunde zu Ende ist und ein neuer beginnt) kann mit der Leistung in sehr kurzen Unterrichtseinheiten (10 Minuten) und auch in längeren (45 Minuten) in Zusammenhang stehen. Ein positiver Zusammenhang zwischen der Neigung des Lehrers, Worte, die gelernt werden sollen, zu betonen oder verbale Hinweise auf die Bedeutung des Stoffes zu geben, und der Leistung der Schüler konnte von PINNEY (1969) gefunden werden. Das Setzen von Signalen strukturiert auch die Lernaufgabe.

Schülereinschätzungen der wahrnehmbaren Organisation kurzer Unterrichtsübungen korrelierten positiv mit ihren Leistungen. Solche Organisationmaßnahmen können folgende sein:

Strukturierungsmaßnahmen (Signale geben, Betonen von Konzepten, verbale Hinweise auf die Bedeutung);

den Schülern Einblick in die Planung des Lehrers zu geben;

Selbstdisziplin des Lehrers und kein Abschweifen vom Thema.

Die Sprechzeiten des Lehrers beziehen sich meist auf Sachverhalte oder Arbeits- und Verhaltensanweisungen. Es ließen sich niedrige (kaum signifikante) Korrelationen zu den Leistungen der Schüler finden. Wenn die Äußerungen hauptsächlich der Strukturierung dienen, sollten sich bessere Leistungen der Schüler ergeben. Wahrscheinlich ist die Qualität der Lehreräußerungen wichtiger als ihre Quantität.

Aufforderungsverhalten des Lehrers

Das Auffordeungsverhalten des Lehrers besteht darin, Impulse zu geben: er regt eine Antwort an oder fordert einen Beitrag (verbal oder nicht verbal) von einem oder mehrern Schülern.

Die Häufigkeit von Fragen korreliert in den meisten Untersuchungen bei etwa .30 mit den Leistungen der Schüler. Unterrichtsbezogene Fragen korelierten in einer Untersuchung von STALLINGS und KASKOWITZ (1974) positiv (.32) mit der Leistung der Drittkläßler, nicht unterrichtsbezogene Fragen dagegen negativ (-.29). Insgesamt wird der Schüler mit mehreren hundert Fragen täglich konfrontiert.

Das kognitive Niveau von Fragen: Es hängt sowohl von der Frage als auch vom Wissensstand des Schülers ab, welche kognitiven Prozesse er bei der Entwicklung einer Antwort verwenden muß (nur Abruf oder Inferenz). Die meisten Fragen (bis zu 80%) verlangen nur ein Erinneren bereits gelernten Materials, während nur 20% intellektuelle Prozesse auf einem höheren Niveau voraussetzen. FISHER und andere (1980) fanden, daß der festgestellte Prozentsatz der Zeit, die auf einfache Fragen (die meist richtig beantwortet werden) verwendet wird, eine positive Korrelation zur Leistung der Schüler aufweist, während der Prozentsatz der auf komplexe Fragen verwendeten Zeit negativ mit der Schülerleistung korrelierte. Bei leistungsmotivierten Schülern mit hohem sozioökonomischen Sttatus korrelierte der Prozentsatz der richtigen Antworten dagegen negativ (-.31) mit ihrer Leistung. Die Ergebnisse, die für Fragen mit einem geringen Schwierigkeitsgrad sprechen, wurden in den Klassen 1-5 ermittelt, während die Ergebnisse über das hohe kognitive Niveau in den oberen Klassenstufen ermittelt wurden. Fragen auf einem relativ hohem Niveau rufen ein Schülerverhalten hervor, das ebenfalls auf einem relativ hohen Niveau angesiedelt ist. Komplexe Fragen bewirken anscheinend auch komplexe Gedanken.

Die Wartezeit I ist die Zeit, die vergeht, bis der Schüler antwortet. Es wirkt sich günstig auf die Antworten der Schüler aus, wenn die Wartezeit, die durchschnittlich 1 Sekunde beträgt, auf mehr als 3 Sekunden verlängert wird (mehr Antworten; auch von Schülern, die selten etwas sagen; mehr Fragen von Schülern; bessere Antworten). Lehrer neigen aber dazu, vor allem bei für fähiger gehaltenen Schülern länger auf eine Antwort zu warten. Die Kombination von verlängerter Wartezeit und hohem Frageniveau brachte in einem Experiment von FAGAN und anderen die besten Leistungen.

Lehrer, die sich mit einer Frage an einen bestimmten Schüler wenden, sollten den Schüler erst beim Namen aufrufen, bevor die die Frage stellen. Außerdem zeigte sich, daß es vorteilhaft ist, vor allem jüngere Schüler in einer geordneten und vorhersagbaren Weise aufzurufen (evtl. wegen der verringerten Angstschwelle). Lehrer sollten nicht mehr als 10-15% der Zeit Schüler aufrufen, die sich freiwillig melden, um nicht die leistungsstarken Schüler zu bevorzugen.

Die Häufigkeit von Zwischenrufen korreliert in Untersuchungen negativ mit der Leseleistung von Zweitklässlern; allerdings sollten Zwischenrufe von Kindern mit niedrigem sozioökonomischen Status zugelassen werden, da gerade sie dazu neigen, wenig Antworten zu geben. Der Lehrer sollte verhindern, daß die Häufigkeit der von den Schülern kommenden Fragen und Kommentare zu groß wird.

Mit Adressatenwechsel ist gemeint, daß der Lehrer dieselbe Frage einem anderen Schüler stellt; diese Variable korreliert mit der Leistung der Schüler (.54; cf. WRIGHT & NUTHALL, 1970). Bei Schülern mit niedrigem sozioökonomischen Status sollte der Lehrer aber versuchen, bei diesem Schüler zu bleiben. Bei Vermittlungshilfen stellt der Lehrer dem selben Schüler weitere Fragen, so daß nicht so oft die "keine-Antwort-"Reaktion kommt. Die Wirkung von Vermittlungshilfen um besserer Antworten willen korreliert positiv mit mathematischen und anderen Arten von Leistung. Fragen und Aufgaben mit einem geringen Schwierigkeitsgrad führen bei weniger leistungsfähigen Schülern zu besseren Ergebnissen. Ersatzfragen gleichen oder gar höheren Niveaus an den Schüler wirken sich gar nicht auf dessen Leistung aus.

Reaktionsverhalten des Lehrers

Die Reaktionen des Lehrers sollen das Schülerverhalten modifizieren oder bewerten. Die Wartezeit II ist die Zeit nachdem der Schüler eine Frage beantwortet hat. Wenn diese verlängert wird, führt das zu den gleichen positiven Konsequenzen wie bei der Wartezeit I.

Positive Reaktionen des Lehrers können in Lob, Akzeptieren der Ideen von Schülern oder Tokens bestehen. Lehrer gehen mit Lob im Unterricht sehr sparsam um (mit negativen Reaktionen ebenso). Es ließ sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Lob und Leistung erkennen; das ausgesprochene Lob wirkt nicht immer verstärkend, sondern muß oft andere Funktionen erfüllen: Verwunderung, Wiedergutmachung, stellvertretende Verstärkung, Eisbrecher, Streicheleinheiten, Trostpreis oder Überleitung. Ob Lob eine Wirkung hat, hängt davon ab, worauf es die Schüler zurückführen. Das Akzeptieren von Gedanken der Schüler hat neben der verstärkenden und motivierenden Wirkung auch den Vorteil, daß Wiederholung und Weiterverfolgung von Ideen gegeben sind. Mehrere empirische Untersuchungen deuteten auch darauf hin, daß die Verwendung von Ideen des Schülers zu besseren Leistungen und positiveren Einstellungen der Schüler gegenüber dem Lehrer führt. Tokens sind dann wirksam, wenn sie Bestandteil eines umfangreichen Systems sind. Sie können jedoch auch weniger systematisch als Verstärker verwendet werden.

Weniger als 6% der Unterrichtszeit entfallen auf negative Reaktionen. Lehrer, die ihre Schüler häufiger kritisieren, haben Schüler, die bei Leistungstests schlechtere Leistungen erbringen (schlechte Schüler Þ mehr Tadel oder umgekehrt?). Jungen werden von ihren Lehrern häufiger getadelt; lassen sich dadurch die schlechteren Durchschnittsleistungen in der Grundschule erklären?

Als Alternativen für Kritik und Tadel eignen sich der Adressatenwechsel und Strukturierungsmaßnahmen; bei beiden handelt es sich um sanfte Kritik. Wird nach einer falschen Antwort ein anderer Schüler gefragt, ohne daß die Antwort als falsch bezeichnet wurde, sollte der Lehrer anschließend nochmals die richtige Antwort wiederholen, damit nicht die falsche Antwort gelernt wird. Den leistungsschwachen Schülern sollten einfachere Fragen gestellt werden. Andererseits sollte es der Lehrer vermeiden, den leistungsschwächeren Schülern gegenüber geringere Erwartungen zum Ausdruck zu bringen; er sollte sie also genauso oft aufrufen, genausolang auf ihre Antwort warten, sie nicht öfter Tadeln usw.

25. Grundlegende Konzepte der Messung und Bewertung

Die Testitems sollten die Ziele des Unterrichts ganz unmittelbar wiedergeben; deshalb ist auch das Unterrichten auf Tests hin gerechtfertigt. Wenn aber der Test mehr als bloße Gedächtnisleistung erfassen soll, sollte das Erreichen der Unterrichtsziele mit anderen als im Unterricht verwendeten Mitteln überprüft werden.

Messen

Ein Test ist ein systematisches Verfahren zur Messung einer Stichprobe des Verhaltens eines Menschen, um dieses Verhalten anhand von Maßstäben oder Normen zu bewerten. Zur Standardisierung des Verfahrens sind systematische Beobachtungsverfahren notwendig. Tests stellen selbst Verhaltensbeobachtungen dar, die wirkungsvoller, feiner und weniger verzerrt als andere Beobachtungsarten sind; sie erbringen eine quantitative Schätzung der Fähigkeit oder Leistung eines Menschen. Sie sind in dem Sinne objektiv, daß verschiedene Beobachter zu einer Übereinstimmung über das Testergebnis kommen.

Man muß sicherstellen, daß die Verfahren zur Auswahl der Verhaltensstichprobe so wenig verzerrt wie möglich sind, daß sie die richtigen Bereiche des Curriculums abdecken und daß sie dem Schüler eine große Anzahl von Möglichkeiten geben, seine Fähigkeiten zu zeigen.

In Tests wird neues Verhalten ausgelöst;insofern wird kreatives Verhalten untersucht, das beobachtbar ist. Will man nicht direkt beobachtbare Verhaltensweisen messen, so muß man diese Dimensionen in beobachtbares Verhalten verwandeln, das direkt oder indirekt die Anwesenheit dieser Eigenschaften anzeigt.

Das Messen vermittelt uns Zahlen. Die Beurteilung, genauere Betrachtung und Interpretation durch Menschen verwandeln diese Zahlen in Bewertungen mit Bedeutungsgehalt.

Bei normbezogenen Tests werden die Testleistungen anderer Personen im selben Meßinstrument als Grundlage für die Interpretation der relativen Testleistung einer speziellen Person verwendet. Dadurch können Individuen untereinander verglichen werden. Die Testwerte sagen jedoch nichts über die tatsächliche Sachkenntnis aus. Ist der Bezugspunkt für den Vergleich eine unmittelbare Vergleichsgruppe (z.B. die Klasse), können die leistungsstärkeren von den weniger leistungsstarken Schülern unterschieden werden. Wird eine mittelbare Vergleichsgruppe gewählt (z.B. alle Schüler aus einem Bundesland), die zu wenig Mitglieder von Minderheitsgruppen enthält, dann ist sie in bestimmter Hinsicht eine verzerrte Normgruppe. Schüler, die Minderheitsgruppen angehören und hervorragende Leistungen im Vergleich zu ihren tatsächlichen Kameraden zeigen, scheinen häufig in auf nationaler Basis standardisierten Tests schlechte Leistungen zu bringen. Weitere Nachteile von normenbezogenen Tests sind:

Die Endnote sagt nichts über tatsächliche Wissenslücken aus;

Es kann zu einer Verminderung der Leistungsmotivation kommen;

Es wird nur ein Teil der Unterrichtsziele durch solche Tests erreicht;

Die Tatsache wird verdeckt, daß der Untericht im bestimmten Fächern sehr gut und in anderen sehr schlecht ist.

Die Leistungen von Schülern sollten deshalb über kriteriumsbezogene Tests ermittelt werden (wenn es nicht um die Auswahl einer Untergruppe von Schülern für seltene Positionen geht). Kriteriumsbezogene Tests messen die Fähigkeit oder Eignung eines Individuums im Hinblick auf ein bestimmtes Kriterium. Ein Vergleich zwischen den Schülern ist nicht nötig. Das absolute Kriterium beruht gewöhnlich auf Erfahrung eines Lehrers mit Schülern, auf dem speziellen Unterrichtsgebiet, auf Aufzeichnungen über frühere Leistungen und auch auf der Intuition und den Wertvorstellungen des Lehrers. Es ist möglich, daß alle Mitglieder einer Klasse erfolgreich sind oder daß alle versagen können. Um eine objektive Auswertung zu gewährleisten, sollten die Leistungskriterien schon vor der Durchführung des Tests festgelegt sein. Folgende Nachteile dieser Vorgehensweise werden genannt:

Der Lehrer kann die Unterrichtsziele nicht so genau festlegen, daß gute und zuverlässige kriteriumsbezogene Meßwerte ermittelt werden können;

Es ist schwierig, angemessene Leistungskriterien aufzustelllen;

Diese Tests bieten keinen Anreiz zum Problemlösen, sondern nur zu der Auswahl aus einer Reihe von Alternativen.

Reliabilität

Die Reliabilität eines Tests gibt die Präzision, Konsistenz oder Stabilität des Ergebnisses an. Bezüglich der Test-Retest-Reliabilität wird erwünscht, daß die Rangplätze der Schüler, die sich aus ihren Testwerten ergeben, von einer Testdurchführung zur nächsten gleichbleiben (r > .80 unabdingbar). Werden die Testergebnisse eines jeden Schülers bei jedem neuen Test wieder gesichtet, erweist sich, ob sich die getroffenen Entscheidungen als gültig erweisen. Zu Beurteilung der Reliabilitäten können bei kriteriumsbezogenen Tests auch Wahrscheinlichkeiten der gleichen Klassifizierung herangezogen werden.

Die innere Konsistenz eines Tests kann in einem einzigen Durchgang gemessen werden, indem z.B. zwei Hälften des Tests verglichen werden. Aus dem Standardmeßfehler (Stichprobenstreuung / Sqrt(N)) läßt sich die Breite des Vertrauensintervalls für die Schätzung eines ermittelten Testwerts errechnen. Wenn sich die Vertrauensintervalle von zwei Personen überschneiden, sollte man nicht davon ausgehen, daß eine Person besser sei als die andere ("unentschieden"). Eine Verbesserung der Reliabilität ist durch Verlängerung des Tests möglich; allerding besteht die Gefahr der stärkeren Ermüdung. Die Reliabilitätserhöhung durch Testverlängerung ist besonders wirkunsvoll bei niedrigen Reliabilitäten.

Validität

Die Validität gibt an, ob das Testverfahren und die Testinterpretation auch tatsächlich eine Messung dessen darstellen, was wir wollen. Die Inhaltsvalidität fordert, daß die Items eines schulfachbezogenen Tests eng mit dem Unterricht verknüpft sein sollen, in dem die Schüler Gelegenheit hatten, etwas zu lernen. Die Inhaltsvalidierung ist eine logische Prozedur.

Bei der Konstruktvalidität (wenn es kein einzelnen Kriterium gibt) geht es darum, ob der Test das mißt, was er zu messen vorgibt. Dies läßt sich durch Korrelationsberechnungen mit Kriteriumsmaßen des bestimmten Leistungsbereichs feststellen. Man kann auch die Probanden mit besonders niedrigen Testwerten mit denen vergleichen, die besonders hohe Testwerte erzielten und prüfen, ob sie sich genau in dem, was der Test messen soll, unterscheiden.

Zur Bestimmung der Kriteriumsvalidität muß man eine Gruppe von Schülern testen und sie alle (unabhängig von ihrem Meßwert) in den Lehrgang aufnehmen. Die Werte in dem Selektionstest werden später mit irgendwelchen Kriteriumsmaßen (die sich aus den Leistungen im Lehrgang errechnen) korreliert. Dadurch kann man feststellen, wie gut die Testleistung den Erfolg beim Programm vorhersagt und damit die Eignung dafür. Der Test ist valide, wenn es darum geht vorauszusagen, wer bei einem bestimmten Kriterium gute Leistungen erzielt. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn ein Schüler denen der Eichstichprobe entspricht.

Bewerten

Nach CRONBACH (1980) ist der Bewerter ein Pädagoge, der die Schulbehörde dabei unterstützt, ihre Interessen zu wahren, die Konsequenzen alternativer Ansätze zu gewichten und neue Möglichkeiten zu entwickeln, wie sie ihre Aufgaben bewältigen kann.

Durch die formative Bewertung soll ein ein Lehrgang so verändert werden, daß er wie beabsichtigt funktioniert. Die Bewertung stellt also eine Revisionsgrundlage dar.

Bei der summativen Bewertung wird ein Programm danach beurteilt, inwieweit und mit welchen Kosten es zu den Ergebnissen führt, auf die abgezielt worden war. Dazu ist es notwendig, daß konkurrierende Methoden oder Programme ebenfalls geprüft werden, so daß man feststellen kann, ob sie mit geringerem Aufwand an Geld oder Zeit zu den selben oder besseren Ergebnissen führen. Neben der pädagogischen Wirksamkeit müssen auch folgende Kriterien in Betracht gezogen werden: Kosten und Zeit; Praktikabilität; Bedürfnisse, die das Programm befriedigt; Einstellungen von Schülern; Vorlieben von Lehrern; das Urteil von Spezialisten usw. Lehrer müssen vor allem lernen, summative Bewertungsberichte anzufordern, um die geeignetsten Maßnahmen, Bücher etc. in ihrem Unterricht einsetzen zu können.

26. Der Lehrer und standardisierte Tests

Vorteile und Anwendungsbereiche standardisierter Tests

Für normenbezogene standardisierte Tests gibt es Normen, die die Einordnung des Schülers in größere Populationen erlauben, die über die einzelne Klasse und die Auffassungen des Lehrers hinausgehen. Kriteriumsbezogene standardisierte Tests führen zu direkter Information darüber, wie gut die Leistungen eines Schülers in bezug auf ein Kriterium sind. Standardisierte Tests

sind auch sorgfältiger konstruiert als vom Lehrer selbst erstellte Tests;

bieten Hintergrundinformation (Reliabilität und Validität; beschreiben die Methoden, nach denen ihr Inhalt ausgewählt wurde);

enthalten Instruktionen für die Durchführung.

Typen der in der Schule verwendeten standardisierten Tests

Fähigkeitstests können generelle Fähigkeiten (Intelligenztests, Schuleignungstest) oder spezielle Begabungen oder Fähigkeiten (z.B. mathematische oder räumliche Fähigkeit) messen. Sie sind meist normbezogen und werden dazu verwendet, Informationen zur Anleitung und Beratung von Schülern zu erhalten. Sie können (außer dadurch, daß sie bestimmte Randpopulationen benachteiligen) auch dadurch ungerecht sein, daß sie die Erwartungen, die der Lehrer gegenüber seinen Schülern hat, beeinflussen. Fähigkeitstests dienen der Vorhersage von Leistungen oder der Ergebnisse zukünftiger Lernerfahrungen. Ihr Inhalt weist wenig Unterrichtsbezogenheit auf; sie sollen dagegen Validität zur Selektion und Vorhersage besitzen.

Standardisierte Leistungstests bestimmen das Ausmaß, in dem ein Schüler eines bestimmten Kurses die Unterrichtsziele erreicht hat. Sie werden meist von Spezialisten konstruiert und an großen Stichproben geeicht. Mit ihrer Hilfe kann man feststellen, wie gut die Leistungen einer Klasse, einer Schule usw. im Vergleich zur Norm sind. Durch Leistungstests werden die Ergebnisse zurückliegender Lernerfahrungen bewertet. Ihr Inhalt soll sich deshalb auf das beziehen, was tatsächlich gelehrt wurde (Unterrichtsbezogenheit, taughtnes); die Inhaltsvalidität ist wichtig.

Nichtkognitive Tests können zur Messung von Meinungen, Einstellungen, Interessen und Bewertungen eingesetzt werden.

Die Auswahl standardisierter Tests

Folgende Kriterien zur Auswahl standardisierter Tests werden von GAGE und BERLINER genannt:

Angemessene Beschreibung des gemessenen Verhaltens (was mißt der Test genau)?

Genügend viele Items für jedes gemessene Verhalten?

Ausreichende Validität (Inhaltsvalidität bezüglich Curriculum; Konstruktvalidität bezüglich anderer Indikatoren des gemessenen Verhaltens; Kriteriumsvalidität z.B. für Schulwechsel)?

Ist der Test reliabel?

Orientiert der Test den Lehrer genug (eindeutige, unterrichtswirksame Information; genügend Normen)?

Orientiert der Test den Schüler genug?

Ist der Test für die Testperson angemessen (Verständnisniveau; Schwierigkeit);

Ist der Test frei von Vorurteilen?

Kann der Test leicht durchgeführt werden?

Verletzt der Test ethische Normen?

Gibt es Retestmöglichkeiten?

Stehen Test und Kostenaufwand in einem annehmbaren Verhältnis?

Folgende Informationsquellen für die Bewertung von standardisierten Tests stehen dem Lehrer zur Verfügung:

Der Test, sein Begleitheft, Bewertungsschlüssel usw. Der Lehrer sollte den Test selbst durchführen und sich dabei Item für Item ein Urteil über die Inhaltsvalidität und andere Kriterien bilden (aber: cooked carrot test).

Literatur über den Test, z.B. Zeitschrift für differentielle und diagnostische Psychologie oder BRICKENKAMP: Handbuch psychologischer Tests.

The Mental Measurements Yearbook von BUROS erscheint regelmäßig alle 4 Jahre und betrachtet die Tests kritisch.

The CSE Test Evaluations enthalten die Bewertungen von Tausenden von Tests durch Expertenn.

Die Durchführung standardisierter Tests

Wenn die Anweisungen und Zeitrestriktionen nicht sorgfältig berücksichtigt werden, sind die Ergebnisse bedeutungslos. Die Kinder sollten motiviert werden, aber sie sollten keine Angst dem Test gegenüber entwickeln. Der Lehrer sollte darauf achten, daß die Schüler wissen, wie der Test zu handhaben ist. Die Testleistungen bei standardisierten Tests können verbessert werden, wenn den Schülern mehr Zeit gegeben wird, sich mit den verschiedenen Typen von Testitems vertraut zu machen.

Die Interpretation standardisierter Tests

Bei normenbezogenen Tests stellt der Rohwert die Anzahl der richtig beantworteten Fragen dar. Er muß nun aber interpretiert werden. (Bei kriterienbezogenen Tests ist es klar: Kriterium erfüllt heißt OK.) Zuerst kann man die Rohwerte in eine Rangordnung bringen, so daß die Schüler innerhalb der Klassen verglichen werden können. Durch die Berechnung von Prozentrangplätzen kann festgestellt werden, wie viel Prozent der Schüler besser oder schlechter sind; die Einheiten können aber verzerrt sein, so daß geringe Änderungen im Rohwert große Änderungen im Prozentrang immer dann bewirken können, wenn in einem bestimmten Bereich der Häufigkeitsverteilung die Häufigkeiten stark ansteigen.

Vorteilhaft ist die Verwendung von Standardwerten, die angeben, wie weit die Werte vom Mittelwert abweichen:

z-Werte: z = (x - M) / S; Werte zwischen -3 und 3 mit Mittelwert 0, Standardabweichung 1;

T-Werte: T = 10z + 50; Mittelwert 50; Standardabweichung 10;

Stanine: Mittelwert 5 und Standardabweichung etwa 2.

Bei manchen Tests ist es sinnvoll, die Rohwerte in Alltersstufen- oder Klassenstufennormen zu verwandeln. Diese Normen repräsentieren die Rohwerte, die im Durchschnitt von Schülern einer bestimmten Alters- oder Klassenstufe erreicht werden.

27. Vom Lehrer selbst erstellte Tests

Standardisierte Tests können Inhalte prüfen, die nicht in der Klasse gelehrt wurden und somit unfair sein. Solche Fehler sollten aber vom Lehrer selbst konstruierte Tests nicht aufweisen: Er sollte darauf achten, daß die Leistungen von Schülern anhand von Lernzielen beurteilt werden, die für sie wichtig sind. Zeigen bei solchen kriteriumsorientierten Tests alle Schüler gute Leistungen, sollte sich der Lehrer freuen; zeigen alle schlechte Leistungen, wurde wahrscheinlich nicht geeignet unterrichtet.

Die Festlegung der Leistungsarten

Es handelt sich hier um die Fragen der pädagogischen und unterrichtlichen Zielsetzungen: Wie sollen sie festgelegt werden, in welcher Form sollen sie ausgedrückt werden, welche Strukturen sollen sie haben, welche Kategorien sollen sie abdecken?

In manchen Stoffgebieten (z.B. kleines 1x1) kann man den gesamten Leistungsbereich zuverlässig erfassen. Bei solchen bereichsbezogenen Tests kann der Leistungstest auf einer ausreichend großen, repräsentativen Stichprobe der verschiedenen Kombinationen aufbauen.

In anderen, weniger abgegrenzten Bereichen kann durch Inhaltsanalyse und Darstellung der Leistungsbereich in einzelne Themen zergliedert und als eine Dimension einer Tabelle verwendet werden; die zweite Dimension der Verhaltens-Inhalts-Matrix wäre das erwünschte kognitive Verhalten (Verstehen, Anwenden, Bewerten usw.). In jede einzelne Zelle der Tabelle kann man den Prozentzsatz der Fragen einfügen, der sich nach dem Urteil des Lehrers mit dieser Verhaltens-Inhalts-Kombination befassen sollte. Mit einer solchen Tabelle ist es möglich, auf geplante und nicht vom Zufall abhängige Weise sicherzustellen, daß sich der Test mit verschiedenen Gegenständen befaßt und den Einsatz relevanter Verhaltensbereiche verlangt. So kann vermieden werden, daß man zu viele Fragen über einige Gegenstände und zu wenige über andere stellt oder daß man zu viele "Gedächtnisfragen" und zu wenige "Denkfragen" einfügt. Diese Tabelle sollte auch den Schülern, die alt genug sind, vorgelegt werden, so daß sie verstehen, was sie lernen sollen. Die Anzahl der Fragen in jeder Zelle sollte sich nach dem Aufwand bei der Beschäftigung mit dem jeweiligen Gegenstand richten und die Bedeutung innerhalb des gesamten Zielbereichs reflektieren.

Die Reliabilität läßt sich durch die Verwendung von mehr Items erhöhen; allerdings läßt die Leistung bei zu langen Tests nach; häufig durchgeführte, kurze Tests können ein Ersatz sein.

Die Entscheidung über die Art der Testfragen

Aufsatzfragen

Aufsatzfragen sind dann nützlich, wenn man die Fähigkeit eines Schülers zur Strukturierung und zur Anwendung seiner eigenen Methoden auf die Bewältigung eines ziemlich komplexen Problems bewerten will; dabei werden möglicherweise alle kognitiven Prozesse gefordert: Gedächtnis, Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese und Bewertung. Umstritten ist, ob eine genaue Struktur vorgegeben werden soll oder nicht ("Erörtern sie XY unter Berücksichtigung von A, B und C").

Der Hauptvorteil dieser Methode liegt darin, daß der Zeitaufwand für die Erstellung einer Aufsatzfrage minimal ist. Allerdings ist die Meßwertermittlung wesentlich zeitaufwendiger und schwieriger durchzuführen. Die Meßwertzuweisung kann kaum reliabel erfolgen.

Freie Fragen gegenüber gebundenen Fragen mit kurzer Antwort

Es lassen sich - mit etwas Geschick - auch Fragen mit kurzer Antwort entwickeln, die die kognitiven Prozesse auf den Stufen des Verständnisses, der Nutzanwendung, der Analyse usw. abrufen. Bei Fragen mit freien Antworten muß der Schüler eine Lücke im Text richtig ergänzen. Dabei können bei der Bewertung Schwierigkeiten auftreten.

Bei Richtig-Falsch-Items muß er die Korrektheit einer Aussage prüfen. Diese Art solle aber nicht verwendet werden, da oft einfach Sätze aus dem Lehrbuch verwendet (und negiert) werden; außerdem neigt man allgemein eher dazu, zuzustimmen.

Bei Mehrfachwahlitems (multiple choice) gilt es, die richtige Antwort zu finden. Sie verlangen einen relativ großen Zeitaufwand bei ihrer Erstellung, können aber alle kognitiven Niveaus abdecken.

Bei Zuordnungsitems müssen zwei Mengen von Alternativen einander zugeordnet werden (z.B. Namen und Beschreibungen). Sie sind jedoch nur für die Messung der Fähigkeit brauchbar, relativ verschiedene Dinge zuzuordnen.

Die Formulierung von Testfragen

Es wird empfohlen, sowohl Aufsatzfragen als auch Mehrfachwahlfragen bei selbsterstellten Tests zu verwenden.

Die Formulierung und Benotung von Aufsatzfragen

Aufsatzfragen sollten vor allem dann verwendet werden, wenn es um die komplexeren Leistungsbreiche geht, wie z.B. Analyse, Synthese und Bewertung; sie sollten nicht zur Erfassung einfacher Wissens- und Verständnisbereiche verwendet werden. Man muß sich darüber klar sein, daß sie (je nach Fragestellung) in der Art komplexer Reaktionen, die sie verlangen, weit streuen können. Die breiteren Themen sind schwieriger reliabel zu bewerten, aber sie verlangen von den Schülern, daß sie den Gegenstand selbst strukturieren und abgrenzen.

Man muß auch genau die Formulierung der jeweiligen Fragen überlegen und auswählen zwischen: diskutieren, definieren, belegen, erklären, mitteilen, zusammenfassen, klassifizieren, anwenden, kritisieren und formulieren. Es ist am besten, alle Schüler alle Fragen beantworten zu lassen.

Es ist vorteilhafter, wenn man relativ kurze (5 Zeilen bis 1/2 Seite) Antworten verlangt, da man so mehr Fragen stellen kann und so die Ergebnisse reliabler werden. Auf jeden Fall sollte man vor Durchführung des Tests selbst eine Modellantwort formulieren, um ein Richtschnur für die Bewertung der Antworten der Schüler zu haben.

Verzerrungen sind bei der Bewertung von Aufsatztests das Übliche. Sie können durch Faktoren wie Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik, aber auch durch die Handschrift bewirkt werden. Lehrer richten ihre Bewertungen auch oft nach den Erwartungen, die sie bestimmten Schülern gegenüber hegen.

Die Rückmeldung, die den Schülern in der Beurteilung der Tests gegeben werden sollten (auch wenn Einiges zu kritisieren ist) stets auch positive Elemente enthalten, um den Schülern eine positivere Einstellung zu ihren Fähigkeiten zu ermöglichen.

Die Formulierung von Mehrfachwahlfragen

Das Verständnis des Schülers kann als dessen Fähigkeit definiert werden, eine Frage zu beantworten, die auf einer Paraphrase einer Feststellung aufbaut, die im Lernmaterial vorkam. Es kann aber auch ein spezifisches Beispiel (das aus übergeordneten Konzepten oder Prinzipien abgeleitet ist) für das Phänomen, an dem man interessiert ist, verwendet werden.

1. Der Stamm der Frage (der Teil vor den Alternativen) sollte eine genaue Umschreibung eines mit Bedeutungsgehalt ausgestatteten Problems darstellen und nicht bloß eine Einführung in eine Ansammlung von untereinander nicht in Beziehung stehenden Richtig-Falsch-Feststellungen.

2. Die Distraktoren (falschen Antworten) sollten plausibel sein, so daß diejenigen Schüler, die die bewertete Leistungn (Kenntnisse, Verständnis usw. ) nicht erbringen können, dazu neigen werden, eher sie auszuwählen als die richtige Antwort.

3. Man verwende so viele Distraktoren, wie auf logische Weise geschaffen werden können (nicht nur Wert darauf legen, daß die Seite voll wird).

4. Man sollte nicht zögern, die Anzahl der Distraktoren von Item zu Item zu ändern.

5. Man verwende im Stamm immer dann direkte Fragen und nicht unvollständige Feststellungen, wenn dies angemessen erscheint.

6. Wo immer möglich, vermeide man eine Wiederholung von Worten in den Alternativen; solche Worte gehören in den Stamm.

7. Länge und Präzision der Antwortalternativen sollten nicht systematisch mit ihrer Richtigkeit variieren.

8. Die richtige Antwortalternative sollte von Antwort zu Antwort variieren.

9. Alle Antwortalternativen sollten untereinander und mit dem Stamm in grammatikalisch eindeutiger Beziehung stehen.

10. Es sollte eine und nur eine Antwortalternative geben, die Experten als die beste betrachten würden.

11. Wahrscheinlich ist es am besten, die Verwendung von "nicht zutreffend" als einer Alternative völlig zu vermeiden.

12. Man lasse Tests nicht so umfangreich werden, daß dabei eher Geschwindigkeits- als Niveautests entstehen.

Typen von Mehrfachwahlfragen

Mehrfachwahlfragen können verschieden hohe Niveaus kognitiver Abläufe erfassen: Kenntnisse (Gedächtnis), Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese und Bewertung. GAGE und BERLINER bezeichnen das Formulieren von Mehrfachwahlitems als ein Kunst.

Itemanalyse

Die Itemanalyse bei kriterienbezogenen Tests geht folgendermaßen vor: Ein Item ist akzeptabel, wenn diejenigen, die einen Unterricht erhalten haben, größtenteils die richtigen Antworten gaben, während diejenigen, die keinen Unterricht hatten, ihre Antworten anscheinend zufällig plazierten. Ein Index für die Itemeignung läßt sich folgendermaßen berechnen: E = (SmU - SoU) / S. (SmU: Zahl der Schüler, die nach dem Unterricht die Frage richtig beantworten; SoU: Zahl der Schüler, die vor dem Unterricht die richtige Antwort gaben; S: Gesamtzahl der Schüler). Die Items werden so lange analysiert, bis ein Pool guter Items zusammengestellt worden ist.

Bei der Itemanalyse bei normbezogenen Tests wird das Drittel der Schüler mit den besten Leistungen mit dem Drittel mit den schwächsten Leistungen verglichen. Ein Index für die Itemschwierigkeit läßt sich folgendermaßen berechnen: ((Anteil der Richtigantworten bei Schülern mit insgesamt hohen Meßwerten) + (Anteil der Richtigantworten bei Schülern mit insgesamt niedrigen Meßwerten)) / 2. Schwierigkeitsniveaus zwischen .25 und .75 werden zu einer guten Differenzierung der Schüler führen. Bei kriteriumsbezogenen Tests sollten die Items vor dem Unterricht schwierig sein und danach leicht. Bei normbezogenen Tests läßt sich ein Index der Itemtrennschärfe aus folgender Differenz berechnen: (Anteil der Schüler mit hohen Werten, die das Item richtig beantworten) - (Anteil von Schülern mit niedrigen Werten, die das Item richtig beantworten).

Die Zweckbestimmung von Leistungstests

Mit Klassifikationstests kann man beispielsweise feststellen, ob ein Schüler die Eingangsvoraussetzungen für eine bestimmte Gruppe oder Schulstufe erfüllt.

Formative Tests bieten eine ständige Orientierung über das, was der Lehrer und der Schüler leisten (Feedback). Diese kurzen Tests sind normalerweise eng an Unterrichtsziele angelehnt und man verwendet sie, um kontinuierlich zu verfolgen, wie ein Schüler sich in verschiedenen Curriculumbereichen entwickelt. Da diese Tests den Schülern korrigiert zurückgegeben werden sollten, müssen jedes Mal neue Items erzeugt werden.

Diagnostische Tests geben dem Lehrer Aufschluß darüber, ob ein bestimmter Schüler Lernschwierigkeiten hat. Die Distraktoren sind so gewählt, daß die einzelnen Fehlertypen das spezifische Problem des Schülers (Repair, cf. BROWN & BURTON) deutlich machen. Der Konstrukteur der Items muß über das Gebiet sehr gut Bescheid wissen und alle Aufgaben und Unteraufgaben berücksichtigen, die für die Lösung bestimmter Testaufgaben erforderlich sind.

Summative Tests führt der Lehrer am Ende der Stunde durch, um sicher zu gehen, daß der Schüler etwas gelernt hat. Normalerweise sind normbezogene summative Tests länger, die Testitems kommen aus einem größeren Bereich und umfassen mehr Ziele. Kriteriumsbezogene Tests sind demgegenüber weniger umfangreich, dafür aber spezifischer.

Der Einsatz von Computern dientz unter anderem dazu, einzelne Items nach Zielbereichen zur Verfügung zu stellen. Eine automatische Itemanalyse kann (unter Einschluß des Schwierigkeitsgrads) für jedes Item erstellt werden, und die Daten werden mt jedem neuen Testergebnis aufgearbeitet.

28. Noten und Zeugnisse

Wozu Schüler bewerten?

Die Lehrer müssen als Vertreter der Gesellschaft ihre Werturteile über das Verhalten und die Leistungen der Schüler in gewisser Weise nach dem richten, was von der Gesellschaft für wichtig und wünschenswert gehalten wird. Der Schüler und andere zuständige Personen verwenden diese Beurteilungen bei ihren Entscheidungen über vergangene Leistungen und zukünftige Maßnahmen und dazu, Stärken und Schwächen ausfindig zu machen.

Aufgrund der Bewertungen werden auch Entscheidungen getroffen, z.B. zur Berufsplanung oder der Zuweisung zu Fördergruppen. Durch die Bewertungen erhält der Schüler auch Rückmeldung über seine Fortschritte. Zukünftigen Lehrern oder Arbeitgebern stehen so Aufzeichnungen über frühere Leistungen des Schülers in bestimmten Unterrichtsfächern zur Verfügung.

Schließlich können die Leistungsbewertungnen auch für administrative Zwecke verwendet werden, z.B. zur Vergabe von Auszeichnungen, für die Förderung und Eignungsbeurteilung usw. Sie haben außerdem den Zweck, den Schüler zu größeren Leistungen zu motivieren.

Die üblichen Fragen zum Testen und Benoten

1. Die niedrige Reliabilität und nicht feststellbare Validität verlangt es vom Lehrer, daß er seine Urteile über die Schüler vorsichtig formuliert; sie müssen sorgfältig überdacht und zusammengestellt werden. Um Unterschiede in der Notengebung zwischen verschiedenen Lehrern gering zu halten, sollten die Lehrer ihre Benotungsmaßstäbe miteinander diskutieren und sich auf eine gemeinsame Notenpolitik einigen (inhaltliche Definition der einzelnen Noten). Sie sollten von normenbezogenen zu kriteriumsbezogenen Bewertungssystemen übergehen, da dort die Benotungsvariabilität geringer ist.

2. Durch Noten entsteht die Gefahr, daß die Schüler mehr auf die Noten als auf die Inhalte hinarbeiten; sie suchen dann nur noch danach, was der Lehrer wohl mit einer Frage will. Wenn allerdings die Noten tatsächlich Fortschritte in Richtung auf die Beherrschung eines Stoffgebietes repräsentieren, dann dient der Einsatz um der Noten willen tatsächlich den Zwecken des Unterrichts; dies ist sicherlich bei kriteriumsbezogenem Testen der Fall. Das Testen und Benoten kann auch als eine Lehr- und Leistungshilfe betrachtet werden: Das bloße Wissen um einen kommenden Test beeinflußt schon die Arbeitsgewohnheiten und den Arbeitszeitaufwand der Schüler (cf. HALPIN & HALPIN, 1982). Allerdings beurteilen Schüler, die häufig getestet werden, ihre Lehrer negativer. Nach CLARK (1969) war auch die Leistung von Studenten höher, wenn sie Noten bekamen, und das trotz der häufigen Behauptung, daß ihre Motivation bereits so hoch sei, daß derartige extrinsische Anreize überflüssig seien.

3. Mildes oder strenges Benoten hat keinen Einfluß auf die Testleistungen, kann sich aber daruf auswirken, welche Fächer die Schüler wählen. Normalerweise werden Schüler in naturwissenschaftlichen Fächern strenger benotet; bei Schülerinnen übte die Milde der Benotung in einem naturwissenschaftlichen Kurs einen deutlichen Einfluß auf die Einschreibung in einen anderen naturwissenschaftlichen Kurs aus (cf. BRIDGHAM, 1972). Strenges Benoten hat auf jeden Fall motivationale Konsequenzen. Es führt zu einer Bedrohung, der die Schüler dadurch entgehen, daß sie die entsprechenden Kurse nicht wählen. Die Leistungen der Schüler sind etwas niedriger, wenn sie nur mit "bestanden - nicht bestanden" bewertet werden, statt mit einer differenzierteren Skala; die dichotome Bewertung führt bei Schülern und Studenten zu einer Abnahme der Bemühungen.

4. Die Belastung der Schüler kann beispielsweise auf folgende Arten verringert werden:

Mitteilen, daß es keine Noten der Kategorie "nicht bestanden" geben wird.

Geheimhaltung der Benotung (Schutz vor Bestrafung durch Eltern oder Spott der Mitschüler).

Möglichkeit des Aushandelns der Note.

Ignorieren der schlechtesten Leistung (als atypisch).

Bei einem kriteriumsbezogenen Vorgehen arbeiten die Schüler einfach so lange und bekommen so oft den Test vorgelegt, bis sie die Bewältigung des Stoffgebiets demonstrieren können. Ein mäßiges Ausmaß an Angst kann die Leistungen steigern; wenn die Angst jedoch sehr hoch oder sehr niedrig ist, dann wird die Leistung schlechter. Der Lehrer sollte also bei den ängstlichen Schülern versuchen, ihnen etwas Angst zu nehmen.

Ziele eines Schülerbeurteilungssystems: In erster Linie soll die Schülerbeurteilung den Schüler fördern und seine Leistungen verbessern. Die Schüler können die Bewertungen für die Entscheidung, ob sie ihr Verhalten beibehalten oder modifizieren wollen, verwenden. Jede Beurteilung sollte positive Elemente enthalten, um so Erfolgserlebnisse zu garantieren. Informationen über die Schwächen der Schüler sollten immer mit Vorschlägen einhergehen, wie sich die Schüler verbessern könnten. Die Ergebnisse sollten geheim gehalten werden. Die in die Leistungsbewertung eingehenden Informationen sollten nicht mit irrelevanten Dingen vermischt sein, z.B. sollten die Bemühungen eines Schülers von seinen Leistungen getrennt werden.

Bewertungsunterlagen

Bei Anwendung der Konvergenztechnik werden mehrere Quellen zur Urteilsbildung verwendet, von denen jede mit anderen Stärken und Schwächen ausgestattet ist.

Bei kriteriumsbezogenen Tests steht jeder Testwert für eine bestimmte definierbare Leistung, und die Testergebnisse (bestanden - nicht bstanden) sollten nicht kombiniert werden. Wenn jedoch normbezogene Test verwendet werden, kann eine Kombination der verschiedenen Tests, die ein Lehrer als repräsentativ für die Leistungen eines Schülers erachtet, zu einer zusammengesetzten Gesamtbewertung erforderlich werden, um so eine Gesamtnote zu erhalten. Für die Kombination normbezogener Daten auf einer gemeinsamen Skala gibt es verschiedene Techniken (z.B. z-Transformation); wenn Gewichtungen verwendet werden, so sollten sie vertretbar, leicht verständlich und leicht zu berechnen sein.

Beobachtungen liefern ebenfalls wichtige Informationen, die der Lehrer bei der Ausarbeitung von Empfehlungen für die Zukunft des Schülers berücksichtigen kann. Solche Beobachtungen sind z.B. angewandte Intelligenz oder funktionale Intelligenz (das geeignete Herangehen an ein Problem).

Bei der Notengebung selbst verlassen sich die meisten Lehrer auf ihre Notenbuch, das die Leistungen bei den einzelnen Klassenarbeiten, die Erfüllung der Hausaufgaben, unentschuldigtes Fehlen im Unterricht, Verhaltensprobleme usw. enthält. Die wichtigste Variable sind die Angaben zur Aufgabenerfüllung, d.h. wie schnell der einzelne Schüler mit dem Stoff fertig geworden ist. Oft werden Noten auch anhand folgender Kriterien entschieden:

Allgemeine Fähigkeiten des Schülers;

Anstrengung;

Unterstützung des Schülers durch das Elternhaus;

Verhalten im Unterricht;

Physischer Entwicklungsstand;

Schwierigkeit der Aufgabe.

Die Erwartungen des Lehrers beeinflussen dessen Wahrnehmung: Schon ZILLIG (1928) konnte zeigen, daß Lehrer bei Schülern, die sie für gescheiter halten, mehr Fehler übersehen.

Bezugsrahmen für Mitteilungssysteme

Absolute Maßstäbe setzen voraus, daß von vorneherein ein Erwartungshorizont festgelegt wird, der angibt, ab welchem Niveau die Durchführung einer Aufgabe als annehmbar gilt. Kriteriumsbezogene Gütemaßstäbe sind absolute; dabei ist von vorneherien keine Verteilung der Notenwerte festgelegt und der Lehrer muß bereit sein, allen Schülern eine 1 oder eine 5 zu geben.

Pseudoabsolute Maßstäbe liegen vor, wenn sich hinter den scheinbar absolut gemessenen Noten tatsächlich Normverteilungen verbergen, z.B. daß nur 10% der Schüler eine 1 bekommen oder daß alle bestehen. Der Lehrer wird seine zusammengesetzten Werte so hintrimmen, daß sie in die erwünschte Verteilung passen. Prozeßnoten, die nicht eng mit der Leistung verknüpft sind, sind ebenfalls irreführend.

Relative Maßstäbe werden am häufigsten verwendet. Ein Schüler wird auf der Basis dessen bewertet, wie gut seine Leistungen im Vergleich zu den anderen Schülern seiner Klasse, seiner Klassenstufe, seines Alters- oder Fähigkeitsniveaus sind. Diese Systeme bergen die Gefahr in sich, daß der Lehrer tatsächlich niedrige Leistungen positiv bewertet oder tatsächlich akzeptable oder angemessene Leistungen negativ bewertet. Normenbezogene Maßstäbe werden dann angewandt, wenn kriteriumsbezogene Gütemaßstäbe nur schwer definiert werden können (z.B. im Sozialkundeunterricht).

Verschiedene Arten von Mitteilungssystemen

Bei den Zeugnissen weicht ein anfangs noch mehr kriteriumsbezogenes Vorgehen allmählich einem normenbezogenen System der Notengebung. Kriteriumsbezogene Zeugnisse sagen dem Schüler und seinen Eltern genau, was er kann und was nicht. Die Beurteilung von Einstellungen und Sozialverhalten wird gewöhnlich so dargestellt, daß der Lehrer sein Urteil danach einrichten kann, ob das Verhalten vorhanden ist oder nicht, ob es verbessert werden muß oder ob es besonders lobenswert ist. Folgende Bereiche sind dabei wichtig:

Fleiß und Arbeitsgewohnheiten;

Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit;

Fähigkeit, mit anderen auszukommen, und Führungsinitiative;

jede Art spezieller Begabungen oder Fertigkeiten (Talent oder Kreativität).

Auf Elternabende sollten sich die Lehrer durch Rollenspiele vorbereiten. Es können Pläne zur Zusammenarbeit entwickelt, Einsichten geteilt, Übelstände ans Licht gebracht und Mißverständnisse beseitigt werden. Die Lehrer sollten ihre Gedanken zu einem Schüler ordnen, z.B. indem sie einen Beurteilungsbogen entwickeln. Alle Arbeiten des Schülers sollten greifbar sein. Man sollte versuchen, so aufrichtig und objektiv wie möglich zu sein. Fachjargon sollte vermieden werden und man sollte etwas Positives über den Schüler sagen. z.B. dessen beste Arbeit herausstreichen.

In Kurzberichten (Verhaltensprotokollen) können Aufzeichnungen über Stichproben des Schülerverhaltens in Alltagssituationen gesammelt werden; sie können einen wichtigen Teil der Bewertung darstellen und zu Einsichten über Schüler führen, die über dasjenige hinausgehen, das sich aus den Tests ergibt.

Persönliche Briefe können verwendet werden, wenn die Kooperation der Eltern erforderlich ist, um z.B. die Häufigkeit des Fernbleibens und nicht erledigter Hausaufgaben zu verringern.

 


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